NBA

NBA-Vize Mark A. Tatum im Interview: "Ein All-Star Game im Fußball wäre fantastisch!"

Von David Nienhaus
Mark Tatum (r.) arbeitet seit 1999 in verschiedenen Rollen für die NBA.
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Verbuchen Sie die radikalen Veränderungen mit einem "Team LeBron" und einem "Team Steph" als Erfolg?

Tatum: Die Veränderungen waren ein voller Erfolg. Erstmals in der Geschichte haben wir nicht mehr Ost gegen West gespielt. Die Intensität, aber auch der Spaß der Partie war unglaublich hoch und erstmal gewann die Defense ein Spiel. Die Defense!

SPOX: Hatten Sie Bedenken, was das Konzept angeht?

Tatum: Wir haben einfach etwas Neues ausprobiert und natürlich wussten wir im Vorfeld nicht, wie es bei den Fans ankommt und ob es funktioniert. Aber was war das Schlimmste, das hätte passieren können?

SPOX: Dass keiner zusieht?

Tatum: Genau deshalb wägen wir ab, ob Veränderungen wirklich richtig sind oder ob das System nicht doch so gut ist, wie es ist. Beim All-Star Game mussten wir etwas ändern und es hat funktioniert.

SPOX: Commissioner Adam Silver sprach davon, auch die Playoffs eventuell verändern zu wollen.

Tatum: Diese Diskussionen gibt es, ja. Sollen wir die Playoffs revolutionieren und statt eins bis acht im Westen oder Osten alle Playoff-Teams nach ihrer Stärke von eins bis sechzehn auflisten? Wenn wir allerdings die Playoffs ändern, müssen wir auch die reguläre Saison anpassen. Es gibt aber so viele Dinge, die beachtet werden müssen: die Gesundheit der Spieler, die Reisebelastungen, die Spieler-Vereinigung, die Nationalmannschaften. Kurzfristig wird das nicht passieren. Aber wir halten weiter ein Auge drauf und versuchen, weiter kreative Konzepte und Lösungen zu finden.

SPOX: Am Spielplan wurden schon kleinere kosmetische Anpassungen durchgeführt - vor allem wegen der Gesundheit der Spieler, die sie angesprochen haben?

Tatum: Wir spielen eine wirklich lange Saison; für einige Spieler geht sie von September bis Ende Juni. Wir haben jetzt nicht mehr dieses Mammutprogramm von vier Spielen in fünf Tagen und haben viel weniger Back-to-Backs.

SPOX: Wenn Sie über Revolution sprechen, warum reduzieren Sie nicht dann nicht auch einfach die zu spielenden Partien?

Tatum: Wir spielen 82 Spiele. Reduzieren wir den Spielplan, ist es auch eine finanzielle Entscheidung. Dann kommen weniger Zuschauer in die Arenen - momentan verzeichnen wir mit 20,2 Millionen Zuschauern einen Rekord - die Einnahmen würden sich erheblich reduzieren. Es ist eine Balance. Auf der einen Seite geht es ums Produkt, auf der anderen Seite natürlich auch um die Wirtschaftlichkeit. Das müssen wir abwägen.

SPOX: Die Klubs haben schon eigene Lösungen erarbeitet und ihre Stars in der vergangenen Saison in vielen Spielen geschont. Damit war die Liga nicht einverstanden. Warum?

Tatum: Wir verstehen, dass die Belastung der Spieler enorm ist, aber wir haben es natürlich aus verschiedenen Gründen mit Argwohn betrachtet, dass Stars geschont werden. Das war nicht gut für das Produkt. Wir haben deshalb im vergangenen Jahr Regeln dafür ausgegeben, dass die Stars ausschließlich bei Heimspielen geschont werden dürfen. Das minimiert die Zahl der enttäuschten Fans, die zum Beispiel LeBron James in New York oder Charlotte sehen wollen. Auch bei Spielen, die im nationalen Fernsehen übertragen werden, sollten die Stars nicht auf der Bank sitzen. Und natürlich sollten nicht alle Stars eines Teams, wie Stephen Curry, Klay Thompson, Kevin Durant und Draymond Green bei den Warriors zeitgleich pausieren.

