Paul Zipser ist die nächste deutsche Draft-Hoffnung und träumt davon, in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni beim NBA Draft (ab 2 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE) seinen Namen zu hören. Im Interview spricht der 22-Jährige Forward von Bayern München über seine Workouts in den USA, chaotische Reisepläne und die Folgen seiner MVP-Wahl.
nbaSPOX: Herr Zipser, seit einer Woche sind Sie in den USA, um sich auf den Draft vorzubereiten. Sind Sie denn auch schon gedanklich dort angekommen?
Paul Zipser: Ich war vorher noch nie in den USA und es sind eine Menge Eindrücke, die gerade auf mich einprasseln. Viele Dinge sind einfach anders als in Deutschland, da muss man sich umgewöhnen. Das gilt auch für die Zeitzonen, damit habe ich gerade echt noch Schwierigkeiten. Ich wache immer sehr früh auf und habe noch keinen wirklichen Rhythmus.
SPOX: Wie schwer ist es, nach dem Halbfinal-Aus mit den Bayern direkt umzuschalten und sich auf sich selbst und den Draft zu konzentrieren?
Zipser: Ein bisschen Zeit hatte ich ja schon, aber es war natürlich schwer mit dem Saisonabschied beim FCBB, gerade nach so einer Saison, die so bitter zu Ende gegangen ist. Ich war ein paar Tage zu Hause in Heidelberg und habe dann wieder angefangen zu trainieren. Das hat geholfen, da ich in München natürlich noch die ganzen Teamkollegen und die Coaches hatte. Aber danach lag der Fokus in meinem Kopf schon direkt auf dem Draft.
SPOX: War das frühe Aus mit den Bayern in dieser Hinsicht vielleicht sogar ein Vorteil?
Zipser: Das würde ich so nicht sagen. Vielleicht hätten mir die Finals eher geholfen. Da hätten mich dann noch mehr NBA-Teams in Aktion sehen können und hätten vielleicht gesehen, wie ich mit den Bayern erfolgreich gewesen wäre. Eine solche Bühne hilft schon, vor allem natürlich, wenn man eine tragende Rolle hat, gut spielt und am besten noch gewinnt. (lacht)
SPOX: Haben Sie die deutliche Halbfinal-Niederlage gegen Bamberg denn schon verarbeitet?
Zipser: Darüber denke ich im Moment überhaupt nicht nach. Das kommt dann sicher, wenn ich etwas Abstand zu der Saison und auch zum Draft habe. Der Plan hier ist sehr strikt und es bleibt aktuell kaum Zeit, sich über irgendetwas anderes Gedanken zu machen. Ich fliege hierhin, fliege dorthin, habe hier ein Workout und fliege in die nächste Stadt zu einem Gespräch. Da rückt alles andere etwas in den Hintergrund.
SPOX: Vor wenigen Tagen waren Sie in Treviso beim adidas Eurocamp und haben sich mit anderen Talenten gemessen. Was wurde dort von Ihnen gefordert?
Zipser: Eigentlich war gar nicht sicher, ob ich wirklich dorthin fahren sollte, aber auf Anraten meines Agenten bin ich dann doch zum zweiten Tag nach Treviso gefahren. Aber es war schon nicht ohne. Ich kam an, habe sechs Stunden geschlafen und musste dann gleich in die Halle. Dort wurden erst ein paar Plays gelaufen, dann kleinere Spiele wie Drei-gegen-Drei gemacht und dann gab es ein Fünf-gegen-Fünf. Insgesamt war ich also kaum mehr als zweieinhalb Stunden in der Halle.
SPOX: Die Zeit hat sich aber gelohnt, schließlich wurden Sie anschließend zum MVP des Camps ernannt, obwohl Sie nur dieses eine Trainingsspiel mitgemacht haben. Welche Bedeutung hatte die Wahl für Sie?
Zipser: Die Wahl hat mir auf jeden Fall sehr geholfen. So etwas erregt natürlich Aufmerksamkeit, auch bei Leuten, die nicht vor Ort waren. Für mich persönlich bedeutet das jetzt aber nicht wirklich viel. Ich bin einfach froh, dass ich einen guten Tag erwischt habe. Es hätte deutlich schlimmer sein können.
