SPOX: Ist es eigentlich richtig, dass Nowitzki vor der Saison 2010/11 versucht hat, Sie zu einem Wechsel zu den Dallas Mavericks zu überreden?
Haslem: Jaja, das stimmt schon. (grinst) Dirk wollte mich nach Dallas holen. Und es hat am Ende auch wirklich nicht viel gefehlt, dass ich tatsächlich in Dallas gelandet wäre. Es ist sicherlich ein tolles Gefühl, wenn eine Franchise wie die Mavericks sowie einer der besten Spieler der Welt, eben Dirk, mit aller Vehemenz um deine Dienste kämpfen. Ich denke, dass ich diesen Schritt wohl auch gemacht hätte, wäre nicht plötzlich bei den Heat eine völlig neue Situation mit den Verpflichtungen von LeBron James und Chris Bosh eingetreten. Letztlich habe ich mich dann für einen Verbleib in Miami entschieden, was sicher die richtige Entscheidung war.
SPOX: Wie es der Zufall wollte, standen sich die Miami Heat und Dallas Mavericks 2011 erneut in den Finals gegenüber - diesmal mit dem besseren Ausgang für Nowitzki und sein Team. Viele Beobachter waren hinterher der Meinung, dass gerade die bittere Niederlage nach 2-1 Führung entscheidend dafür war, dass die Heat in den darauffolgenden beiden Jahren den Titel holen konnten. Würden Sie das bestätigen?
Haslem: Zunächst einmal war es für uns natürlich eine riesengroße Enttäuschung, diese Serie gegen Dallas zu verlieren. Es gibt eigentlich nichts Schlimmeres, als wenn dein Gegner in deiner eigenen Halle, in deinem eigenen Wohnzimmer die Meisterschaft feiert. Das hat unglaublich wehgetan. An einer solchen Erfahrung kannst du als Team kaputtgehen oder daran wachsen. Bei uns war Letzteres der Fall. Jeder einzelne Spieler hat daraus seine Lehren gezogen und wollte so etwas schlichtweg nicht mehr erleben. Wir haben uns ab dem Trainingscamp voll auf unser großes Ziel fokussiert und es nicht mehr aus den Augen gelassen. So enttäuschend diese Final-Niederlage 2011 auch war - sie hat uns definitiv auf das nächste Level gehoben.
SPOX: Wenn Sie den Meisterkader 2006 der Heat mit dem aus den Jahren 2012 und 2013 miteinander vergleichen: Angenommen, beide Teams würden auf dem Zenit ihrer Leistungsfähigkeit eine Final-Serie gegeneinander austragen - wer würde gewinnen?
Haslem: Das ist eine sehr gute Frage, über die ich bislang noch nie nachgedacht habe. (Überlegt lange) Nun, 2006 hatten wir den jungen Dwyane Wade, eine menschliche Center-Maschine Shaquille O'Neal, die unter dem Korb schlichtweg nicht zu stoppen war sowie mit Jason Williams und Gary Payton zwei außergewöhnliche Point Guards. Sechs Jahre später war unser Team dann vor allem von den "Big Three" LeBron, Wade und Bosh dominiert. Wer da in einer Best-of-Seven-Serie am Ende die Nase vorne haben würde? Das ist ganz schwer zu sagen. Ich denke, dass dieses Duell über die volle Distanz von sieben Partien gehen und letztlich - wie so oft- die Verteidigung die entscheidende Rolle spielen würde. (lacht)
SPOX: Sie gehen aktuell in Ihre nunmehr 14. NBA-Saison. Was würden Sie sagen, wer in diesem Zeitraum Ihr wichtigster sowie bester Mitspieler bei den Miami Heat war?
Haslem: Wade und Shaq - wobei ich beide jetzt unabhängig von den Bezeichnungen wichtigster und bester Teamkollege nenne. Mit Dwyane habe ich nicht nur die meiste Zeit bei den Heat verbracht, sondern wir haben auch unzählige Dinge zusammen erlebt. Wir haben Niederlagen eingesteckt, Siege und insgesamt drei Meisterschaften gefeiert. So etwas verbindet einen das ganze Leben lang - ebenso wie unsere Freundschaft. Was Shaq betrifft: Ihm habe ich es letztlich zu verdanken, dass ich mich damals in der NBA durchgesetzt habe und dementsprechend auch heute noch dort spiele. Wissen Sie, Shaq hat von Anfang an mich geglaubt und mir dadurch das Gefühl gegeben, dass ich es in dieser Liga tatsächlich schaffen kann. Er hat sich sehr um mich gekümmert, mir immer wieder Tipps und Selbstvertrauen gegeben. So etwas vergisst man einfach nicht.