SPOX: Zuletzt häuften sich aber die Verletzungen - zum Beispiel eben in Golden State. Damit ist dem Produkt auch nicht geholfen.

Tatum: Nochmal: Wir wissen, dass es eine sehr lange Saison ist und wir versuchen, für die Gesundheit der Spieler entsprechende Lösungen zu finden.

SPOX: Dann sollte ich Sie vielleicht nicht auf die Frage ansprechen, wie es um die Expansionspläne der Liga steht. Eine Franchise oder gar Conference in Europa ist wahrscheinlich schwierig umzusetzen, oder?

Tatum: Das ist wirklich schwer, so ehrlich muss ich sein. Wir haben uns den Kopf darüber zerbrochen und viel diskutiert. Aber das weite Reisen macht dieses Unterfangen fast unmöglich. Der Flug von Portland nach Madrid beispielsweise dauert eine halbe Ewigkeit. Ja, vielleicht wäre es möglich, wenn wir eine eigene Conference in Europa hätten. Trotzdem müssten wir den Spielplan enorm ändern, viel weniger Spiele austragen, um das möglich zu machen. Aber selbst dann wären die Reisen die Herausforderung. So eine Umsetzung ist nicht kurzfristig zu realisieren und deshalb auch nicht hoch priorisiert bei uns, wie andere Expansionsgedanken.

SPOX: Die da wären?

Tatum: Wir überlegen, eine Franchise in Mexico City ins Leben zu rufen. Es gibt keinen großen Zeitunterschied, Mexico City ist die größte Stadt in ganz Nordamerika und das ist ein Markt, an den wir denken. Wir spielen dort schon reguläre Saisonspiele mit unseren vorhandenen Mannschaften und überlegen auch, ein G-League-Team dort zu etablieren. Wenn wir international expandieren, dann wohl eher in diese Richtung als nach Europa. Aber wir werden es nie ganz ausschließen. Wir sind übrigens auch begeistert, dass es zum Beispiel in London, Paris, Berlin und Madrid immer größere Hallen gibt für unseren Sport gibt.

SPOX: Die Zeitzone ist ein gutes Stichwort: In Deutschland erkennt man Basketball-Fans an den Augenrändern. Die Zeitverschiebung ist tatsächlich ein großes Problem für die NBA, oder?

Tatum: Formulieren wir es anders: Es ist eine große Herausforderung, der wir uns stellen wollen. Deshalb haben wir die 25 Spiele am Sonntagabend ins Leben gerufen. Natürlich müssen unsere Teams dann hierzulande am frühen Nachmittag spielen, aber sie haben zugestimmt und auch verstanden, warum es wichtig ist. Wir spielen jetzt weiter mit dem Gedanken, das auch für den Samstag zu planen, um unser Produkt leichter an den Fan in Europa, aber auch in Afrika zu bringen.

SPOX: Schließen wir unser Gespräch doch mit dem Thema, mit dem wir es begonnen haben: Fußball. Was würden Sie von einem europäischen All-Star Game im Fußball halten?

Tatum: In der NBA spielen die besten Basketballer der Welt. Jeden Abend. Im Fußball spielen die besten Spieler der Welt aber nicht in einer Liga. Ich fände ein europäisches All-Star Game - adaptiert an unseres - fantastisch. Spieler aus der Premier League, der Bundesliga, der Serie A, der Ligue 1 und der Primera Division kommen für ein Spiel zusammen. Wow. Das wäre ein klasse Event und ein tolles Konzept. In den USA funktioniert das auf jeden Fall und wir zelebrieren damit unseren Sport. Übrigens ist die Weltmeisterschaft ja so etwas wie ein weltweites All-Star Game. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie unfassbar erfolgreich und groß diese Veranstaltung ist. Aber wir sind auch ganz zufrieden, wie es bei uns sportlich und wirtschaftlich läuft. (lacht)

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema