SPOX: Wie viel Respekt haben Sie dennoch vor der Umstellung vom europäischen auf den NBA-Basketball?
Pleiß: Das Positive: Barcelona spielt einen Stil, der von den europäischen Topteams am meisten der NBA ähnelt: sehr schnell, sehr viele Systeme. Zumal die Jazz-Coaches den internationalen Basketball sehr gut kennen und wissen, worauf es beim Switch in die NBA ankommt. Sie haben mir sehr glaubhaft versichert, dass sie mich als Basketballer entwickeln wollen. Ich weiß jetzt schon, dass ich mich im Klub sehr wohlfühlen werde und sie mir bei der Eingewöhnung beistehen.
SPOX: Welche Unterschiede gilt es konkret für einen Center zu beachten?
Pleiß: Unter anderem gibt es in der NBA weniger Help-Defense, es geht vielmehr um das Eins-gegen-eins und den direkten Kontakt mit dem Gegenspieler. Das bedeutet gleichzeitig, dass man häufiger Freiräume bekommt, was für einen wurfstarken Center wie mich ein Vorteil sein könnte. Oder auch im eigentlichen Eins-gegen-eins muss man sich umstellen: Dadurch, dass die Amerikaner in der Verteidigung früher abspringen, um zu blocken, kann man häufiger mit Pump-Fakes arbeiten. Dafür ist das Risiko größer, eben geblockt zu werden. Es gibt also viele gravierende Unterschiede und ich muss und werde mich anpassen.
SPOX: Dabei hilfreich sein sollte Alex Jensen. Der Jazz-Assistantcoach wurde von Bundestrainer Chris Fleming für die EM ebenfalls als Assistant verpflichtet. Nur Zufall?
Pleiß: Das muss man bei Chris Fleming fragen. Chris ist in der NBA sehr gut vernetzt und dass die Wahl auf Alex fiel, ist natürlich perfekt für mich. Er kann mir sicherlich am Rande der EM-Vorbereitung einige Ideen der Jazz näherbringen.
SPOX: Nach der EM werden Sie Ihren langjährigen Mentor Fleming weiter regelmäßig sehen: Er selbst geht gleichfalls in die NBA und wird Assistantcoach bei den Denver Nuggets.
Pleiß: Das ist eine tolle Nachricht. Einerseits treffe ich ihn hin und wieder während der Saison, andererseits ist es für Chris selbst klasse. Ich verdanke ihm sehr viel und er hat es mehr als verdient, es in die NBA zu schaffen. Man muss sich vor Augen halten, was ihm in den letzten Jahren gelungen ist: Er fing in Quakenbrück an, holte mit Bamberg das Triple-Double, ist jetzt Nationalmannschaftscoach und wird bald in der NBA arbeiten. Das muss man mal schaffen. Er hat sich Schritt für Schritt alle Erfolge erarbeitet - und wer weiß, was dann noch kommt.
Tibor Pleiß im Interview: "Ein bisschen peinlich ist das schon"
SPOX: Fleming versprach nur vier Spielern eine sichere EM-Kader-Nominierung: Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Ihnen und Maxi Kleber, der wie Sie in Spanien unter Vertrag stand. Nun muss Kleber die EM verletzungsbedingt absagen. Wie sehr wird der Ausfall dem DBB-Team schmerzen?
Pleiß: Maxis Schicksalsschlag trifft mich aus freundschaftlicher Sicht extrem. Er ist ein großartiger Spieler und sportlich könnte sein Fehlen ein Loch bei der EM hinterlassen. Trotzdem: Das Wichtigste ist, dass er gesund wird und nächste Saison bei den Bayern voll angreift.
SPOX: Offenbar besaß Kleber wie Sie eine realistische Chance, einen Kaderplatz in der NBA zu erhalten. Neben Miami, die Ihn zur Summer League eingeladen hatte, gab es weitere Interessenten. Sehen Sie NBA-Potential in Kleber?
Pleiß: Auf jeden Fall! Maxi ist sehr sprungstark, verfügt über einen starken Wurf von außen und spielt sehr variabel. Er bringt das gesamte Paket mit. Und bei ihm passt die Persönlichkeit: Er ist bescheiden und höflich, dennoch weiß er, was er will. Daher glaube und hoffe ich, dass er in den nächsten Jahren Dennis und mir in die NBA folgen kann.
SPOX: Kleber wurde nicht nur von NBA-Teams und den Bayern umworben, sondern angeblich auch von Ihrem Ex-Klub Barcelona. Wie blicken Sie selbst auf Ihre Zeit dort zurück?
Pleiß: Anders als es viele behaupten, sehe ich die Zeit in Barcelona überhaupt nicht negativ. Im Gegenteil. Es war nicht immer eine einfache Situation für mich, aber ich machte das Beste daraus - und das ist das Entscheidende. Es hat mir beispielsweise sehr viel gebracht, jeden Tag gegen Ante Tomic zu trainieren. Ohne Neid muss man anerkennen, dass er einer der besten Basketballer Europas ist, der seit Jahren auf dem höchsten Level bei Barcelona und Real Madrid spielt.
SPOX: Sie und Tomic verbindet einiges: Sie sind beide Center, sie sind beide über 2,15 Meter groß, sie spielten beide für Barca - und Utah besaß die NBA-Rechte an ihnen. Nun bleibt Tomic in Spanien und Sie gehen zu den Jazz. Wie seltsam ist das?
Pleiß: Das gehört dazu. Ich dachte eigentlich, dass Ante in die NBA geht, weil er sein Interesse bekundet hatte. Entsprechend überraschend ist es, dass es nicht dazukam. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Ante in Barcelona sehr wohlfühlt und er anders als ich seinen Weg doch eher in Europa sieht. So ist das Business.
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