Die Rockets und ihr Traumduo James Harden und Chris Paul: Keine Luft zum Atmen

Robert Arndt
12. Dezember 201711:25
James Harden und Chris Paul harmonieren bereits gut miteinandergetty
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Die Houston Rockets eilen von Sieg zu Sieg und haben nun zehn Spiele am Stück für sich entschieden. Der Backcourt um James Harden und Chris Paul harmoniert prächtig. Dennoch haben die Rockets noch nicht einmal ihr volles Potenzial ausgeschöpft.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag war es endlich soweit. Der gemeine NBA-Fan bekam einen Eindruck, wie Chris Paul und James Harden zusammen in der Crunchtime für die Houston Rockets funktionieren könnten. Die Texaner gingen mit einem 14-Punkte-Rückstand bei den Portland Trail Blazers in den Schlussabschnitt. Dank ihres brillanten Backcourts konnte die Partie noch umgebogen werden, die Gäste entschieden den Abschnitt mit 40:19 für sich.

In den Spielen zuvor hatten die Rockets dagegen alles weggeblasen, was ihnen vor die Flinte kam. Paul absolvierte bislang elf Spiele für Houston, alle wurden gewonnen und das mit einem Durchschnitt von fast 17 Punkten! Das Team von Mike D'Antoni mutierte zu Blowout City und grüßt nun mit einer Bilanz von 21-4 souverän von der Spitze der Western Conference.

James Harden und Chris Paul harmonieren bereits gut miteinandergetty

Houston kann auch Crunchtime

Natürlich meinte es der Schedule mit Ausnahme des Auftakts in Oakland recht gut mit den Texanern, doch in der Vergangenheit stolperten die Rockets vor allem über kleinere Kontrahenten und verpassten so eine bessere Bilanz. Das Spiel in Portland war dafür ein weiterer Beweis, man hätte sich gut und gern eine Pleite erlauben können, doch stattdessen holten die Rockets mit einem Kraftakt auch diesen Sieg.

"Jeder hat darüber geredet, oder gefragt: 'Was werden sie nur tun?'", sagte Paul nach dem Spiel mit sichtlicher Genugtuung zu den anwesenden Reportern. Gemeint war natürlich die Frage, ob die Rockets überhaupt Crunchtime spielen können oder ob sich Harden und Paul gegenseitig den Ball aus der Hand nehmen würden. Referenzen gab es zuvor keine, wenn CP3 fit war - es dauerte neun gemeinsame Spiele, bevor Paul und Harden erstmals zusammen "in the Clutch", also in den letzten fünf Minuten bei maximal 5 Punkten Differenz, auf dem Court standen.

"Wir experimentieren noch ein wenig", gab Paul daher zu. In Portland und auch gegen die New Orleans Pelicans gab es nun erste Aufschlüsse, wie Houston in der neuen Besetzung enge Spiele gewinnen könnte. Blazers-Coach Terry Stotts versuchte vor allem die zahlreichen fähigen Schützen zu covern, was aber nur bedingt funktionierte. So gab es in der Zone jede Menge Platz für den Bart und CP3, die abwechselnd das jeweilige Mismatch nach Switches attackierten. 25 Punkte (9/10 FG) verbuchte das Duo alleine im Schlussviertel, vornehmlich durch Leger und Freiwürfe.

5 Zähler weniger waren es daheim gegen die Pels für das neue Traumduo. Das Ergebnis war das gleiche: Houston walzte mit 34:20 im Schlussabschnitt über New Orleans und fuhr den zehnten Sieg in Serie ein. Dabei war es Paul, der die Rockets wieder heranbrachte und erneut Harden, der in der Crunchtime übernahm, wie auch Mike D'Antoni erfreut feststellte. "Wie Chris uns zurück ins Spiel hievte, war unglaublich. Am Ende hat James den Deckel mal wieder drauf gemacht."

Harden und Paul: 48 Minuten Point Guard Play

Ränkespiele, Neid oder Hero Ball waren dabei ganz und gar nicht zu sehen. War Paul in der Vergangenheit bekannt dafür, gerne zu viel Last zu schultern, ließ er Harden gewähren und brachte sich für mögliche Zuspiele in Stellung. Auch wenn Harden den Ball dann nicht immer abgab, bekam CP3 so viel Aufmerksamkeit von der Defense, dass dies Platz für seinen Backcourt-Partner schuf.

"James und ich haben nach dem Spiel miteinander geredet, wie cool es war, dass wir abwechselnd immer wieder scoren konnten", freute sich Paul nach dem Portland-Spiel. Trevor Ariza beschrieb es ein bisschen anders: "Wir haben in Harden eine Scoring-Anomalie und in Paul einen echten Lehrer. Es war beeindruckend, ihnen zuzusehen."

Im Schnitt stehen die beiden lediglich 20 Minuten pro Spiel zusammen auf den Court. D'Antoni kündigte bereits an, dass er die Spielzeit seiner Stars staffeln würde und setzt dies bisher auch konsequent um. Mit Ausnahme der Garbage Time steht zu jeder Zeit einer der beiden Spielmacher auf dem Feld und hält die Offense der Rockets am Laufen. Es gibt keine Verschnaufpause für den Gegner.

