NBA

Das (vorübergehende) Ende der Freakshow

Von Robert Arndt
Russell Westbrook ist der heißeste Kandidat für den MVP-Award
© getty

Die Oklahoma City Thunder sind nach fünf Spielen gegen die Houston Rockets aus den Playoffs ausgeschieden. Ein teils entfesselt spielender Russell Westbrook war dabei nicht genug. Der Thunder-Star schulterte vieles, stieß aber letztlich an seinen Grenzen. Für die kommende Saison ist nicht wirklich Besserung in Sicht.

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Viele deutschen Fans werden die Bilder noch im Kopf haben, als Dirk Nowitzki 2007 seine MVP-Trophäe entgegen nahm. Mürrisch, mit eine gezwungenen Lächeln. Seine Dallas Mavericks waren wenige Tage zuvor überraschend als Top-Seed im Westen an den Golden State Warriors gescheitert.

Auch in diesem Jahr könnten sich ähnliche Szenen abspielen, nachdem die Thunder und Russell Westbrook in fünf Spielen an den Rockets gescheitert waren. Auch, wenn die Awards dieses Mal deutlich später vergeben werden. Dafür in einer eigenen Show, moderiert von Drake. Doch das macht es nicht besser für Russ.

Der MVP in Spe ist mit 1-4 gegen die Houston Rockets untergegangen. Und sein Team mit ihm. Bereits zu Beginn des dritten Viertels von Spiel 5 sprach nicht mehr viel für Oklahoma City. Nach einem starken ersten Abschnitt verloren die Thunder die Kontrolle über das Spiel und dies schien sich auch nicht zu ändern. Zwar setzte Houston Dreier um Dreier auf den Ring, doch der Offensiv-Rebound landete immer wieder in den Händen eines Rockets-Spielers.

Die Thunder wirkten müde, ausgelaugt von einer Serie, in denen der Gegner teils nach Belieben scorte, während das Team von Billy Donovan hart für jeden eigenen Punkt kämpfen musste. Das war auch in Spiel 5 nicht anders. Gerade in den zweiten zwölf Minuten lief die Offense der Gastgeber wie am Schnürchen, ein Sechs-Punkte-Rückstand wurde dank 35 Punkten (13/26 FG) in eine deutliche Führung umgemünzt.

OKC schien demoralisiert. Vom eigenen Unvermögen. Von der aufgeheizten Stimmung. Die Rockets verkauften Bier in der Arena an diesem Abend für nur einen Dollar, entsprechend war das Toyota Center ein Tollhaus. Davon ließ sich selbst Rockets-Owner Leslie Alexander anstecken, der nach einem Foulpfiff wutentbrannt an der Seitenlinie auf Referee Bill Kennedy zustürmte und diesem erstmal ordentlich die Meinung geigte.

Bühne frei für Russ

Nur einen schien dies alles nicht zu stören: Russell Westbrook. Schon zur Pause stand er bei 18 Punkten, doch was nun folgte, war wie ein Zusammenschnitt seiner absolut verrückten Saison. Zunächst schaute er sich das Treiben seiner Mitspieler ein wenig an, doch als diese einen Wurf nach dem nächsten auf den Ring setzten, hatte Russ genug.

Der tasmanische Teufel riss die Partie an sich, in einer Art und Weise, wie es wohl nur er kann. Mit zehn eigenen Punkten am Stück war ein gefühltes totes Team innerhalb von wenigen Minuten wieder im Spiel und sogar in Führung. Dieser Russ war heiß und das merkte jeder. Selbst als er zwei Freiwürfe am Stück verwarf, schnappte er sich Rebound und versenkte stattdessen von Downtown.

"Was er im dritten Viertel gemacht hat, war einfach nur spektakulär", staunte auch sein Coach. So schaffte Westbrook das Kunststück, mehr Würfe zu versenken (6), als das komplette Rockets-Team im Viertel (5). Allerdings forderte diese Spielweise auch seinen Tribut. Donovan hatte nach diesen zwölf furiosen Minuten gar keine andere Wahl, als seinem Star eine Verschnaufpause zu gönnen.

Momentum-Killer

Und genau hier lag die komplette Serie über der Hase im Pfeffer: die Lineups ohne Russ. In Spiel 4 probierte es der Thunder-Coach noch mit Norris Cole, diesmal schmorte der Ex-Heat-Spieler bis auf einige Sekunden kurz vor dem Ende auf der Bank. Doch auch mit Victor Oladipo als Backup-Aufbau, er spielte immerhin eine Saison in Orlando als Combo-Guard, konnten die Thunder ihre Führung nicht verteidigen.

Neben der schwachen Offense brach in diesem Abschnitt auch die Verteidigung zusammen. So konnte Lou Williams endgültig vergessen machen, dass über ihn gesagt wurde, dass er in den Playoffs nicht scoren könne. Geschickt zog er ein Foul gegen Rookie Alex Abrines beim Dreier, traf von Downtown und verwandelte einen Leger. Einfache Punkte für Houston und ein hilflos wirkender Westbrook auf der Bank.

In Windeseile war die Führung wieder verspielt, das Momentum dahin. Kein Thunder-Spieler konnte sich in Szene setzen, daher kam Westbrook zurück. Und entsprechend ging der Spalding wieder umgehend zum Star - frei nach dem Motto: 'Mach du mal was'. Doch im Gegensatz zur Regular Season hatte Westbrook eben ein paar Meilen mehr auf dem Tacho. Mit einer solchen Spielweise mögen vielleicht 36 Minuten funktionieren, aber nicht unbedingt mehr als 40 Umdrehungen in der fünften intensiven Playoff-Partie innerhalb von zehn Tagen.

