Die Washington Wizards haben sich in der ersten Runde aus den Playoffs verabschiedet und dabei mal wieder ihre zwei Gesichter gezeigt. Warum ist die Teamchemie in der Hauptstadt so schlecht - und wie geht es im Sommer weiter? Die wichtigsten Fragen in der Analyse.
Was ist passiert?
In sechs Spielen haben sich die Wizards von den topgesetzten Raptors in der ersten Runde eliminieren lassen. Gerade die Spiele 3 und 4, die Washington zuhause relativ deutlich gewann, offenbarten dabei die folgende bizarre Realität: Obwohl Toronto in der Regular Season 16 Spiele mehr gewonnen hatte als die Wizards, waren diese vom Talent her, zumindest in der Spitze, nicht unbedingt schlechter als die Kanadier aufgestellt.
Natürlich hatte die Verletzung von John Wall während der Saison auf die mäßige Bilanz eine große Auswirkung, aber ein fundamentaler Unterschied zwischen Washington und Toronto ist auch: Während die Raptors fast immer professionell und als Team auftreten, ist es bei den Wizards fast komplett von der Tagesform abhängig, welche Version von ihnen man zu sehen bekommt.
Teilweise sahen sie wie ein Team aus, das den Raptors den Top-Seed im Normalfall hätte streitig machen können, teilweise aber auch wie ein Team, das einfach nur in den Urlaub wollte. Gerade zum Ende der Serie hin ging den Wizards zudem merklich die Luft aus.
Letzteres wiederum hatte natürlich auch mit der erneut mangelnden Tiefe zu tun, wie schon in den letzten Jahren mussten Wall und Bradley Beal eine schon eher ungesunde Last tragen. Die Spiele 3 und 4 hatte Wall noch jeweils dominiert, aber zum Ende hin wollte er es auch zu sehr erzwingen. Der Dreier wollte zudem nach Spiel 1 in der ganzen Serie nicht mehr fallen.
Alle Spiele der Serie
Tag | Datum | Uhrzeit | Spiel | Heim | Auswärts | Ergebnis |
Samstag | 14. April | 23.30 Uhr | 1 | Toronto | Washington | 114:106 |
Mittwoch | 18. April | 1 Uhr | 2 | Toronto | Washington | 130:119 |
Samstag | 21. April | 2 Uhr | 3 | Washington | Toronto | 122:103 |
Montag | 23. April | 0 Uhr | 4 | Washington | Toronto | 106:98 |
Donnerstag | 26. April | 1 Uhr | 5 | Toronto | Washington | 108:98 |
Samstag | 28. April | 1 Uhr | 6 | Washington | Toronto | 92:102 |
Die Raptors-Stars Kyle Lowry und DeMar DeRozan mussten im sechsten Spiel beide nur knapp über 30 Minuten ran, Wall und Beal hingegen leisteten teils weit über 40 Minuten Schwerstarbeit - über die ganze Serie hinweg. Die Last nahm sogar noch zu, als der zuvor schon angeschlagene Otto Porter sich vor Spiel 6 komplett abmeldete.
Dazu sei aber auch angemerkt: Wizards-Coach Scott Brooks verlor zum Ende der Saison und auch in den Playoffs ein wenig das Vertrauen in einige Bankspieler, die während der Saison noch wichtige Rollen gespielt hatten, allen voran Tomas Satoransky - kurioserweise wurde dem Tschechen gegen Ende der Saison der China-Import Ty Lawson vorgezogen, Satoranskys Minuten reduzierten sich von 22,5 in der Regular Season auf nur noch zehn pro Spiel in den Playoffs.
Auch wenn sich Washington gegen Toronto insgesamt ordentlich verkaufte, stand am Ende doch wieder eine weitere Saison, nach der sich die Wizards enttäuscht präsentierten und die "Schuld" dafür nicht unbedingt exklusiv darauf schoben, dass sie gegen ein besseres, tieferes Team ausgeschieden waren.
Warum haben die Wizards zwei Gesichter?
