Es begann mit zwei Niederlagen. Genauer gesagt: mit zwei Blamagen. Die erste ereignete sich am 28. September 1988 in Südkorea. Das junge, ausschließlich aus College-Spielern zusammengestellte US-Team unterlag im Halbfinale des Olympischen Turniers in Seoul der Sowjetunion um Arvydas Sabonis und Sarunas Marciulionis.
Die überraschende Pleite war - nach dem umstrittenen Finale 1972 in München - erst die zweite Niederlage einer US-amerikanischen Basketball-Auswahl in der Olympischen Geschichte. Die Forderung, auch NBA-Spieler zu den Olympischen Spielen zuzulassen, erhielt neuen Rückenwind. Ein Jahr später wurden die Regularien tatsächlich geändert, der Weg zu Olympia war endlich frei für ein "Dream Team" aus den Stars der besten Liga der Welt.
Die zweite Blamage fand - knapp vier Jahre später - hinter verschlossenen Türen statt. Das frisch zusammengestellte US-Team bereitete sich in La Jolla (Kalifornien) auf das Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele in Barcelona vor. Erstmals stand diese beispiellose Ansammlung von Superstars und künftigen Hall-of-Famern gemeinsam auf dem Parkett.
Blamage für die "Besten der Besten"
Michael Jordan, Magic Johnson, Larry Bird, Scottie Pippen, Charles Barkley, Patrick Ewing, David Robinson, Karl Malone, Clyde Drexler, John Stockton, Chris Mullin und College-Star Christian Laettner: "Die Besten der Besten", wie Ewing, der als Student schon gemeinsam mit Jordan und Mullin 1984 Olympia-Gold geholt hatte, zu Protokoll gab.
Das allererste Trainingsspiel sollte ein lockerer Aufgalopp gegen eine Auswahl talentierter College-Spieler werden - und endete in einem Debakel. Anstatt in Ehrfurcht zu erstarren, spielte das junge Team um Penny Hardaway (22), Chris Webber (21) und Allan Houston (23), als ob es kein Morgen gäbe und verließ die Halle als Sieger. "Sie sahen aus wie Babys", sagte Barkley im Anschluss, "aber sie spielten, als wäre es das entscheidende siebte Spiel einer Playoff-Serie."
Dieser Weckruf verfehlte seine Wirkung nicht. Das anschließende Qualifikationsturnier war der Beginn einer unglaublichen Dominanz, die bis zum Olympischen Finale andauern sollte - es war die Geburtsstunde des einzig wahren Dream Teams. Nach einem 136:57-Erfolg im Auftaktspiel gegen Kuba pflügten Jordan, Magic und Co. durch die Qualifikation und bahnten sich souverän den Weg nach Barcelona.
Michael Jordan vs. Magic Johnson: "Wir gaben einfach alles"
Head Coach Chuck Daly - NBA-Champion 1989 und 1990 mit den Detroit Pistons und inzwischen ebenfalls in der Hall of Fame - gelang es, die Egos und den Ehrgeiz seiner Stars in die richtigen Bahnen zu lenken. "In einem NBA-Team hat man - wenn überhaupt - einen oder zwei solcher Spieler", so Assistant Coach P.J. Carlesimo: "Wir hatten zwölf." In jedem Trainingsspiel standen zehn All-Stars auf dem Feld, die den Coaches, dem Gegner und vor allem sich selbst etwas beweisen wollten.
Ganz besonders die Rivalität zwischen Michael Jordan und dem nach seiner HIV-Diagnose zurückgekehrten Magic Johnson sorgte dafür, dass bereits die Vorbereitung auf das Olympische Turnier zu einer ganz eigenen Legende wurde. Die beiden Superstars standen im Training nie gemeinsam in einem Team, stets ließen die Coaches sie gegeneinander antreten.
"Manchmal wurde es so hitzig, dass wir das Spiel unterbrechen mussten", erinnerte sich Lenny Wilkens, 1992 ebenfalls Assistent von Daly. Johnson nannte diese Duelle später "den besten Basketball, den ich je gespielt habe. Michael attackierte Clyde. Clyde attackierte Michael. David Robinson ging auf Patrick Ewing los. Patrick auf ihn. Karl Malone auf Barkley. Barkley auf Malone. Wir gaben einfach alles."
Das Dream Team in Barcelona: "Wie Elvis und die Beatles"
In Barcelona wurden die US-Spieler wie Rockstars empfangen. "Mit dem Dream Team unterwegs zu sein, war, als hätte man Elvis und die Beatles vereint", so Coach Daly. Schon auf dem Flughafen erwarteten Tausende Fans die Landung des Teams, der Flug wurde daraufhin kurzfristig zu einem kleineren Flughafen außerhalb der Stadt umgeleitet.
Im Vorfeld hatte es zahlreiche Morddrohungen gegen die US-Basketballer gegeben, bei jeder Fahrt zum Training oder zu Spielen wurde der Mannschaftsbus von Polizeifahrzeugen und sogar einem Helikopter flankiert. Anstatt im Olympischen Dorf wohnten Larry Bird und Co. in einem - ebenfalls von bewaffneten Sicherheitskräften bewachten - Fünf-Sterne-Hotel.
"Man brauchte einen Ausweis, um überhaupt das Hotel zu betreten", erinnert sich Barkley: "Rund um den Pool auf dem Dach standen zehn Typen mit Uzis. Es war irgendwie witzig: Mädchen im Bikini; Kerl mit Uzi; Mädchen im Bikini; Typ mit einer Uzi. Die Leute dachten, wir wollten nicht im Olympischen Dorf wohnen, weil wir uns für zu wichtig nahmen. Der Grund waren aber die Drohungen."
Charles Barkley bei Nacht: "Triff mich im Club"
Doch gerade Barkley wollte sich nicht davon abhalten lassen, die Olympischen Spiele zu genießen. Während der Rest des Teams sich die Zeit im Hotel beim Karten- oder Tischtennisspielen vertrieb - und Jordan als angeblich einziger Spieler Videomaterial von Gegnern wie Angola oder Puerto Rico studierte - entschied sich Sir Charles, im Alleingang das Nachtleben zu genießen.
Wurde er auf der Straße nach seinen Bodyguards gefragt, ballte Barkley seine Fäuste und antwortete lachend: "Das sind meine Bodyguards." Seine inzwischen legendären Streifzüge durch das nächtliche Barcelona machten den Forward zu einem Publikumsliebling der Spiele 1992.
"Barkley sollte sich nach Spielen für eine Kolumne mit mir treffen", erzählt Journalist David DuPree: "Er sagte immer: 'Triff mich in diesem oder jenem Club', doch natürlich war dort kein Barkley in Sicht. Ich fand nur eine Nachricht mit dem Namen des nächsten Clubs. So dauerte es oft bis sechs Uhr früh, bis ich ihn im vierten oder fünften Club endlich erwischen konnte. Aber er vergaß nie, mir eine Nachricht zu hinterlassen."
Scottie Pippen vs. Toni Kukoc: "Wie ein Löwe"
Dennoch nahm Barkley das Geschehen auf dem Platz ebenso ernst wie seine Mitspieler. Gleich im ersten Spiel gegen Angola lieferte er mit 24 Punkten, 6 Rebounds, 5 Assists und 3 Steals eine bärenstarke Leistung ab und geriet gleich mehrmals mit Gegenspieler Herlander Coimbra aneinander. Nach dem 116:48-Erfolg zum Auftakt spielte sich die Mannschaft im Verlauf des Turniers in einen Rausch, dominierte ihre Gegner offensiv wie defensiv und gewann die acht Spiele bis zur Goldmedaille mit durchschnittlich 43,8 Punkten Vorsprung. 43,8 Punkte Vorsprung - bei nur 40 Minuten Spielzeit.
Die größten Prüfungen waren dabei noch die Duelle gegen Kroatien, das nicht nur den künftigen Hall-of-Famer Drazen Petrovic (New Jersey Nets), sondern auch einen gewissen Toni Kukoc im Kader hatte. Die Chicago Bulls hatten gerade versucht, den 24-Jährigen von einem Wechsel in die NBA zu überzeugen - mit einem millionenschweren Vertrag, der ihn in der (finanziellen) Hackordnung des amtierenden Champions noch über Pippen gestellt hätte.
Kukoc war in aller Munde, für Pippen und auch Jordan eine zusätzliche Motivation. Malone hatte nach dem ersten Aufeinandertreffen beinahe Mitleid mit dem jungen Kroaten: "Habt ihr schon einmal einen Löwen oder Geparden über seine Beute herfallen gesehen? Wir mussten Michael und Scottie zum Spiel aus der Kabine zerren, weil sie sich noch stritten, wer ihn verteidigen durfte. Er hatte keine Ahnung, was ihm bevorstand."
Abschied von Bird und Magic: "Basketball-Poesie"
Am Ende stand Kukoc bei 4 Punkten, zwei von elf getroffenen Feldwürfen und sieben Ballverlusten, Kroatien unterlag mit 70:103. Im Finale gelang ihm mit 16 Punkten, 9 Assists und 5 Rebounds zwar eine individuelle "Revanche", sein Team stand am Ende jedoch erneut als Verlierer da. Das 117:85 war der knappste Sieg des US-Teams im gesamten Turnierverlauf.
Der Triumph im Endspiel von Barcelona, die Goldmedaille, die Magie des wohl besten Teams der Geschichte: Es sollte gleichzeitig der Abschied von zweien der größten Spieler aller Zeiten sein. "Es war unser großes Finale - der Vorhang war schon dabei, zu fallen", sagte Johnson später: "Larry [Bird]s Rücken war kaputt. Und ich war schon draußen, musste mit dem HI-Virus klarkommen. Für mich ging es auch darum, der Welt zu beweisen, dass ich auch mit HIV noch spielen konnte. Wir wollten einfach sichergehen, uns angemessen zu verabschieden."
25 Jahre später ist klar: Es ist ihnen gelungen. John Stockton, einer der besten Point Guards der NBA-Historie und in dieser Mannschaft dennoch kaum mehr als eine Randfigur, fasste den Sommer des Jahres 1992 später so zusammen: "Mit diesen Jungs im Dream Team zu spielen, war der Basketball-Himmel... Es war Basketball-Poesie."