Er baute die heutigen Los Angelers Clippers als Coach und Manager auf und ging dennoch im Schlechten. Mike Dunleavy Sr. über die Zusammenarbeit mit Donald Sterling, die Evolution des Spiels bis zum Dreier und seine Zeit als Spieler. Und: Warum ihm George Gervin von allen Mitspielern der liebste war...
nbaSPOX: Mr. Dunleavy, Sie sind seit 2010 nicht mehr bei den Clippers. Seitdem ist dort sehr viel passiert - Stichwort Donald Sterling. Können Sie uns einen Einblick geben, wie es war, für ihn zu arbeiten?
Mike Dunleavy: Es war nicht leicht, das kann ich Ihnen sagen. Mir war von vornherein klar, dass dort eine andere Atmosphäre herrschte als bei anderen Franchises. Einiges hat mich dennoch überrascht. Trotzdem bin ich stolz auf das, was wir in meiner Zeit dort erreichen konnten.
SPOX: Sie führten die Clippers 2006 zur ersten gewonnenen Playoff-Serie seit 1977...
Dunleavy: Ja, genau. Seit dem Umzug aus Buffalo hatten die Clippers nie auch nur eine Serie gewonnen. Wir haben danach aber auch sehr gut gedraftet, nachdem unsere Leistungsträger wie Elton Brand und Shaun Livingston sich leider schwer verletzt hatten. Darunter waren einige All-Stars: Chris Kaman, Blake Griffin, DeAndre Jordan, der meiner Meinung nach auf jeden Fall mal ein All-Star wird. Zudem häuften wir Assets an, um im Sommer 2010 in der Lage zu sein, uns um LeBron James, Chris Paul und Dwight Howard - in der Reihenfolge - zu bemühen, als sie Free Agents wurden. Mit etwas Verzögerung kam CP3 dann ja tatsächlich nach L.A., auch wenn ich da schon nicht mehr Teil der Franchise war. Das Gerüst trägt dennoch meine Handschrift.
SPOX: Ihr Abgang verlief schwierig, Sie haben am Ende mit einer Klage gegen Sterling Recht bekommen. Was genau passierte damals?
Dunleavy: Sterling ist passiert. Es war ohnehin ein kompliziertes Arbeitsverhältnis, da er einerseits an jeder sportlichen Entscheidung beteiligt sein wollte, andererseits aber nichts vom Basketball verstand. Ich habe mich manchmal gefragt, wie seine Prioritäten aussahen: Titel holen oder nur Geld machen? Vor der Saison 2009/10 beispielsweise hatten wir mit Griffin, Kaman, Marcus Camby und Zach Randolph eigentlich einen grandiosen Frontcourt. Doch beim Start des Training Camps kam Sterling zu mir und sagte: 'Mike, du musst unsere Gehaltskosten um 14 Millionen Dollar reduzieren.' Das war ziemlich genau Zachs Gehalt zu dieser Zeit. Ich bat ihn, mir zumindest bis einen Monat vor der Trade Deadline Zeit zu lassen, um einen guten Deal zu finden und vor allem schon mal einige Siege einfahren zu können. Doch Sterling wollte nicht warten, also mussten wir Randolph nahezu ohne Gegenwert an Memphis verschenken.
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SPOX: Dann verletzte sich Griffin schwer und Sie hatten beide Power Forwards verloren...
Dunleavy: Richtig. Wir hatten eigentlich auch mit Blake ein gutes Gefühl, nachdem wir in der Preseason mit ihm 6 von 7 Spiele gewonnen hatten. Doch dann brach er sich die Kniescheibe, der sportliche Erfolg blieb aus. Danach eskalierte die Situation und ich wurde gefeuert. Sterling machte, was er vorher schon viermal versucht hatte: Er hörte einfach auf, mich zu bezahlen und kam dann mit folgendem Angebot: 'Gib mir 2 Millionen Dollar zurück, dann bekommst Du den Rest, den ich Dir noch schulde.' Da hätte er auch gleich mit einer Waffe bei mir vorbeischauen und mich ausrauben können! Ich habe natürlich nicht akzeptiert. Es hat dann 18 lange Monate gedauert, bis ich am Ende vor Gericht Recht bekam und er mir zahlen musste, was noch ausstand. Er hat nicht einmal realisiert, dass die ganze Angelegenheit so deutlich teurer für ihn wurde. Das ging auch noch sportlich weiter.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Dunleavy: Nachdem ich weg war, veranlasste er folgenden Trade: Für Mo Williams und Jamario Moon schickte er Baron Davis und den 2011er First-Round-Pick nach Cleveland. Die Clippers sparten damit kurzfristig Geld, aber dieser Pick wurde aufgrund der miesen Bilanz der No.1-Pick und damit Kyrie Irving. Kyrie Irving! Ich hätte niemals einen ungeschützten Pick abgegeben, aber Sterling ging es nur um die kurzfristigen Kosten. So waren die Clippers einfach unter ihm.
spoxSPOX: Hat es Sie denn überrascht, als vor einigen Jahren das Tape mit seinen rassistischen Aussagen veröffentlicht wurde und er das Team letztendlich verkaufen musste?
Dunleavy: Ja, das war schon verrückt. Mir war klar, was für ein schwieriger Mensch er war, aber über den Rassismus in dieser Form war ich mir nicht im Klaren. Es ist gut für die Liga, dass er nicht mehr da ist. Wobei es mich ein wenig stört, wenn man davon spricht, er hätte etwas verloren. Er hat schließlich immer noch 2 Milliarden Dollar für das Team bekommen. 'Sorry Kumpel, hier sind 2 Milliarden' - das passt einfach nicht. Ein Verlust sieht anders aus.
SPOX: Wie stehen Sie denn heute zu den Clippers? Gibt es noch eine Verbindung?
Dunleavy: Auf jeden Fall! Wie gesagt: Ein großer Teil des Gerüsts kommt ja noch aus meiner Zeit, deswegen fühle ich mich dem Team absolut verbunden und sehe mich auch zumindest als kleinen Teil davon. Doc Rivers ist zudem einer meiner guten Freunde in der Liga, wir sprechen regelmäßig über das Team und ich bin ja auch immer mal im Staples Center. Ich drücke Ihnen die Daumen! Auch wenn es mich schon immer noch gelegentlich enttäuscht, dass ich diesen Kern nicht selbst entwickeln durfte.
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nbaSPOX: Sie arbeiteten sowohl in L.A. als auch bei den Bucks zuvor als Coach und teilweise gleichzeitig noch als General Manager. Ist das nicht ein Nachteil gegenüber beispielsweise Houstons GM Daryl Morey, der jederzeit nach Europa fliegen kann, wenn er ein bestimmtes Talent mal persönlich scouten will?
Dunleavy: Das kommt meiner Meinung nach ganz darauf an. Ich bin rückblickend beispielsweise zufrieden mit meinen Draft-Entscheidungen sowohl in Milwaukee als auch in Los Angeles. Ich hatte aber auch ein sehr gutes Team um mich herum mit beispielsweise Neil Olshey, der heute GM in Portland ist. Das ist natürlich auch Pflicht, wenn man beide Jobs ausfüllt. Ich habe zwar immer darauf geachtet, dass ich nach Saisonende noch selbst Scouting-Trips nach beispielsweise Europa unternommen habe, aber das war während der Saison natürlich nicht möglich. Von daher würde ich Ihnen schon zustimmen, dass ein guter GM in dieser Hinsicht einen Vorteil hat. Auch die Doppelfunktion ist aber möglich, wie man aktuell zum Beispiel bei Stan Van Gundy in Detroit sieht. Die Hauptsache ist, dass man Talent evaluieren kann.
SPOX: Da hatten Sie ja schon zu Ihrer Zeit als Spieler gute Einblicke: Sie spielten mit absoluten Legenden zusammen wie Julius Erving, Moses Malone...
Dunleavy (unterbricht): George Gervin, Calvin Murphy, George McGinnis, Sidney Moncrief, Rick Barry, Artis Gilmore, Rudy Tomjanovich, Doug Collins...
SPOX: Eine ziemlich imposante Liste. Hatten Sie einen "Lieblingsmitspieler"? Jemanden, den Sie am witzigsten fanden?
Dunleavy: Der witzigste war auf jeden Fall Billy Paultz. Wir nannten ihn den "Whopper". (lacht) Ich habe in Houston und San Antonio mit ihm zusammengespielt. Er war ständig am Reden und einfach unglaublich witzig. Ich kann seine Witze leider nicht wiedergeben, die waren zumeist nicht jugendfrei. (lacht) Was die besten Spieler angeht: Das ist wirklich unglaublich schwer. Meine Starting Five sähe so aus: Moses als Center, Dr. J und Barry als Forwards, dazu Gervin und Moncrief im Backcourt. Das wäre auch ohne echten Point Guard ein imposantes Team... Auf einen Spieler möchte ich mich nicht festlegen, aber George Gervin schulde ich definitiv am meisten.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Dunleavy: Er hat mir tatsächlich zu Geld verholfen. Damals sahen Verträge ja anders aus als heute. Ich sollte eigentlich von den Rockets, meinem bisherigen Team, 200.000 Dollar über drei Jahre bekommen. Dann war ich aber vor der Saison bei einem Freundschaftsturnier in Europa dabei, das mein Team gewann und in dem ich sehr gut spielte. Die Spurs sahen das und traten an mich heran, ich war ja noch Free Agent. Ihr Angebot war gut und ich wollte gerne wechseln, aber die Besitzer beider Teams waren befreundet und mussten erst etwas aushandeln. Sie sprachen sich ab - und auf einmal ging das Angebot der Spurs deutlich runter. Das wäre heute auf jeden Fall verboten gewesen, damals war es Usus. Ich wollte aber nun mal spielen, also rief ich den damaligen Spurs-Besitzer Angelo Drossos an und unterbreitete ihm selbst ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte: 'Du zahlst mir 200.000 Dollar im Jahr, also das Angebot, das mir auch Houston gemacht hat. Du musst aber nur 100.000 garantieren: Ich wette mir dir, dass ich einen Unterschied mache, was die Bilanz des Teams angeht.'
spoxSPOX: Drossos akzeptierte?
Dunleavy: Ja! Er meinte, da hätte er ja nichts zu verlieren, und das stimmte auch. Der Deal sah wie folgt aus: Die Spurs hatten im Jahr davor 44 Siege geholt, 48 war der bisherige Franchise-Rekord. Ab 40 würde ich portionsweise mehr als 100.000 Dollar verdienen, bei 48 wären es 200.000. Bei 56 wären es dann sogar 300.000 geworden. Es waren letztendlich 54 Siege und 290.000 Dollar.
SPOX: Und wo ist die Verbindung zu Gervin?
Dunleavy: Er war ja unser bester Spieler! Der Iceman war zu der Zeit regelmäßig Topscorer der Liga und machte Teams teilweise im Alleingang fertig. Bei mir war es so, dass jeder Sieg am Ende der Saison finanziell umso wertvoller wurde. Deswegen massierte ich ihm vor Spielen den Rücken und redete ihm gut zu: 'Na los, Großer, hau' heute mal einen raus!' (lacht) Und wenn er dann tatsächlich wieder eine Gala abgeliefert hatte, dachte ich nur: 'Perfekt, 10.000 Dollar mehr.' Darum ist er in der Hinsicht mein Lieblingsmitspieler überhaupt. (lacht)
George Gervin: Eis in den Adern
SPOX: Ganz so unbeteiligt waren Sie daran aber auch nicht: In der angesprochenen Saison (1982/83) führten Sie die Liga bei den Dreiern an (67 getroffen, 34,5 Prozent Quote). Das Spiel hat sich seither natürlich mächtig verändert: Stephen Curry braucht für diese Ausbeute heute gefühlt drei Spiele. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Dunleavy: Oh ja, das ist mit dem heutigen Spiel natürlich nicht mehr zu vergleichen. Es gab damals nicht diesen Fokus auf den Dreier, Coaches sahen ihn teilweise noch als Gimmick an und nicht als Waffe. Das heißt aber nicht, dass ich nicht wirklich gut werfen konnte. Im Gegenteil. Als Coach der Clippers hatte ich folgendes Strafsystem, wenn jemand zu spät zum Training kam: 500 Dollar, falls ein Spieler eine Minute zu spät kommt, und jeweils 20 Dollar für jede weitere Minute. Dann musste der Spieler einen Dreier für "doppelt oder nichts" werfen, oder er konnte mich darum bitten, für ihn zu werfen. Das haben meine Spieler 35mal gemacht und ich habe davon 32 getroffen! Das meine ich damit, dass man meine Statistiken von damals mit den heutigen nicht wirklich vergleichen kann. Ich habe auch als Coach noch Shootouts gegen meine Spieler gewonnen. (lacht)
SPOX: Gefällt Ihnen diese Evolution des Spiels in Richtung des Dreiers?
Dunleavy: Ja, ich bin ein großer Fan dieser Entwicklung! Ich mag den Trend zum Small Ball, zur Stretch Four, die alles Mögliche auf dem Feld tun kann und das verbesserte Spacing. Es stellt die Defense vor so große Herausforderungen, wenn man diese spielerische Vielseitigkeit und Shooting auf fast jeder Position mitbringt. Es ist nur möglich, wenn du eine perfekt synchronisierte Verteidigung hast. Das macht die Warriors momentan auch so unglaublich gut. Ich genieße es, ihnen zuzusehen.
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