Seit Jahren halten sich permanent Gerüchte, dass die Teamchemie in Washington nicht gerade einwandfrei ist, in dieser Saison häuften sich dazu auch noch Aussagen der Protagonisten, nicht zuletzt von Wall und auch Marcin Gortat, und sagenumwobene Team-Meetings. Nach dem Playoff-Aus ging es damit auch direkt wieder weiter.
"Wenn die Dinge gut laufen, sind alle zufrieden und wollen hier sein. Aber in harten Zeiten zeigt sich, wer wirklich dein Bruder ist und wer mit dir in die Schlacht ziehen will", sagte der Point Guard vielsagend. "Ich glaube, man konnte auch von außen gut beurteilen, wer sich wirklich als Teil dieses Teams sah."
Auch zu den Team-Meetings bezog Wall noch einmal Stellung: "Wenn man jemanden nicht direkt ansprechen kann, weil er immer gleich denkt, dass alles negativ ist oder es in den falschen Hals kriegt, dann hat man eben Probleme im Locker Room und dann entstehen dadurch auch Leistungsschwankungen."
Wall spezifizierte zwar erneut nicht, wen er mit seinen Aussagen meinte, aber die Aussagen an sich zeigen schon, dass es innerhalb des Teams "Lager" gibt und dass nicht unbedingt alle auf einer Wellenlänge agieren. Das zeigte sich bei den Wizards im Saisonverlauf und auch in der Serie gegen Toronto immer wieder.
Wenn die Würfe fallen und Washington Oberwasser hat, feiern Spieler gemeinsam, wenn Gegenwind kommt, zeigen sie gegenseitig mit den Fingern aufeinander und verdrehen die Augen. Die Körpersprache ist bei den Wizards - in schöner Regelmäßigkeit - erschreckend schlecht.
Die Wizards können sich durchaus in einen Rausch spielen und sind dann wirklich schwer zu bremsen - letztes Jahr hätten sie es wohl in die Conference Finals geschafft, wenn nicht ausgerechnet Kelly Olynyk in Spiel 7 das Spiel seines Lebens gemacht hätte. Aber man kann sie eben auch gewissermaßen "gegeneinander ausspielen", und dann kann es bei den Wizards auch schnell hässlich werden.
Mit Wall im Lineup gewann man diese Saison etwa mit +18 gegen Houston, dazu gesellten sich aber auch ultra-peinliche Niederlagen gegen Teams wie Brooklyn (-35!), Charlotte (-24) oder Dallas (-23). Seit Jahren sind die Wizards davon überzeugt, dass sie in wichtigen Situationen den "Schalter umlegen" können, obwohl sie das noch nie so recht bewiesen haben.
Wie ist die Wizards-Saison allgemein zu bewerten?
Wall sagte es bei der Exit-PK richtig: Es war eine enttäuschende Saison für Washington. Nach der starken Playoff-Performance 2017 wähnte man sich eigentlich an der Schwelle, vielleicht das Team zu werden, das Cleveland endgültig vom Thron stürzen könnte - man behauptete damals sogar gewohnt großspurig, dass die Cavs froh waren, den Wizards auf dem Weg in die Finals aus dem Weg zu gehen. Stattdessen folgte nun eine ernüchternde Spielzeit.
Man kann natürlich vieles auf die lange Verletzungspause von Wall schieben, der tatsächlich die halbe Saison aussetzen musste. Und es gab ja immerhin auch positive Entwicklungen, wie die starke Saison von Beal, der noch mehr Verantwortung übernahm und erstmals All-Star wurde.
Laut Wall spielte sein Shooting Guard sogar eine "MVP-artige" Saison, was natürlich völlig übertrieben ist, aber immerhin. Auch Porter setzte seine positive Entwicklung der letzten Jahre fort und etablierte sich weiter als einer der besten 3-and-D-Wings der NBA, wenn auch überbezahlt. Kelly Oubre machte mehrere große Schritte nach vorne. Satoransky zeigte in seiner zweiten Saison, dass er durchaus ein NBA-Rotationsspieler sein kann.
