NBA: Markelle Fultz bei den Sixers - Ein einziger, großer Scherbenhaufen

Robert Arndt
23. November 201810:42
Markelle Fultz weilt derzeit nicht bei den Philadelphia 76ers.getty
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Markelle Fultz sorgt mit seiner Abwesenheit bei den Philadelphia 76ers erneut für Schlagzeilen. Der Nr.1-Pick aus dem Jahr 2017 wirft weiterhin Fragen auf. Was läuft schief und wem ist eigentlich zu glauben? Ein Rückblick und eine Suche nach Antworten.

Kehrt jemals Ruhe ein in der Causa Markelle Fultz? Es bleibt wohl ein Wunschdenken, das beweisen die jüngsten Entwicklungen in Philadelphia. Der ehemalige Nr.1-Pick weilt aktuell nicht mehr bei den Sixers, es kursieren Gerüchte, dass Fultz einen Neuanfang bei einem anderen Team will. Was ist passiert?

Vor der Saison herrschte noch Optimismus in der Stadt der brüderlichen Liebe. In der Preseason machte Fultz, der eine mehr als enttäuschende Rookie-Saison hinter sich hatte, einen besseren Eindruck und versenkte sogar hin und wieder einen Dreier. Viel wichtiger: Das Vertrauen in den eigenen Wurf war (scheinbar) da, auch wenn es nur ein zartes Pflänzchen war.

Das war kein Zufall, schließlich holte sich Fultz in der Offseason, wohl auf Anraten von Joel Embiid, Wurfdoktor Drew Hanlen ins Boot, mit dem er den ganzen Sommer verbrachte. "Er hatte komplett vergessen, wie man wirft", berichtete Hanlen später, beteuerte aber auch, dass Fultz enorme Fortschritte mit seinem Wurf gemacht hat.

Markelle Fultz: Wo ist der Wurf?

Dieser verdammte Wurf. Seitdem Fultz erstmals einen NBA-Court betreten hatte, ist es ein wiederkehrendes Thema. Wo ist er nur hin, dieser smoothe Jumper, mit dem der Guard auf dem College gegnerische Verteidigungen terrorisierte? Es war kein Zufall, dass dieser Junge einstimmig als bestes Prospect im Land angesehen wurde.

Noch bevor Fultz an Eins gezogen wurde, trainierte er aus freien Stücken mit einem Trainer aus seiner Kindheit, Keith Williams. Der Release sollte für den NBA-Dreier ein wenig angepasst werden, damit weniger Energie für den Wurf benötigt werden würde. Aber: Ein Workout mit den Celtics soll laut The Athletic nicht gut verlaufen sein. Irgendwas stimmte mit Fultz nicht, soll man sich in Boston einig gewesen sein.

Fultz ist aber kein Anthony Bennett, der 2013 zufällig zur Nummer eins wurde. Was sich Cleveland mit diesem Pick damals dachte, fragten sich schon damals viele Experten.

Bei Fultz ist das anders. Als die Sixers für den Guard aus Washington von 3 auf 1 nach oben tradeten, wurde nicht Philly, sondern die Celtics und Danny Ainge für die Durchführung des Trades kritisiert. Nun haben die Celtics den Kings-Pick (nicht so wertvoll wie gedacht) für den kommenden Draft und in Jayson Tatum den vielleicht besten Spieler dieses Jahrgangs in den eigenen Reihen. Das Blatt hat sich um 180 Grad gewendet.

Big Three mit Simmons und Embiid passt nicht

Fans der Sixers dürften Gedankenspiele dieser Art Magenschmerzen bereiten. Fehlte in den vergangenen Playoffs nicht genau so ein Flügelspieler, der solide verteidigt und vorne die offenen Würfe trifft? Hätte, hätte, ...

Die Realität ist eine andere. Die Sixers hatten Fultz fest eingeplant, er sollte mit Ben Simmons und Embiid die neue Big Three bilden, stattdessen absolvierte er in seiner Rookie-Saison wegen anhaltender Schulterprobleme nur 14 Spiele. Nun also der nächste Versuch: Head Coach Brett Brown versuchte vor Beginn der neuen Saison, den Guard in die Starting Five zu implementieren. Die Hoffnung war, dass Fultz sich akklimatisiert und im Sommer tatsächlich Vertrauen in seinen Wurf gefunden hat und man sich schon einspielen werde, doch auch dies blieb ein Wunschtraum.

Natürlich hätte Fultz rein aus Leistungsgründen nicht starten sollen, doch er ist eben auch der erste Pick, ein großes Investment der Sixers, der die Zukunft in der Stadt der brüderlichen Liebe mitbestimmen sollte. Das Experiment, wenn man es denn so nennen mag, scheiterte jedoch krachend.

Zwischenzeitlich waren die Stats für das Trio einfach nur verheerend, es fehlte an Shooting, wodurch sich die drei Stars ständig auf den Füßen standen und sich ihrer Stärken gegenseitig beschnitten. Coach Brown hat jede Nacht die Herkules-Aufgabe, genügend Schützen für sein Team zu finden. Fultz ist offensichtlich keiner davon.

Sixers: Markelle Fultz im Teufelskreis

Wenig hilfreich waren da auch die Sixers-Fans, welche zwar stets euphorisch sind und das Wells Fargo Center teils zu einem Hexenkessel machen, aber eben auch sehr emotional agieren. Einem Spieler mit wenig Selbstvertrauen hilft es nicht, wenn erst alle 'Shoot' schreien und anschließend merklich aufraunen, wenn er den Wurf nicht nimmt.