SPOX: Weshalb wurde Ihr Workout, das ursprünglich für den Nachmittag geplant war, kurzfristig abgesagt?
Zipser: Das wurde vorher auch schon ziemlich kurzfristig angesetzt. (lacht) Aber es hatte auch damit zu tun, dass nach dem Trainingsspiel das Interesse an mir sehr groß war. Viele Scouts wollten mit mir sprechen, auch einige GMs waren da. Ich werde jetzt keine Namen nennen und muss auch ehrlich sagen, dass ich gar nicht mehr alle weiß. Aber es sind rund zehn Teams interessiert.
SPOX: Wie schwer ist es, mit Spielern in einer Mannschaft zu spielen, die man überhaupt nicht kennt - und dabei noch individuell zu überzeugen?
Zipser: Ich hatte den Vorteil, dass einige Jungs aus meinem Team und auch der Coach mich schon kannten, das hat natürlich geholfen. Und sie hatten ja schon einen Tag zusammen gespielt. Daher sind wir auch ein paar Plays gelaufen, die für mich gut waren. Ich dachte eigentlich, dass es schwieriger wird, aber ich hatte einen guten Start und früh einen Rhythmus. Dann haben mich meine Mitspieler auch häufig gesucht, zum Beispiel, wenn ich Mismatches hatte. Nur jemand, der komplett daneben ist, gibt dir dann nicht den Ball. Und dann lief es einfach. (lacht)
nbaSPOX: Auf einem renommierten Draftportal war nach dem Camp über Sie zu lesen: "Paul Zipser ist ein Albtraum für die Verteidiger." Inwieweit hilft einem die heute schnell entfachte Begeisterung im Internet und den Medien?
Zipser: Klar, das ist schon anders als früher. Es generiert in erster Linie zusätzliche Aufmerksamkeit, aber nicht mehr. Mit der MVP-Wahl zum Beispiel, damit zwinge ich Scouts, mich anzuschauen. Sie kommen dann nicht daran vorbei. Aber wenn du nicht in der Lage bist, bei den Workouts auch die Leistungen zu zeigen, für die du gelobt wirst, dann hilft dir das gar nicht. Die Vorschusslorbeeren nutzen wenig. Das Internet kann Spielern eher nachhaltig schaden. Mir ist das zum Glück noch nicht passiert, aber das wiegt deutlich schwerer als ein Hype, der durch die Medien oder Social Media ausgelöst wird.
SPOX: Im Januar haben Sie mir im Interview gesagt, dass Sie noch keinen wirklichen Durchblick haben, was das Thema Draft und die Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Runde angeht. Das sieht jetzt hoffentlich anders aus...
Zipser: (lacht) Na klar, ich habe mit vielen Leuten gesprochen und weiß nun Bescheid, wie es läuft. Ich denke nicht, dass es für mich einen großen Unterschied machen wird, ob ich in der ersten oder zweiten Runde gedraftet werde. Ich glaube sogar folgendes: Die erste Runde ist überbewertet. Klar, es sieht besser aus, aber es ist wichtiger, ein gutes Team und eine gute Situation für sich zu finden. Die Draft-Position hilft einem in ein paar Jahren auch nicht mehr weiter. Da kommt es eher darauf an, einen guten Coach und einen guten Staff zu haben, damit man sich verbessern kann. Und natürlich ein Team, bei dem man Spielzeit bekommt. Da wäre ich lieber ein späterer Pick und habe dafür eine bessere Situation.
SPOX: Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie also direkt in die USA gehen?
Zipser: Klar!
SPOX: Wie sind Sie denn mit den Bayern verblieben? Plant der FCBB kommende Saison mit Ihnen?
Zipser: Marko Pesic war kurz in Treviso und hat mir gesagt, ich soll einfach erstmal Spaß haben. Ich soll so viel an Erinnerungen mitnehmen wie möglich und was daraus machen. Und ich soll mich nicht verletzen. (lacht) Das hört sich schon an, als würden sie weiterhin mit mir planen. Und wieso sollten sie auch nicht? Mein Vertrag läuft noch ein Jahr.
SPOX: Inwieweit haben Sie sich im Vorfeld mit den anderen deutschen Spielern wie Dirk Nowitzki, Dennis Schröder oder Tibor Pleiß ausgetauscht, die schon die NBA-Erfahrung gemacht haben?
