"Dann hat MJ uns an die Wand gespielt"

Max Marbeiter
04. August 201516:24
Terry Porter (l.) verlor mit den Blazers in den 92er Finals gegen Michael Jordans Bullsgetty
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Mit den Portland Trail Blazers stand Terry Porter zwei Mal in den NBA-Finals, scheiterte dort jedoch an den legendären Bad Boys und Michael Jordan. Heute ist er Coach und blickt zurück. Außerdem: LeBrons Hilfe für David Blatt, Anschauungsunterricht bei den besten Coaches aller Zeiten und Steph Currys Einzigartigkeit.

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SPOX: Mr. Porter, in diesem Jahr besuchten Sie in Europa eine Coaches Clinic, gaben dort selbst Anschauungsunterricht. Was nehmen Sie für sich selbst von solchen Besuchen und dem Austausch mit dortigen Kollegen mit?

Terry Porter: Basketball wird immer mehr zu einem globalen Sport. Und wie die Spieler lieben auch wir Coaches die Idee, zusammenzukommen, uns über unsere unterschiedlichen Philosophien auszutauschen und so zu sehen, ob sie auf die verschiedenen Ligen anzuwenden sind. Jeder sucht einen Weg, erfolgreich zu sein, einen Weg, wie er seinen Spielern das nötige Rüstzeug mitgeben kann, um Erfolg zu haben. Natürlich benötigen aber auch wir Coaches dieses Rüstzeug. Deshalb ist es immer großartig, Ideen auszutauschen und mit anderen Coaches zu sprechen, Geschichten zu teilen. Ich genieße das. Denn am Ende stehst du als Coach unter enormem Druck. Du musst gewinnen. Damit musst du lernen, umzugehen.

SPOX: Es wird ja immer von den großen Unterschieden zwischen den Stilen in Europa und den USA gesprochen. Hier der teamorientierte, dort der spielerzentrierte Basketball. Sehen Sie solche Unterschiede, wenn Sie mit Kollegen aus Europa sprechen?

Porter: Durchaus. Die Strukturen und die Geschichte in Europa zielen deutlich mehr auf das teamorientierte Spiel ab. In der NBA versuchen sie natürlich ebenfalls, Teambasketball zu spielen, offensiv ist das Spiel allerdings deutlich individualisierter. Das liegt einfach daran, dass sie derart großartige Athleten, derart schnelle Spieler haben. So etwas gibt es in Europa nur sehr, sehr selten.

SPOX: Mit David Blatt arbeitet seit der abgelaufenen Saison erstmals ein "europäischer" Coach in der NBA. Ursprünglich stammt er zwar aus den USA, Europa hat ihn jedoch geprägt, er hat dort alles gewonnen - und wurde während der gesamten Saison dennoch wie in absoluter Frischling behandelt. Ist das angesichts seiner Erfahrung nicht komisch?

Porter: Für mich ist das ähnlich wie bei den Spielern, die in Europa bereits jahrelang Profi waren und dann in die USA gehen. Da sich die Stile derart deutlich unterscheiden, steht ihnen immer noch ein großer Lernprozess bevor. Den müssen sogar Leute durchlaufen, die in den USA groß geworden sind. Als ich zu coachen begann, musste ich auch erst einmal lernen, wie ich die Zeit manage, wie ich mir meine Timeouts richtig einteile.

SPOX: Das ist ein Punkt. Blatt selbst gab kürzlich ja sogar zu, sich den Wechsel einfach vorgestellt zu haben...

Porter: Das meine ich. Er musste sicherlich noch einiges lernen. Einfach weil die Regeln so unterschiedlich sind. Das geht schon bei den Schiedsrichtern und ihrer Art, die Spiele zu leiten los. Auch die Fans sind anders. An all das musst du dich erst gewöhnen, bis du dich irgendwann wohl fühlst. Egal, wie viel Erfahrung du irgendwo anders gesammelt hast, in der NBA ist es noch mal etwas ganz Anderes. Umgekehrt wäre es aber genauso. Auch ein amerikanischer Coach müsste sich in Europa erst einmal an diverse Dinge gewöhnen. Allein an die Tatsache, dass man in Europa viel mehr trainiert, weil die Teams nicht so viele Spiele haben wie in der NBA.

SPOX: Hat es Blatts Eingewöhnungsprozess da vielleicht sogar erschwert, dass er LeBron James im Team hatte? Immerhin möchte er bei vielen Dingen mitreden und übt so zusätzlichen Druck aus.

