NBA

Above the Break: Das "verlorene Jahr" der San Antonio Spurs, Cuban und die Mavs, Zaza

Gregg Popovich zeigt in dieser Saison eine ganz besondere Coaching-Leistung.
© getty

Willkommen bei Above the Break - der SPOX-Meinung zur NBA-Saison! Zweimal im Monat nimmt SPOX-Redakteur Ole Frerks ein Thema aus der Liga ganz genau unter die Lupe. Diesmal: Die San Antonio Spurs am Scheideweg - und die Fragen der User.

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Das "verlorene Jahr" der San Antonio Spurs

Es gibt in der NBA diverse Mechanismen, die es eigentlich verhindern oder zumindest sehr erschweren sollen, dass gewisse Teams am Ende immer oben stehen. Es gibt den Salary Cap und es gibt den Draft, es gibt (zumindest mittlerweile) eine aktive Free Agency und einen Deckel für die Laufzeit von Verträgen. Es gibt die Luxussteuer, die zwar nicht alle, aber doch die allermeisten Team-Besitzer abschreckt und es fast unmöglich macht, dass die wirklich großartigen Teams über etliche Jahre zusammenbleiben.

Und es gibt die Spurs. Schlappe 20 Saisons am Stück haben die Texaner mindestens 60 Prozent ihrer Spiele gewonnen - wenn es 1998/99 keinen Lockout gegeben hätte, wären es sogar 20 Jahre lang immer 50+ Siege gewesen. Die Spurs gewannen damals 37 von insgesamt nur 50 Spielen (74 Prozent) und ihren ersten von mittlerweile fünf Titeln.

San Antonio Spurs: Ist Rang 4 repräsentativ?

Aktuell ist diese Serie in Gefahr - mehr, als man es auf den ersten Blick realisiert, schließlich stehen die Spurs mit einer 36-25-Bilanz auf Rang vier im Westen. Das entspricht einer 59-Prozent-Bilanz, die 60 ist also nicht weit weg. Der Schein trügt aber ein wenig. Vor dem Sieg in Cleveland hatten die Spurs sechs ihrer letzten sieben Spiele verloren.

Das ist auch kein ganz neuer Trend. Seit der Jahreswende hat San Antonio eine negative Bilanz (11-13). So komisch das klingt: Es gibt mittlerweile ein Szenario, in dem die Playoffs zum ersten Mal seit 1997 (!) ohne San Antonio stattfinden könnten.

Gleichzeitig will man sie aber auch nicht abschreiben, weil sie eben die Spurs sind. Vielleicht ist das der ultimative Beweis für die Brillanz von Gregg Popovich. Dass San Antonio zu diesem Saisonzeitpunkt überhaupt noch so gut dasteht, darf man ohnehin schon getrost zu seinen größten Leistungen als Coach zählen. Denn ihr Kader gibt - verglichen mit anderen Top-Teams - eigentlich einfach keinen 3-Seed her.

Spurs: LaMarcus Aldridge ist der einzige Star

Klammern wir LaMarcus Aldridge mal aus, der zurecht wieder All-Star wurde und definitiv auch in einem der All-NBA Teams stehen sollte; wer aus diesem Team jagt Gegnern im Jahr 2018 Angst ein? Rudy Gay (11,1) und Pau Gasol (10,7) sind nach LMA die einzigen Scorer in Double Figures, wobei Gay schon 25 Spiele verpasst hat und Gasol die niedrigste Quote seiner Karriere auflegt (46,4 Prozent).

Dazu gesellt sich ein bunter Mix aus alten Spielern, die alle mindestens schon 15 Spiele verpasst haben und weit von ihrer besten Zeit entfernt sind (Manu Ginobili, Danny Green, Tony Parker), semi-jungen Spielern, die gewisse Skills haben und bei vielen guten Teams dennoch kaum Minuten sehen würden (Kyle Anderson, Bryn Forbes, Davis Bertans, Joffrey Lauvergne), und einem potenziellen Top-Talent in Dejounte Murray. Irgendwo gesellt sich auch noch Patty Mills dazu.