Aber all das sollte nicht über die Realität hinwegtäuschen - die Wizards hatten sich viel mehr von dieser Spielzeit erhofft und auch mit Wall waren sie nie so gut, wie sie sich selbst sahen. Auch an ihren besten Tagen blieb das Problem bestehen, dass sie eine starke Starting Five, aber recht wenig Unterstützung dahinter hatten. Und es wird nicht unbedingt leichter, dieses Problem zu lösen.
Was passiert bei den Wizards im Sommer?
Zunächst einmal die gute Nachricht: Washington ignorierte in dieser Saison den Impuls, den Erstrundenpick zur Deadline für einen Veteranen einzutauschen, und verfügt beim Draft ausnahmsweise sowohl über einen Erst- als auch einen Zweitrundenpick. Da sie an 15 picken, könnten sie in diesem wohl tiefen Jahrgang dringend benötigte Tiefe auswählen.
Das wäre für Washington gleich doppelt wichtig, weil finanzieller Spielraum schlicht und einfach nicht existiert. Wall, Beal und Porter verfügen allesamt über Maximal-Verträge, dazu verdienen Gortat und Ian Mahinmi nächste Saison kombiniert fast 30 Millionen Dollar. Die Wizards stehen für nächste Saison bei fast 135 Millionen garantierten Gehältern, für das Jahr danach sogar bei fast 167 Millionen! Und wir reden hier qualitativ nicht von den Warriors...
Die Free Agency findet bis auf weiteres also ohne die Hauptstädter statt, auch wenn diese Verstärkungen durchaus nötig haben. Abgesehen vom Draft dürften also Trades das einzige Mittel sein, um diese zu bekommen. Frei nach Wall wäre es ja auch durchaus wünschenswert, dass gewisse "faule Äpfel" in Washington aussortiert werden. Doch welche Spieler haben überhaupt Trade-Wert?
Gortat und Markieff Morris haben zumindest auslaufende Verträge und damit einen gewissen Reiz, allerdings wäre gerade Morris sportlich schwer zu ersetzen, zumal sein 8-Mio.-Gehalt moderat ist, gerade für Wizards-Verhältnisse. Auch Gortats Deal wäre prinzipiell in Ordnung, wenn sein Backup Mahinmi nicht sogar noch mehr Geld verdienen würde.
Die Top-Verdiener bei den Wizards in den nächsten Jahren
Spieler | Gehalt 2018/19 | Gehalt 2019/20 | Gehalt 2020/21 | Gehalt 2021/22 |
John Wall | 19.169.800* | 37.800.000 | 40.824.000 | 43.848.00 |
Bradley Beal | 25.434.263 | 27.093.019 | 28.751.775 | UFA |
Otto Porter | 26.011.913 | 27.250.575 | 28.489.283 (Spieler-Option) | UFA |
Ian Mahinmi | 15.944.154 | 15.450.051 | UFA | |
Marcin Gortat | 13.565.218 | UFA | ||
Markieff Morris | 8.600.000 | UFA |
*alle Gehälter via spotrac.com.
Diesen wird man aber wohl kaum los, wenn man nicht wieder mal einen Erstrundenpick oder vergleichbare Assets als "Zoll" mit drauflegt. Daher wäre ein Gortat-Trade durchaus möglich, wie der Center am Wochenende auch selbst einräumte: "Ich weiß, wie es in dieser Liga läuft, das Management muss die richtige Entscheidung treffen. Aber wenn etwas passiert, möchte ich informiert werden und nicht alles durch eine kleine Schlagzeile bei ESPN erfahren."
Abgesehen von Picks haben die Wizards wiederum nicht allzu viele dieser Assets. Unter den jungen Spielern hätte Oubre mit Sicherheit den größten Trade-Wert für andere Teams, allerdings könnten die Wizards auch ihn sportlich nicht ersetzen und da er nach der kommenden Saison Restricted Free Agent wird, dürften potenziell interessierte Teams auch nicht unbedingt Monster-Pakete für ihn anbieten. Oubre ist für Washington wohl wertvoller, als er es für die meisten anderen Teams wäre.