Porter: Grundsätzlich denke ich nicht, dass irgendetwas schwieriger wird, wenn du LeBron im Team hast. Wenn du einen solchen Spieler hast, wird es in meinen Augen sogar einfacher. Er versucht, dir zu helfen und sicherzustellen, dass jeder am richtigen Punkt ist. Er geht mit gutem Beispiel voran. Deshalb bin ich mir auch sicher, dass er David in vielen Situationen geholfen hat. Man denke nur an Spiel 4 gegen die Bulls. (lacht)

SPOX: Stimmt, damals wollte Blatt zunächst ein Timeout nehmen, als die Cavs keines mehr hatten, dann malte er ein Play auf, bei dem LeBron den Ball einwerfen sollte...

Porter: ...und LeBron hat es dann in die Hand genommen und das Spiel gewonnen. Solche Situationen zeigen, dass es dir als neuer Coach unglaublich hilft, wenn du einen Spieler wie LeBron hast. Große Spieler wollen gewinnen. Sie wollen dir helfen, so gut es geht. Zudem war LeBron bereits Teil, großartiger Teams. Er hat mit Pat Riley und Erik Spoelstra zusammengearbeitet. Allein deshalb weiß er Dinge, die dir definitiv helfen werden. Er kann während Timeouts helfen, kleine Anpassungen vorzunehmen, die das Team unglaublich weiterbringen können.

SPOX: Aber war es nach dem finalen Play in Chicago von LeBron nicht der falsche Weg, sich im Nachhinein hinzustellen und zu sagen, dass er alles weggewischt habe?

Terry Porter arbeitete als Coach bereits für die Kings, Bucks, Pistons, Suns und Wolvesgetty

Porter: Der Akt an sich passiert häufig. Im Huddle verändern Spieler immer wieder irgendwelche Plays. Larry Bird, Magic Johnson und Michael Jordan - sie alle haben Coaches überstimmt. Und das unter den besten Coaches wie Pat Riley oder Phil Jackson. Das gehört dazu. Denn am Ende geht ums gewinnen. Aber der Kommentar? Die meisten Spieler würden sich wohl eher hinstellen und sagen 'Hey, der Coach hat ein großartiges Play aufgemalt'. Oder: 'Wir haben während des Timeouts einige Anpassungen vorgenommen', aber sie würden es nicht öffentlich sagen und den Coach damit den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Nach dem Motto: 'Hier geht's um mich.'

SPOX: Der Akt an sich ist also normal und kein Coach fühlt sich in einem solchen Fall in seiner Autorität gestört?

Porter: Genau. Niemand fühlt sich da angegriffen. Am Ende geht es ja um die Spieler und nicht um den Coach. Wenn die Spieler dann denken, etwas entdeckt zu haben, das besser passt, gut. Wenn es dann nicht klappt, müssen sie natürlich die Verantwortung übernehmen. Als ehemaliger Spieler und jetziger Coach stört es mich überhaupt nicht, wenn einer meiner Spieler Veränderungen vornimmt.

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SPOX: Da Sie Michael Jordan bereits ansprachen: 1984 waren Sie mit ihm bei den Tryouts für die Olympischen Spiele. Sie spielten damals für ein kleineres College und waren vom Niveau überwältigt. War der Unterschied wirklich so groß?

Porter: Diese Tryouts waren tatsächlich extrem überwältigend. Denn ich kam - wie sie sagten - von einer sehr kleinen Schule und niemand dachte, dass ich dort überhaupt mit all den Division-I-Spielern um Michael Jordan mithalten könnte. Am College spielte ich damals als Small Forward oder sogar Backup-Center. Und plötzlich musste ich gegen Jungs ran, die 2,13 Meter und größer, sehr athletisch und talentiert waren. Das war einfach eine ganz neue Erfahrung.

SPOX: Aber eine positive...

Porter: Absolut! Zumal es meine erste wirklich große Chance war, mich einer breiten Masse an NBA-Scouts zu präsentieren. Sie konnten mich erstmals gegen einige der besten Spieler spielen sehen, was extrem wichtig ist. Bist du auf einer kleinen Schule, spielst du natürlich immer gegen etwas schwächere Gegner. Da wird schnell in Frage gestellt, ob du gegen die ganz Großen mithalten kannst, ob du gut genug bist. Als ich mich während der Tryouts dann ganz gut anstellte, sagten sie: 'Oh, er ist gut. Er ist bereit.' Das hat einige Zweifel weggewischt.