Zipser: Jetzt unmittelbar vor dem Draft weniger, aber in der Saison habe ich mit allen dreien Kontakt gehabt. Dabei ging es aber auch nicht wirklich um den Draft. Darüber habe ich eher mit Niels Giffey gesprochen, der ja auch nach seiner College-Zeit einige Workouts gemacht hat. Er hat mir erzählt, wie es läuft und mehr brauchte ich auch nicht wirklich. Man kann ja nicht viel tun, außer vorher gut zu trainieren.
SPOX: Worauf legen die Teams bei den Treffen und den Workouts ihren Fokus?
Zipser: Ich bin gerade in Houston und war bisher als erste Station bei den New Orleans Pelicans. Dort hieß es, man soll in erster Linie alles geben und fokussiert sein. Ich habe einfach versucht, so zu spielen, wie ich immer spiele. Auch, wenn es zum Beispiel nur ein Drei-gegen-Drei ist: Man soll immer den Ball laufen lassen und mit seinen Teammates versuchen, die Spiele gegeneinander zu gewinnen. Dann sieht man immer besser aus. Das haben wir in New Orleans auch ganz gut geschafft.
SPOX: Mit welchem Gefühl sind Sie an das erste Workout bei den Pels rangegangen? Waren Sie nervös?
Zipser: Ich habe mir keinen Druck gemacht und bin eher mit Spaß an die Sache rangegangen. Ich habe mir nicht gesagt, dass ich jetzt jeden Wurf treffen muss, sondern wollte so spielen wie immer. Das ist mir ganz gut gelungen und es hat mehr Spaß gemacht als ich vermutet hatte. Da sind auch viele Spieler dabei, die bis zum Umfallen kämpfen und die deutlich mehr Druck haben, da sie vielleicht schon im vergangenen Jahr nicht gedraftet wurden oder keinen Roster-Spot bekommen haben.
SPOX: Können Sie einschätzen, welchen Eindruck Sie dort hinterlassen haben?
Zipser: Ich denke, dass der schon ganz gut war. Aber ich hätte vielleicht ein paar Tage mehr gebraucht, um mich an die NBA-Dreierlinie zu gewöhnen. Manchmal habe ich getroffen wie in Deutschland, aber manchmal habe ich gar nichts getroffen. Also bei den 100 Würfen, die ich nehmen musste, war ich ziemlich schlecht.
SPOX: War es einfach ungewohnt oder haben Sie Probleme mit der größeren Entfernung?
Zipser: Es hat mich selbst überrascht, weil es eigentlich nicht wirklich schwieriger ist. Es ist nur anders. Ich hatte zwei Tage Schmerzen im Handgelenk, weil ich versucht habe, mit mehr Kraft zu werfen. Aber wenn man das zu verkrampft macht, dann gehen die Würfe daneben.
spoxSPOX: Die Teams legen ja auch viel Wert auf die persönlichen Gespräche. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet und was wollten die Verantwortlichen von Ihnen wissen?
Zipser: Gar nicht. (lacht) Die ersten Gespräche gab es ja schon in Treviso, damit hatte ich gar nicht gerechnet. Es saßen immer mehrere Leute mit im Raum und ich hatte den Eindruck, manche Teams gucken auch sehr darauf, wie man redet, wie man reagiert und wie man sich gibt. Ich habe einfach ehrlich geantwortet und von mir erzählt. Die Teams wollten zum Beispiel wissen, was mit meinen Verletzungen war, was man über sich selbst denkt und wie man seine Stärken und Schwächen einschätzt. Es war wie ein Vorstellungsgespräch. Beim ersten Mal war ich schon nervös, weil mein Englisch auch nicht perfekt ist. Aber mit der Zeit haben sie die Fragen wiederholt und ich war dann auch etwas sicherer.
SPOX: Gab es eine Frage, die Sie völlig überrascht hat und auf die Sie keine Antwort wussten?