Der Schatten Beverley

Dazu war das dreckige Geheimnis des dritten Viertels, dass Russ nur selten die Sonderbehandlung von Patrick Beverley genoss. Rockets-Coach Mike D'Antoni sparte dessen Kräfte für die Crunchtime, um dann den ausgepowerten Westbrook zu demoralisieren. Zumindest schien es so, als ob der Edel-Verteidiger im Kopf des Thunder-Guards angekommen war. Westbrook ließ sich auf ein kleines Scharmützel ein und es wurden Nettigkeiten ausgetauscht.

"Er schaute mich an und sagte: 'Keiner kann mich verteidigen. Ich habe 40 Punkte.'", berichtete Beverley und fügte mit einem Schmunzeln an: "Ich habe ihm dann entgegnet, dass dies nett ist, er aber auch 34 Würfe dafür gebraucht hat." Er hatte allen Grund dazu. Von den 27 Würfen, die Westbrook über die Serie nahm, wenn er von Beverley verteidigt wurde, traf er nur sieben Versuche - von den Ball-Denials und den Steals ganz zu schweigen.

Im Schlussabschnitt wiederholte sich der Film von Spiel 2: Russ traf lediglich 2 von 11 Würfen, die Müdigkeit machte sich nun auffällig bemerkbar. Zahlreiche Jumper waren viel zu kurz. Doch wer hätte übernehmen können? Oladipo fiel zumeist nur durch schwache Wurfauswahl auf, entsprechend fehlte das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Fast schon symptomatisch eine Aktion in der Crunchtime, als er mit dem Ball in der Hand verzweifelt nach Westbrook suchte und den Spalding dann quer über das gesamte Feld in die dritte Reihe feuerte.

Houston kann auch anders

Statt Westbrook übernahm MVP-Konkurrent James Harden das vierte Viertel. Zuvor hatte der leicht angeschlagene Rockets-Star dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken können und nahm viel zu viele Würfe von draußen (2/10 Dreier). Doch anders als bei OKC verhalfen ihm seine Mitspieler zu einer Situation, in der er am Ende glänzen konnte. Der Bart konnte länger pausieren, dazu wurde die Führung auch noch ausgebaut.

So konnte ein ausgeruhter Harden nach Belieben in die Zone ziehen, da OKC häufig switchte und Harden bessere Matchups bescherte. Andre Roberson war nicht mehr in der Nähe. Genüsslich spazierte The Beard ein ums andere Mal an die Linie, was den Thunder letztlich das Genick brach.

Satte 39 Freebies bekamen die Rockets zugesprochen, wodurch fast unter den Tisch fiel, dass Houston katastrophale 16 Prozent von Downtown warf. Ein Fakt, der Harden und Co. Hoffnung für die kommenden Aufgaben machen sollte. Der altbekannte Leitspruch 'You live by the three, you die by the three' galt für Houston in dieser Serie nicht. In fünf Spielen lag die Quote von draußen bei mageren 28,4 Prozent (35,7 Prozent in der Regular Season), dennoch setzte sich das Team von Mike D'Antoni recht souverän durch und dürfte sich auch gegen San Antonio oder Memphis gute Chancen ausrechnen.

Auch ohne verlässliches Shooting steht in jedem Scouting Report der Liga, dass die Rockets-Schützen nicht frei stehen dürfen - egal wie die Quote im Spiel zuvor war. Aus diesem Grund ging Oklahoma City die Close-outs energisch an, was Houston mit 50 Punkten in der Zone bestrafte.

Neues Jahr, alte Story?

Zusammengefasst war auch dieses fünfte Spiel ein Sinnbild der Serie. Erneut gewannen die Rockets das letzte Viertel mit mehr als zehn Punkten (33:22), erneut fehlten Westbrook die Körner, um in der Crunchtime das Ruder herumzureißen. Es hatte fast schon tragische Züge. In knapp 42 Minuten hatte der Guard ein Plus-Minus-Wert von +12, in den sechs Minuten ohne ihn lag er bei -18. Es ist die banalste Statistik, die doch so viel aussagt.

Auf völlig abstruse Weise hat diese Paarung so noch einmal deutlich gezeigt, dass Westbrook der heißeste Kandidat für den MVP-Award ist. Auch in den Playoffs legte er sein Triple-Double im Schnitt auf, ohne ihn war dieses OKC-Team aber limitiert und der Postseason nicht würdig.

Millionen-Fresser

Großer Raum für Verbesserungen ist bei den Thunder nicht in Sicht. Das Management wird kaum in der Lage sein, bahnbrechende Moves zu machen. Bereits vor der Free Agency ist der Cap für die kommende Saison mit knapp 110 Millionen Dollar belastet. Die Gehälter von Russ (28 Mio.), Steven Adams (22 Mio.), Oladipo (21 Mio.) und Enes Kanter (18 Mio.) fressen schon knapp 90 Mio. davon auf.

Es wartet für die Thunder eine weitere Saison voller Russell Westbrook, dessen Triple-Doubles sowie die zarte Hoffnung auf signifikante Sprünge der jüngeren Spieler. Solange sich RW0 für Alpha und Omega hält und seinen Mitspielern keine vernünftigen Spielanteile gestattet, sind Chancen auf echten Contender-Status begrenzt.

Vielleicht bringt die Auszeichnung zum MVP ein wenig positive PR für Russ und die Thunder, der ehrgeizige Westbrook wird dabei dennoch wohl eher schlechte Laune haben. Außer dieser wird es bei der Drake-Show aber wenig Gemeinsamkeiten mit Dirk vor zehn Jahren geben.

Das Playoff-Bracket im Überblick

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