Das gilt übrigens auch für Porter. Natürlich würde das Skillset des Small Forwards vielen Teams gut zu Gesicht stehen, Porter stehen bis Sommer 2021 aber noch deutlich über 100 Millionen Dollar zu. Ein Superstar, wie es dieses Gehalt suggerieren würde, ist Porter nicht, und das wissen natürlich auch die anderen Teams. Washington hat schlichtweg wenig Spielraum, um sich zu verbessern.
Eine Transaktion, über die wohl zumindest diskutiert werden könnte, ist zudem ein erneuter Trainerwechsel. Brooks ist bisher den Beweis schuldig geblieben, dass er das Team im Vergleich zu Vorgänger Randy Wittman signifikant verbessern kann, sowohl seine Offense als auch seine Rotationen wirken teilweise etwas konfus. Es ist aber bisher unklar, ob Washington sich tatsächlich am wilden Trainerkarussell des kommenden Sommers beteiligen will.
Müssen John Wall oder Bradley Beal getradet werden?
Natürlich führt die relativ festgefahrene Lage, gepaart mit den negativen Schlagzeilen (selbst der sonst eher zurückhaltende Brooks bezeichnete die Wizards zeitweise als "selbstsüchtig"), zu der Frage, ob bei den Wizards nicht nur das fertige Haus, sondern auch schon das Fundament zum Scheitern verurteilt ist. Die beiden besten Spieler heißen Wall und Beal. Aber können die beiden Guards sich überhaupt leiden?
Vorweg: Spielerisch ergänzen sich die beiden eigentlich wunderbar. Wall ist ein balldominanter, aber kein egoistischer Spieler - er gehört im Gegenteil zu den besten Passern der Liga. Beal wiederum hat einen so starken Jumper, dass er damit einerseits Platz für Walls Drives schafft und andererseits von seinen Anspielen profitieren kann.
Da er zudem auch als sekundärer Playmaker funktioniert, kann er Wall ergänzen und die Offense auch am Laufen halten, wenn dieser mal pausiert. Über die Saison hatten die Wizards ein starkes Net-Rating von +4,4, wenn beide Guards auf dem Court waren, wenngleich das in den Playoffs nicht mehr der Fall war (-10,7).
Hier hatten allerdings ohnehin nur Mike Scott, Mahinmi und Oubre jeweils einen positiven Wert und angesichts der kleinen Stichprobe sollte man daraus nicht zu viel ableiten, wenngleich es doch kurios erscheint, dass Washington in 72 Minuten OHNE Beal bei +21,4 lag und in 216 Minuten mit ihm bei -11,6.
Abseits des Courts ist die Harmonie zwischen beiden wiederum nicht unbedingt immer gegeben, über die letzten Jahre schien es oft, als würden sie sich team-intern eher als Konkurrenten um Ruhm und Aufmerksamkeit sehen. Wall lobte Beal zwar nach dem Playoff-Aus über den grünen Klee, aber eben auch immer klarstellend, dass er in dieser Beziehung der "große Bruder" und gewissermaßen das Alphatier ist. Beal sieht das aber womöglich anders.
Um ihr Potenzial zu erreichen, müssten Wall und Beal sich endgültig auf eine gemeinsame Linie bringen lassen und das Team gemeinsam, nicht in Lagern, anführen. Nach mittlerweile sechs gemeinsamen Jahren erscheint es zumindest fraglich, ob sie dazu komplett bereit sind.
Wenn das Front Office der Wizards diese Frage mit "nein" beantwortet, ist angesichts der angespannten Cap-Lage wohl eine Neuausrichtung auf einen der beiden der wahrscheinlichste Kurs. Beal wäre in der Hinsicht leichter an den Mann zu bringen - Wall kassiert von 2019 bis 2021 nacheinander 37,8, 40,8 und 43,8 Millionen Dollar Gehalt.
Er ist Stand jetzt zwar auch der bessere Spieler, für einen Point Guard mit Supermax-Vertrag und drei Knie-Operationen in den letzten zwei Jahren dürfte sich aber relativ schwer ein Abnehmer finden lassen.