Zipser: Ja, die gab es wirklich. Ein Team wollte wissen, was ich denn ihren Coach fragen würde, wenn ich neben ihm in einem Flugzeug sitzen würde. Und es musste eine Frage sein, die nichts mit Basketball zu tun hatte. Da fiel mir überhaupt nichts ein und ich habe ganz ehrlich "Ich weiß es nicht" gesagt.
nbaSPOX: Sie haben in der BBL schon fast 100 Profi-Spiele für Bayern absolviert. Haben Sie dadurch einen Vorteil gegenüber den anderen Prospects?
Zipser: Ich bin deutlich lockerer als die anderen. Das liegt vielleicht auch ein bisschen an meinem Charakter, aber es hilft natürlich, dass ich schon gegen viele verschiedene gestandene Spieler gespielt habe und deutlich mehr Erfahrung habe. Das zeigt sich aber eher im Fünf-gegen-Fünf. Beim Drei-gegen-Drei oder beim Eins-gegen-Eins kommt es auf andere Dinge an, wie zum Beispiel Kampf und Fokus.
SPOX: Aktuell werden Sie in zwei wichtigen Mock-Drafts auf Position 32 bzw. 33 geführt, das wären die Lakers oder Clippers. Ist für Sie ein Sprung aus Heidelberg beziehungsweise München in eine riesige Metropolregion wie Los Angeles mit 18 Millionen Einwohnern überhaupt denkbar?
Zipser: Los Angeles ist auf jeden Fall eine der geilsten Städte überhaupt. Bryce Taylor kommt aus L.A. und hat uns davon ständig vorgeschwärmt. Ich habe nur Gutes gehört und das Wetter und das Flair sind natürlich klasse. Das wäre vielleicht die schönste Stadt zum Leben, aber auch andere Städte haben ihren Charme.
SPOX: Wie konkret sind Sie da eigentlich informiert? Gucken Sie jeden Tag die Mock-Drafts an und wissen, welches Team an Position 30, wer an 31 und wer an 36 pickt?
Zipser: Mit der Zeit habe ich mitbekommen, welche Teams in welcher Range picken und daher kann ich die Einladungen zu den Workouts dann auch entsprechend einordnen. Und ich weiß zwar, wo ich aktuell stehe, aber viel mehr auch nicht. Das ändert sich ja ohnehin häufig.
SPOX: Haben Sie ein Wunschteam, von dem sie am liebsten gezogen werden würden?
Zipser: Nein, nicht wirklich. Aber ich habe auch gehört, dass es nicht so clever ist, vor dem Draft solche Aussagen zu tätigen. (lacht)
SPOX: Welche Workouts bei welchen Teams stehen für Sie in den nächsten Tagen noch an?
Zipser: Wenn Sie es mir sagen können, würde ich mich freuen. (lacht) Jedes Workout ist total spontan. Meine Agentur spricht mit den Teams und muss abwägen, wer wirklich Interesse hat. Manche wollen einen auch nur als Trainingspartner einladen, um andere Spieler zu beobachten. Aber das verschiebt sich natürlich auch schnell. Es gibt also viele Dinge, die ich gar nicht beeinflussen kann.
SPOX: Sie stehen aktuell also immer Gewehr bei Fuß mit gepackter Tasche?
Zipser: So ungefähr. Ich bekomme eine E-Mail mit einem Flugticket, da kann ich dann mein nächstes Reiseziel ablesen. Es gibt natürlich einen Plan, aber der ändert sich ständig. Und daher habe ich meiner Agentur gesagt: "Ok, schickt mir einfach nur noch die Tickets." Es macht für mich ohnehin gerade keinen Unterschied, ob ich jetzt zwei Stunden nach Westen oder nach Osten zu einem Workout fliege. Und bisher wurde ich immer am Flughafen abgeholt, habe in einem Hotel übernachtet und war dann am nächsten Tag in der Halle.
SPOX: Werden Sie auch beim Draft in der Halle, im Barclays Center in New York, sein?
Zipser: Nein, ich fliege vorher wieder nach Deutschland und werde mir den Draft zu Hause in Heidelberg auf der Couch anschauen. Ich will das eigentlich so privat wie möglich halten. Außer meiner Familie wird vermutlich niemand da sein. Aber wann ich genau zurückfliege, weiß ich zum Beispiel auch noch nicht. Allerspätestens am 22. Juni bin ich jedoch in München und in der Draftnacht vom 23. auf den 24. dann definitiv in Heidelberg.