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"Zipser muss seine Nische noch finden"

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© getty
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SPOX: Es hängt relativ viel in der Schwebe, oder? Es gibt ja gelegentlich auch Jahre, wo man schon ganz am Anfang weiß, wer am Ende No.1-Pick wird, wie mit Tim Duncan oder Anthony Davis. Das scheint jetzt nicht der Fall zu sein.

Fraschilla: Das ist korrekt. Es gibt relativ viele Mysterien, was aber auch wieder für die Tiefe auf der Eins spricht: Scoring Guards sind der letzte Schrei und davon gibt es wie gesagt gleich mehrere mit All-Star-Potenzial. Da müssen gerade die wiederaufbauenden Teams genau evaluieren, wer am besten zu ihnen passt: Philly etwa scheint im Frontcourt ja schon sehr gut und talentiert besetzt zu sein, aber welcher Guard würde mit Joel Embiid und Co. am besten harmonieren? Diese Erkenntnisse sollen die College-Saison und auch der internationale Basketball, wenn man auf Ntilikina blickt, bringen.

SPOX: Sprechen wir noch einmal über den letzten Draft-Jahrgang. Wenn man Jamal Murray ausklammert, konnten sich bisher nur sehr wenige Rookies wirklich auszeichnen, mehr als in anderen Jahren. Woran liegt das?

Fraschilla: Auch wenn ich das als jemand, der College-Basketball liebt und als Beruf hat, ungern sage: Der Unterschied zwischen NBA- und NCAA-Basketball ist groß wie der Grand Canyon, größer als jemals zuvor. Dementsprechend unterscheidet sich auch ein guter NCAA-Spieler von einem guten NBA-Spieler - Sie sehen ja, wie schwer sich beispielsweise Buddy Hield, der letztes Jahr am College dominiert hat, in der NBA tut. Häufig sind es zudem ja Teenager, die vom College in die NBA wechseln und dort dann auf einmal gegen ausgewachsene Männer ranmüssen. Das trifft zwar nicht auf Hield zu, dafür aber auf einen großen Teil seiner Mit-Rookies.

SPOX: Dann ist das One-and-Done-System also mit Schuld?

Fraschilla: Ja, das muss ja zwangsläufig passieren. Was viele Superstars, die schon im ersten Jahr dominant waren, von den heutigen Kids unterscheidet, ist nun einmal die Zeit, die sie am College waren. David Robinson, Tim Duncan, Patrick Ewing Michael Jordan, in jüngerer Vergangenheit Damian Lillard waren alle drei oder vier Jahre am College und kamen dann eben reifer in die Liga. Sicher gab es auch Gegenbeispiele wie LeBron James, der ja gar nicht am College war, aber das ist eben auch die Definition eines Ausnahmetalents - das ist selten. (lacht) NBA-Teams legen aber schon lange viel mehr Wert darauf, einen jungen Spieler mit Potenzial zu bekommen, als einen reiferen, der vielleicht nicht mehr so viel Upside mitbringt. Da muss man sich dann eben auch drauf einstellen, dass die Eingewöhnung länger dauert. Und selbst bei den Spielern, die individuell sofort auffallen wie Towns oder Davis, muss man sagen: Team-Erfolg hatten sie bisher auch noch nicht. Darauf hat meiner Meinung nach auch die fehlende Ausbildung am College eine gewisse Wirkung.

SPOX: Immerhin einen Rookie im "technischen Sinne" gibt es, der schon jetzt großen Einfluss ausübt...

Fraschilla (unterbricht): Joel Embiid! Was ist das für eine Freude, ihn endlich auch auf diesem Level spielen zu sehen. Ich hatte zu seiner College-Zeit relativ häufig die Möglichkeit, ihn bei Kansas spielen zu sehen. Meine erste Reaktion war schon damals: 'Wow, der erinnert mich an Hakeem Olajuwon!' Natürlich ist er auch jetzt noch lange kein Hakeem - aber die Physis, die Vielseitigkeit und vor allem diese Fußarbeit erinnern schon stark an ihn. Ich hoffe einfach, dass er jetzt wirklich gesund bleibt - nichts anderes kann ihn stoppen, ein Superstar in der NBA zu werden. Wie wir alle drücke ich ihm die Daumen, dass er nicht so viele Probleme haben wird wie andere Big Men, zum Beispiel Bill Walton oder Arvydas Sabonis, die ja fast nie eine Saison durchspielen konnten. Wie gesagt: Etwas anderes kann ihn nicht aufhalten, da er unheimliches Talent mitbringt und zudem auch noch die Intelligenz hat, sich richtig coachen zu lassen.

SPOX: Dann sprechen wir noch über einen anderen Rookie: Paul Zipser. Bisher hat er nicht viele Chancen bekommen, aber wie schätzen Sie seine Aussichten in Chicago langfristig ein?

Fraschilla: Die eine Qualität, die ich bei Paul schon immer sehr geschätzt habe, ist folgende: Er weiß, dass er ein Rollenspieler ist. Das war beim FC Bayern so, das ist beim Nationalteam der Fall und das wird auch weiterhin so sein - und es ist eine gute Sache. Es gibt in der NBA rund 450 Spieler, von denen vielleicht 30 Stars oder Superstars sind. Der Rest besteht aus Rollenspielern und Spezialisten, egal welcher Art. Paul weiß, was er kann: Defense, Toughness, offene Würfe treffen, sich abseits des Balls bewegen. Leider ist es aber auch für jemanden wie ihn, der schon lange Jahre auf hohem Niveau gespielt hat, eine schwere Umstellung auf den NBA-Level. Er muss sich eingewöhnen und außerdem auch die Coaches von sich überzeugen. Ich kann daher nicht vorhersagen, wie gut und lange er in der NBA spielen wird, aber er hat das Rüstzeug und die mentale Härte, die ihn von anderen jungen Spielern unterscheidet, die sich immer und überall für Stars halten. Jetzt muss er seine Nische finden und sich dabei nicht aus der Ruhe bringen lassen. Er wird seine Chancen schon noch bekommen.

Der Spielplan im Überblick