Die Protagonisten um die beiden All-Stars wechseln dagegen beständig. Zwar greift D'Antoni meist nur auf acht oder neun Spieler zurück, doch diese bieten dem Coach jede Menge Flexibilität. Während in Portland das ultrakleine Lineup mit P.J. Tucker auf Center zum Erfolg führte, war es gegen die Pelicans die große Aufstellung mit Clint Capela, die den Sieg eintütete.

Harden endlich MVP?

"Das Gute an unserem Team ist, dass wir auf alles eine Antwort haben", stellte auch D'Antoni nach dem Sieg in Portland zufrieden fest. "Egal, was der Gegner gegen uns versucht, können wir matchen oder sogar besser machen." Selbstbewusste Worte des Coaches, aber wer will es ihm bei dieser Siegesserie verdenken?

Dabei fehlte mit Paul ein essentiell wichtiger Baustein für 14 Spiele. Dass die Rockets dennoch auch in diesem Stint so erfolgreich waren, lag natürlich an Harden. Der Shooting Guard dürfte im Moment neben LeBron James der heißeste Kandidat auf den MVP-Award sein.

Der zweimalige Zweite im MVP-Race dominiert (mit und ohne CP3) die Offense und hat sein Spiel noch einmal auf ein neues Level gehoben. Drei 40-Punkte-Spiele schaffte neben Harden nur Giannis Antetokounmpo, dazu führt er die Liga auch noch bei den Assists an und versenkt mit großem Vorsprung vor Klay Thompson die meisten Distanzwürfe.

Sein Stepback aus dem Dribbling an der Dreierlinie ist so gut wie nicht zu verteidigen, da sein Drive ebenso gefürchtet wird. Wann immer Harden am Perimeter isoliert wird, ist der Gegner ihm ausgeliefert - gerade Big Men nach Switches. Noah Vonleh liegt voraussichtlich immer noch auf dem Hallenboden.

SpielerOffRtgDefRtg
James Harden116,5103,9
Chris Paul119,7104,7
Harden & Paul121,5113,8

Rockets: Paul als willkommene Unterstützung für Harden

So gut der Bart aber über die Saison bisher war: Die Vergangenheit, speziell die Playoffs der letzten Saison, hat gezeigt, dass auch ein Harden keine 100 Spiele im Alleingang gewinnen kann. Vor allem in den letzten beiden Spielen der Spurs-Serie wirkte der Guard ausgebrannt von endlosen Isos und schweren Würfen. Den Ruf als Choker gab es als "Belohnung" noch obendrauf.

Eine ähnliche Reputation hat auch Paul, der mit seinen Teams nie die Conference Finals erreichen konnte. Der Aufbau nähert sich dem Herbst seiner Karriere und erklärte bereits mehrfach, dass er bereit ist, Verantwortung abzugeben, nachdem er über zehn Jahre der unumstrittene Anführer seiner Teams war.

Es waren keine leeren Worte. Eilte ihm bei den Clippers noch der Ruf voraus, dass er das Spieltempo komplett diktierte, hat sich Paul in Houston sofort angepasst. Der Ball läuft deutlich schneller, Paul legt also Vertrauen in seine Mitspieler. Er dominiert nicht mehr den Spalding bis tief in die Shotclock, sondern sucht auch selbst den schnellen Abschluss.

Pullup-Dreier mit 16 Sekunden auf der Uhr sah man CP3 fast noch nie werfen - bis er nach Houston kam. Durch die schnellen Abschlüsse sind seine Quoten ein wenig nach unten gegangen: Sein so tödlicher Midrange-Jumper fällt bisher nur zu 38,1 Prozent (8/21 FG). Allerdings hat er ihn, ganz Houston-like, sowieso fast aus seinem Arsenal gestrichen.

Saison CP3PunkteAssistsFG%3P%PaceUSG%
2016/1718,19,247,641,198,1924,3
2017/1814,89,546,039,7100,8821,1

Rockets: Es geht noch besser

Vollkommene Zufriedenheit herrscht dennoch nicht in Texas - trotz des überragenden Starts. Dies sprach auch Paul bereits an. "Unsere Offense kann noch besser werden", ist CP3 überzeugt. "Wir vergeben noch zu viele offene Würfe. Wir hatten noch keinen Abend, an dem wir richtig heiß waren."

Houston ist hinter den Golden State Warriors das beste Offensiv-Team der Liga und das, obwohl die größte Stärke der Rockets, der Dreier, noch nicht voll zum Tragen gekommen ist. Zwar versenkt das Team von Head Coach Mike D'Antoni mit 16 Dreiern pro Spiel die meisten Distanzwürfe in der Liga, doch die Quote von 36,9 Prozent reicht im Moment nur zu Platz zwölf.

Die Ansprüche sind entsprechend hoch. "Ich will dieses Jahr die Meisterschaft gewinnen. Das ist unser Ziel", wiederholte Harden bereits mehrfach. Es wirkt so, als würde sich ligaweit immer mehr die Überzeugung durchsetzen, dass diese Chance tatsächlich besteht - trotz der üblichen Dominanz der Warriors, die als einziges Team ein noch besseres Net-Rating aufweisen als Houston.

Doch auch Lakers-Coach Luke Walton musste nach der krachenden Niederlage seiner Mannschaft gegen Houston feststellen: "Meiner Meinung nach spielen sie im Moment den besten Basketball in der NBA." Die Rockets würden dem vielleicht noch nicht zustimmen. Aber der erfolgreichste Basketball ist doch auch ein Anfang.