Die Hawks machen einen großen Schritt zurück
Martin Klotz: Nein, definitiv nicht. Die Hawks haben verstanden, dass es mit dem Personal aus den letzten Saisons nicht reicht, um wirklich oben mitzuspielen. Die 60-Siege-Saison war auch nicht mehr als eine Eintagsfliege. Dementsprechend ist es richtig, die Richtung zu ändern und auf eine effektive Eins/Fünf-Kombination aus Dennis Schröder und Howard zu setzen. "Dweight" kann deutlich besser spielen als letztes Jahr (Korver übrigens auch) und mit dem stärker werdenden Bazemore und einem über alle Zweifel erhabenen Millsap hat man eine der besseren Starting Fives im Osten. Die Reservisten machen mir da schon eher Sorgen. Schröder wird der Bank mit seiner Energie und seinen Punkten fehlen. Aber da können die Hawks im nächsten Sommer nachbessern. Wichtiger ist, dass der Kern funktioniert und wieder aufregenderen Basketball nach Atlanta bringt. Schröder steht für Entertainment, Howard auch. Mit ihm geht man ein Risiko ein, aber wie heißt es so schön: No risk, no fun. Und noch wichtiger: No risk, no contender in der Zukunft.
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Thorben Rybarczik: Das Wort "Contender" im Zusammenhang mit Atlanta zu benutzen ist schon sehr wagemutig, auch auf die Zukunft bezogen. Denn die Hawks haben dank Coach Budenholzer in den letzten zwei Saisons deutlich über ihren Möglichkeiten gespielt - da sind wir uns einig. Auch, dass die Richtung geändert werden musste, war soweit klar. Nur: Die Lücke, die die Hawks zu den Cavs schließen wollen, ist gar keine Lücke. Es ist ein riesiger Graben. Und um den zu überwinden, braucht es mehr als ein paar Feinjustierungen. Das hat offenbar nun auch das Front Office erkannt und mit dem Teague-Trade einen für Hawks-Verhältnisse radikalen Schritt eingeleitet. Aber die Kombo Teague/Schröder war doch irgendwie auch ein Aspekt, der für den Höhenflug gesorgt hat. Wer sonst konnte es sich leisten, zwar Spielmacher mit Starter-Niveau in seinem Kader zu vereinen? Auch die Verpflichtung von Howard bedeutet einen Bruch. Die Tage des "Five-out" sind damit gezählt, mit ihm muss wieder klassisch gespielt werden. Für mich passt ein Spieler ohne Ballgefühl von außerhalb der Zone aber nicht zu einem Team, das hohe Ansprüche hat. Ein Stück weit standen die Hawks in diesem Sommer vor einer Lose-Lose-Situation: Am bewährten festhalten hätte bedeutet, auf der Stelle zu treten. Ein kleiner Umbruch bedeutet - wie in diesem Fall - einen Schritt zurück.
Ole Frerks: Das sehe auch ich ein bisschen anders, Martin. Ich stimme zu, dass die Hawks sich zumindest ein bisschen neu erfinden mussten, da sie in der alten "Inkarnation" ihr Maximum erreicht hatten, aber ich bin kein Fan davon, sich dafür dann Howard ans Bein zu binden. Mit seinem Alter und seiner Verletzungshistorie sehe ich nicht, wie er in irgendeiner Form ein Upgrade gegenüber Al Horford darstellen soll. Und in welchem Universum steht Howard für Entertainment? Spielerisch sicher nicht, wenn überhaupt nur als Interview-Partner. Die Entscheidung pro Schröder sehe ich übrigens auch positiv. Ich denke nur eben, dass Dennis sich an seine neue Rolle erst gewöhnen muss und dass Howard es ihm nicht leicht machen wird. Der Kerl hat sich in Houston permanent über zu wenige Touches beschwert und macht das sogar jetzt noch regelmäßig, dabei hat er öfter im Post den Ball bekommen als jeder andere Spieler! Er wird auch in Atlanta Gründe finden, um zu meckern. Wichtiger als die individuelle Klasse der Spieler war bei den Hawks in den letzten Jahren der Team-Zusammenhalt, und der wird nach diesem Sommer eher einbrechen, zumal es ja auch noch Spekulationen um einen Millsap-Trade gab - das fand er sicher spitze. Von daher: Ja, sie werden erstmal einen großen Schritt zurückmachen.
Matthias Bielek: Ich sehe für die Hawks auch einen Rückschritt voraus, das hat aber schon auch mit Schröder selbst zu tun. Einen ehemaligen All-Star in Teague für einen Spieler abzugeben, der erst drei Jahre in der Liga gespielt hat, ist üblicherweise immer ein Downgrade. Aber wie heißt es so schön: 'Unterschätze niemals einen Mann, der einen Schritt zurück macht. Er könnte Anlauf nehmen.' Das ist sicher der Plan der Hawks und der könnte auch aufgehen, wenn Schröder in seiner neuen Rolle aufgeht. Das Potenzial hat er, auch Dirk Nowitzki hat ihm ja vor kurzem All-Star-Potenzial attestiert. Aber das müssen wir natürlich abwarten. Den größeren Rückschritt haben sie aber personell ohnehin auf der Fünf gemacht, da stimme ich Ole zu. Ich halte nicht mehr so viel von Howard, da seine besten Tage klar gezählt sind. Ein schwieriger Charakter ist er obendrein.