SPOX: Dennoch rutschten Sie im Draft ein wenig ab - wie in diesem Jahr beispielsweise Bobby Portis oder Kevon Looney. Was geht da in einem vor? Am Ende kann der Draft das Leben schließlich schlagartig verändern.

Porter: Es ist extrem hart. Denn du bist unglaublich emotional, da du glaubst, was alle im Vorfeld erzählen. Mit wurde prophezeit, dass ich nicht später als an 18. Position gezogen würde. Als es dann immer weiter runterging, war ich erstmal sehr enttäuscht. Rückblickend sage ich jetzt natürlich, dass ich mich in solchen Fällen nicht so sehr unter Druck hätte setzen sollen, weil man den Ausgang ohnehin nicht kontrollieren kann. Da ich von einer kleinen Schule kam, war es für mich allerdings extrem wichtig, in der ersten Runde gedraftet zu werden. Das bedeutete einen garantierten Vertrag.

SPOX: Den bekamen Sie. Und am Ende lief ohnehin alles glatt. Sie spielten 17 Jahre in der NBA und wurden nie getradet. Eigentlich unglaublich. Was haben Sie da richtig gemacht?

Porter: Ich weiß es nicht. (lacht) Das ist tatsächlich sehr selten. Ich war wohl sowohl im Locker Room als auch auf dem Court immer eine gute Ergänzung und habe meinen Teams geholfen, erfolgreich sein. Hatte ich junge Mitspieler, nahm ich zudem gern die Rolle des Mentors ein. Dazu hatte ich das Glück, als Free Agent immer in einer Position zu sein, in der ich mir eine Situation aussuchen konnte, die gut zu mir und meinem Skillset passte. So kam ich gar nicht in die Lage, getradet werden zu müssen.

Die Offseason der Trail Blazers: Vor uns die Sintflut?

SPOX: Unter anderem spielten sie für ein großartiges Blazers-Team, das zwei Mal in die Finals einzog. Zunächst gegen Detroits Bad Boys, dann gegen Jordans Bulls. Welches Matchup war härter?

Porter: Wir haben beide verloren. Von daher waren beide hart. (lacht) Als wir gegen die Bad Boys spielten, wussten wir nicht genau, was uns erwartete. Wir standen ja zum ersten Mal im Finale, niemand hatte erwartet, dass wir es überhaupt schaffen. Deshalb sagten wir uns einfach, dass wir bestmöglich dagegenhalten, hart und mit derselben Energie wie die Bad Boys spielen müssen. Wir hatten ja noch keine Meisterschaft gewonnen und waren deshalb kein Championship-Team.

SPOX: Ändert sich die Perspektive nach der ersten Finalteilnahme?

Porter: Definitiv. In den nächsten beiden Jahren hatten wir wirklich das Gefühl, dass wir den Titel holen können. 1991 verloren wir in den Conference Finals jedoch gegen die Lakers. Rückblickend glaube ich, dass wir in dem Jahr eigentlich die besten Chancen auf die Meisterschaft hatten. Während der Regular Season hatten wir Chicago sowohl auswärts als auch zuhause mit 20 Punkten geschlagen - dann verloren wir gegen die Lakers.

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SPOX: 1992 folgte das Duell mit Michael Jordan und den Bulls...

Porter: Genau. Wir zeigten Charakter, kamen zurück und standen in den Finals. Dann hat uns Jordan einfach abgeschossen. Ich glaube in Spiel 6 waren wir zwischenzeitlich 20 Punkte vorn, ließen sie dann aber zurückkommen und das Spiel gewinnen. Das kam einem Zusammenbruch gleich. Wir haben das Spiel einfach nicht zu Ende gebracht. Das war enttäuschend.

SPOX: Vor der Serie gab es viele Vergleiche zwischen Jordan und Clyde Drexler. Einige sahen beide auf einer Stufe, dann legte MJ eine Schippe drauf und entschied die Serie. Wie ging Drexler mit der ganzen Situation um?

Porter: Clyde wollte sich immer mit den Besten messen. Und diesem Jahr waren die beiden die Besten. Wer besser war? Das kommt immer darauf an, wen du fragst. Michael wurde MVP, Clyde wurde zweiter. Beide sind sich sehr ähnlich. Jordan ist ein unglaublicher Wettkämpfer, Clyde ebenfalls. Sie sahen es als Herausforderung an. Natürlich gab es in der Serie Phasen, in denen Michael besser spielte, aber auch Clyde war hin und wieder der bessere von beiden. Am Ende haben sie gewonnen und wir verloren. Das zählt. Ich bin mir sicher, dass Clyde kein Problem damit gehabt hätte, hätte ihn Michael deutlich geschlagen, wir aber gleichzeitig gewonnen. (lacht) Zu unserem Unglück tat Jordan beides. Er war der Bessere und gewann. Wir hatten in diesem Jahr dennoch ein sehr besonderes Team und Clyde war einfach unglaublich.