Auch die immer wiederkehrenden Viral-Videos von merkwürdigen Freiwürfen, die bohrenden Fragen der Reporter machen es nicht leichter für Fultz, auch wenn sie definitiv gerechtfertigt sind - es ist ein kleiner Teufelskreis, aus dem sich der 20-jährige eigentlich nur selbst herausbefördern kann.

Doch hat Fultz schlicht und einfach das Werfen verlernt? Es ist schwer vorstellbar, es gibt keine vergleichbaren Fälle in der langen Geschichte der NBA. Von Hamlen hat sich Fultz inzwischen wieder getrennt. Der Shooting Coach deutete in der Folge an, dass sein ehemaliger Lehrling noch immer nicht fit ist. Die Sixers dementierten dies und blieben auch bei ihrem Standpunkt, als Fultz' Berater und Anwalt Raymond Brothers seinen Klienten für verletzt erklärte und aus dem Verkehr zog. Für kommende Woche ist ein Arzttermin in New York bei einem weiteren Spezialisten angesetzt.

Markelle Fultz: Ist auch das Handgelenk lädiert?

In Philly dürfte man ob dieser Aktion aus allen Wolken gefallen sein, entsprechend äußerte sich General Manager Elton Brand verwundert. "Aus medizinischer Sicht haben wir nichts gesehen, was ihm nicht erlaubt hätte, zu spielen", erklärte Brand gegenüber Reportern. "Er hat gestern gespielt und er hat auch vor zwei Tagen gespielt." Folglich nannte Brand auch keinen Termin für eine mögliche Rückkehr.

Es ist und bleibt bizarr. Nun vermeldete The Athletic obendrein, dass auch mit Fultz' Handgelenk etwas nicht stimmt. Soll dies die Erklärung dafür sein, dass er sich an der Freiwurflinie einer Technik bedient, die gelinde gesagt mehr als fragwürdig ist? Ist dies eine Erklärung dafür, dass es nach harter Arbeit aussieht, wenn sich Fultz die Schuhe bindet?

Gemäß The Athletic beeinträchtigen ihn die Blessuren am Handgelenk. Mit einigen Spezialisten soll sich der Guard bereits getroffen haben, um das Handgelenk zu stärken - bislang aber wohl ohne Erfolg. Mal sind die Schmerzen da, an anderen Tagen kann er befreit aufspielen.

Markelle Fultz: Seine Statistiken in der NBA

SaisonSpieleMINPTSFG%3P%FT%REBAST
2017/181418,17,140,50,047,63,13,8
2018/191922,58,241,928,656,83,73,1

Will Fultz einen Neustart woanders?

Ob dies der Wahrheit entspricht, ist schwer einzuschätzen. Es fliegen inzwischen zu viele Gerüchte durch die Medien, viele davon widersprechen sich. Vielleicht ist es tatsächlich das Beste, wenn der 20-Jährige nun ein wenig aus der Schusslinie genommen wird. Bei seinem letzten Spiel gegen Phoenix verzichtete Coach Brett Brown auf den Guard in der zweiten Halbzeit und setzte lieber auf T.J. McConnell.

Danach zog Fultz sich selbst aus dem Verkehr, auch wenn Brown seine Maßnahme als spontan bezeichnete. "Wir haben einen Impuls gebraucht und das ist geschehen. Ich weiß jetzt aber noch nicht, ob McConnell Fultz als Backup in der Zukunft ersetzen wird."

Das Camp des Point Guards nahm dem Coach diese Entscheidung dann selbst ab. Auch Trade-Gerüchte kamen auf, wonach Fultz sich einen Neustart bei einem anderem Team wünschen würde. Dies wurde aber recht schnell von Brothers dementiert.

Wahrscheinlich wären die Sixers von einem Trade inzwischen aber wohl gar nicht mehr so abgeneigt. Im Moment stimmen vor allem die Zeitpläne beider Seiten nicht mehr. Die Sixers sind ein Team im Win-Now-Modus, sie können es sich im Prinzip gar nicht erlauben, ein Projekt wie Fultz - was er mit seinen Ups and Downs definitiv ist - durch die Saison zu schleifen.

Gibt es Teams, die für Fultz traden würden?

Auch der Salary Cap wird durch den Sophomore belastet, wenn man bedenkt, wie wenig Impact Fultz eigentlich hat. Klar, er steckt in seinem Rookie-Deal, doch schon nächste Spielzeit streicht der ehemalige Top-Pick rund 10 Millionen Dollar ein. Das ist schon ein gewaltiger Batzen Geld für einen Spieler, der im Moment nicht einzuschätzen ist.

Gleiches gilt somit auch für Fultz' Tradewert. Es bräuchte wohl schon ein verzweifeltes Team, welches einen solchen Gamble eingehen würde (Washington, Detroit, Phoenix, nur um mal ein paar Beispiele zu nennen). Viel zu holen wäre für Philly wahrscheinlich nicht.

So bleibt Fultz, seine Gesundheit, sein Wurf, ein Dauerthema, welches wie eine dunkle Wolke über der Franchise schwebt. "Es ist eine verrückte Situation. Ich habe das Gefühl, in meinen ersten zwei Jahren ähnliches erlebt zu haben, aber das hier ist anders", stellte auch Embiid fest, der Fultz' größter Vertrauter im Kader der 76ers ist.

Es herrscht Ratlosigkeit in Philadelphia, nur noch wenig deutet darauf hin, dass es ein gutes Ende mit Fultz und den Sixers nimmt. Dass Agent Brothers sich nun als Anwalt des Guards bezeichnet, ist nur ein weiteres alarmierendes Zeichen, dass die Beziehung mehr als angespannt ist. Die Zeichen stehen viel mehr auf Trennung. Wie diese aussehen und wann sie vollzogen wird, bleibt aber völlig unklar. Wie so vieles bei Markelle Fultz.