Klingt dieser Kader nach "Platz 4 im Westen"? Oder anders gefragt: Sind die Spurs besser besetzt als die Blazers, Pelicans, Thunder und Nuggets, die derzeit auf 5-8 rangieren? Sind sie tiefer als die Clippers und Jazz auf Platz 9 und 10?

Seuche zieht sich durch den ganzen Kader

Wenn man ganz ehrlich ist: Vom reinen Talent her müssten die meisten anderen Playoff-Contender stärker sein als San Antonio. Es ist ja nicht nur die Tatsache, dass mit Kawhi Leonard ein Top-5-Spieler der Liga ganze 9 Spiele in dieser Saison absolvieren konnte - es zieht sich durch den ganzen Kader. Nur Mills und Forbes standen den Spurs in dieser Saison in jedem Spiel zur Verfügung.

Natürlich haben auch viele andere Teams Verletzungen, allen voran sind da aktuell Boogie Cousins und Jimmy Butler zu nennen. Aber die Spurs haben in dieser Saison eine sehr ausgeprägte Form der Seuche. Nicht zuletzt deshalb, weil ihr Fixpunkt, der letzte Saison eine höhere Usage-Rate aufwies als jeder Spur in der Ära Popovich (31,2 Prozent), ersatzlos weggefallen ist. Popovich musste sein Team immer wieder neu kalibrieren und den widrigen Umständen entsprechend anpassen.

Gregg Popovich minimiert alle Fehler

Das ist ihm bisher beeindruckend gut gelungen. Popovich hat genau analysiert, welche Stärken und vor allem auch welche Schwächen sein Spielermaterial hat, und stellt sein Team dementsprechend ein. Wie schon in den letzten Saisons spielen die Spurs extrem langsam, nur die Grizzlies haben noch eine niedrigere Pace (96,77).

San Antonio hat zumeist zwei Big Men auf dem Court, die gerade im Fall von Gasol und Lauvergne auch nicht allzu schnell sind. Dementsprechend selten drücken sie aufs Tempo. Sie spielen offensiv wie defensiv konservativ, was vor allem den Vorteil mit sich bringt, dass sie nur wenige Fehler machen. Ihre Rotationen sitzen, die Disziplin ist enorm. Die Uhr wird gemolken, es werden wenige Turnover produziert (nur 13,5 pro Spiel, Rang 6).

Spurs: Mehr Post-Ups als alle anderen Teams

Kein Team postet so häufig auf wie die Spurs, weil Aldridge ihr einziger Spieler ist, der konstant scoren und Double-Teams binden kann. LMA weist derzeit seine höchste Usage-Rate seit der letzten Portland-Saison (28,6 Prozent) auf und trifft mittlerweile fast immer die richtige Entscheidung, wenn das Doppel kommt.

Wenn er abspielt, flippen die Spurs in Windeseile den Ball um den Perimeter, um den offenen Schützen zu finden. Das ist alles andere als revolutionär, es ist vielmehr eine echte Oldschool-Spielweise. Aber sie ist aktuell die beste Möglichkeit für San Antonio, um Punkte aufs Board zu bringen.

Dass Aldridge bei den Spurs überhaupt noch einmal so aufblüht, war dabei im Sommer keineswegs abzusehen gewesen. Es sah vielmehr nach Trennung aus - Aldridge hat im Nachhinein sogar offen zugegeben, dass er die Spurs um einen Trade gebeten hat. Stattdessen Ist Pop über seinen nicht gerade kleinen Schatten gesprungen und hat sich bei Aldridge entschuldigt; die Neu-Integration des Big Mans darf man fraglos als weitere Glanzleistung des Coaches betrachten.