SPOX: Wade läuft seit dieser Saison für die Chicago Bulls auf. Mit welchen Gefühlen haben Sie seinen ersten Auftritt in Miami am 10. November 2016 im neuen Trikot verfolgt?
Haslem: Naja, zu Beginn war es schon etwas komisch, ihn im gegnerischen Team spielen zu sehen. (lacht) Aber ich weiß, dass es auch für D-Wade eine ganz besondere Begegnung war, vor seinem Heimpublikum und seinen Fans das erste Mal mit einem anderen Dress aufzulaufen. Man hat deutlich gesehen, dass er dieses Match und die ganzen Emotionen, die damit verbunden waren, sichtlich genossen hat. Das hat mich für ihn riesig gefreut - und das habe ich ihm nach der Partie, als wir noch längere Zeit miteinander geredet haben, auch so gesagt.
SPOX: Waren Sie eigentlich sehr überrascht, als er im Sommer seinen Wechsel nach Chicago bekanntgegeben hat?
Haslem: Schwer zu sagen. In diesem Geschäft wird über Dinge wie Free Agency oder Verletzungen untereinander sehr selten gesprochen. Jeder versucht letztendlich, für sich persönlich die beste Entscheidung zu treffen beziehungsweise die bestmögliche Option zu schaffen. Daher musst du in diesem Business immer mit allem rechnen. Das habe ich im Laufe meiner langen Karriere gelernt.
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SPOX: Sie hatten während dieser Zeit bei den Heat zumeist sehr wichtige Rolle sowohl auf als auch außerhalb des Feldes inne. Könnte man Ihre jetzige Rolle mit einer Art "Playing Assistant Coach" beschreiben?
Haslem: (lacht) Ja, das klingt gar nicht schlecht. Im Grunde mache ich das, was gerade von mir verlangt wird. Wenn die Coaches zu mir sagen, dass ich rausgehen und auf hohem Niveau gegen andere Teams spielen soll, versuche ich das bestmöglich umzusetzen. Genauso arbeite ich aber im Training individuell mit meinen Teamkollegen, kümmere mich um unsere jungen Spieler oder sage auch einmal unserem Headcoach Erik Spoelstra während einer Partie meine Meinung, wenn er danach fragt. Letztlich tue ich alles, um meine Mannschaft zu unterstützen, damit sie erfolgreich ist. Das war schon immer so und wird auch so bleiben.
SPOX: Können Sie sich vorstellen, nach Ihrer aktiven Karriere als Assistant- oder Headcoach zu arbeiten? Immerhin sind Sie ja derzeit zumindest schon ein bisschen am Üben...
Haslem: (lacht) Nein, nein. Ich glaube eher nicht, dass das etwas für mich ist. Wenn ich einmal als Trainer arbeite, dann wohl nur für meine Kinder.
SPOX: Wie lange müssen Ihre Kids darauf noch warten? Sprich: Wie lange wird Papa Udonis noch als NBA-Profi auf dem Court stehen?
Haslem: Das ist eine Entscheidung, die ich Jahr für Jahr treffen werde und die an mehreren Faktoren hängt. Das Wichtigste ist dabei freilich, was die Gesundheit macht. Ansonsten muss man abwägen, ob man nach wie vor in der Lage ist, sich mit den Teamkollegen und Gegenspielern sowohl im Training als auch in den Spielen auf höchstem Niveau zu messen. Wäre das nicht mehr der Fall, würde man seiner Mannschaft nur schaden und müsste die Konsequenzen ziehen. Aber so weit fühle ich mich derzeit noch nicht. Ich werde jetzt erst einmal diese Saison mit den Jungs zu Ende spielen und dann in aller Ruhe entscheiden, wie es weitergeht. Eines steht aber fest: Ich werde mein Team so oder so nicht untergehen lassen.