SPOX: Wie war es eigentlich, gegen diesen unglaublichen Wettkämpfer Michael Jordan zu spielen?

Porter: Du weißt natürlich, was dich erwartet. Er holt immer das Letzte aus sich heraus. Auf höchstem Level will das andererseits jeder. Für mich war sein Feuer aber nicht größer als das von Clyde. Wir alle liebten den Wettkampf und wollten gewinnen. Mike hat aber einfach besser vollstreckt. Deshalb haben sie gewonnen.

SPOX: 1992 spielten Sie unter Rick Adelman, während ihrer gesamten Karriere für einige der größten Coaches aller Zeiten. Unter anderem Jack Ramsay und Pat Riley. Wer hat Sie am meisten beeinflusst - auch in ihrer Arbeit als Coach jetzt?

Porter: (überlegt) Das ist wirklich nicht einfach. Ich habe immer versucht, von jedem ein Stück mitzunehmen. Rick Adelman hatte zum Beispiel eine Gabe, seinen Spielern einerseits eine Struktur vorzugeben, ihnen gleichzeitig aber auch Freiheiten zu gewähren. Pat Riley war der detailversessenste Coach und beste Motivator, unter dem ich je gespielt habe. Da habe ich einiges mitgenommen. Gerade in Bezug auf die Art und Weise meiner Trainingseinheiten und den Fokus auf Details in der Spielvorbereitung. An Rileys Ansprachen vor Spielen kommt natürlich niemand heran, sie waren berühmt. Aber ich habe schon versucht, wenigstens ein wenig bei mir einfließen zu lassen.

SPOX: Und wie war es unter dem großen Dr. Jack Ramsay?

Porter: Jack Ramsay coachte mich während meiner Rookie-Saison. Er hat mir beigebracht, wie ich meinen Körper während dieser unglaublich harten Saison in Form halten und mir Pausen nehmen kann. Er zeigte mir, wie wichtig das ist, wenn du Erfolg und eine lange Karriere haben willst.

SPOX: Um die illustre Runde zu vervollständigen, spielten Sie auch noch für Gregg Popovich. Damals galten die Spurs jedoch als langweilig, heute werden sie für ihren Teambasketball gelobt. Inwieweit hat sich da die Wahrnehmung des Spiels im Allgemeinen geändert?

Porter: Ich glaube, viele finden die Spurs immer noch langweilig. (lacht) Sie produzieren einfach zu wenige Highlights. Nichts Verrücktes. Keine Lobs. Am Ende gewinnen sie jedoch. Und sie gewinnen dank ihres Systems. Das ist wichtig. Sie haben einen Kern, der weiß, worum es in dieser Kultur geht, der weiß, was Gregg Popovich und sein Staff erwarten.

SPOX: 2014 gewannen die Spurs den Titel, in diesem Jahr die Warriors. Steph Curry wurde zum MVP. Eigentlich prägt er einen sehr eigenen Stil, könnte sein Spiel dennoch als Vorbild dienen?

Porter: Currys Stil zu kopieren, ist sehr schwer. In einzelnen Bereichen kann man aber durchaus von ihm lernen. Er ist ein unglaublicher Ballhandler, dazu wahnsinnig gut im Pick'n'Roll, was gerade heute immens wichtig wird, da der Spielzug so häufig gelaufen wird. Sein Wurf ist ohnehin einzigartig. Den kannst du niemandem beibringen.

SPOX: Curry ist eher schmächtig, keiner dieser Überathleten, dazu ein Point Guard. Ist die Auszeichnung deshalb etwas Besonderes?

Porter: Das ist sie. Abgesehen von Derrick Rose wurde ja lange kein Point Guard zum MVP ernannte. Ich spielte einst selbst auf der Eins. Deshalb finde ich es großartig, dass Curry in diesem Jahr die Auszeichnung bekommen hat. Point Guard ist einfach eine derart fordernde Position. Es wird so viel von dir erwartet. Offensiv wie defensiv. Zudem entwickelt sich das Spiel weg vom Inside- und Post- und hin zum Perimeter- und Point-Guard-Spiel.

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