Kaum Probleme gegen miese Teams

LMA ist aktuell eindeutig der wichtigste Spieler für den Erfolg der Spurs, ihre Spielweise ist aber ähnlich wichtig. Die Spurs sind besser als fast alle anderen Teams darin, wenige Fehler zu machen und jeden Abend professionell aufzutreten - das kann in einer langen Regular Season häufig über Sieg oder Niederlage entscheiden, selbst wenn man vermeintlich nicht das talentiertere Team ist.

Die Spurs haben in dieser Saison zwar auch schon ein paar Stinkbomben platziert und beispielsweise mal gegen Atlanta und Dallas verloren, in der Regel erledigen sie aber ihren Job gegen den "Bodensatz". Die Spurs stehen gegen Teams mit Siegbilanz unter 50 Prozent bei einer 23-5-Bilanz, gegen "gute" Teams dagegen stehen sie nur bei 13-20.

Dabei hatten sie bisher laut dem "Strength of Schedule" von basketball-reference.com den viertleichtesten Spielplan - für die restliche Saison dagegen haben sie laut playoffstatus.com den härtesten verbleibenden Spielplan im Westen. Sieht man die vorher dargelegten Bilanzen, ist das kein besonders gutes Zeichen für die 50-Siege-Serie und die Playoff-Chancen der Spurs im Allgemeinen.

Kawhi Leonard: Comeback im März?

An sich kommt es daher ja gerade Recht, dass am Montag auf einmal doch berichtet wurde, dass Leonard zu den Spurs zurückkehren wird - und sogar ein Comeback auf den Court im späten März im Visier hat. Dass dieser durchgesickerte Bericht allerdings fast komplett dem widerspricht, was Popovich nur wenige Tage vorher öffentlich sagte, spricht gewissermaßen auch Bände; das Verhältnis mit dem Superstar scheint diversen Berichten zufolge tatsächlich akuten Reparaturbedarf aufzuweisen.

Das ist zentral für alles, was San Antonio weiterhin erreichen will - in dieser Saison und darüber hinaus. Auch den größten Optimisten ist klar, dass die Spurs ohne Leonard kurzfristig zwar ungemütlich, aber nicht wirklich gefährlich sein können. Und dass sie langfristig mehr als Aldridge, Murray und Pop brauchen, um für gewisse Free Agents attraktiv zu sein.

Coaching ist nicht alles

Das ist im Endeffekt ja die Krux: Man kann durch Coaching, Scouting, Vorbereitung und so weiter zweifellos große Vorteile schaffen. Um auf dem allerhöchsten Level zu gewinnen, braucht man aber auch das entsprechende Talent. Auch der vielleicht beste Coach der NBA-Geschichte ist darauf angewiesen, dass seine Spieler umsetzen, was er ihnen vorgibt.

In Tim Duncan hatte Popovich stolze 19 Jahre lang den idealen Franchise Player beziehungsweise zentralen Baustein, auch wenn gerne vergessen wird, dass selbst dieser im Sommer 2000 mal kurz davor war, sich einem "Superteam" in Orlando mit Grant Hill und Tracy McGrady anzuschließen. Leonard gilt seit Jahren als Duncans legitimer Nachfolger, nun scheint es aber, als wäre der Finals-MVP von 2014 etwas verprellt von der Vorzeige-Franchise der NBA.

Kann Popovich noch einmal die Wogen glätten?

Man darf ruhig annehmen, dass Pop die Beziehung repariert und die Spurs umgehend wieder in die Spur finden. Es geht hier schließlich um Pop, der gerade erst im Sommer wieder einen Weg gefunden hat, einen unzufriedenen Star wieder zufriedenstellen. Es geht hier um die Spurs, und eins der obersten NBA-Gesetze besagt, dass man die Spurs niemals abschreiben sollte.

Man darf sich aber auch vergegenwärtigen, dass die Spurs nunmehr seit Jahrzehnten entgegen aller Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind. Das System ist eigentlich nicht dafür ausgelegt. Es wird ihrer fabelhaften Konstanz auch nicht gerecht, wenn man sie einfach nur als selbstverständlich erachtet.