Jochen Tittmar (Reporter SPOX, Fußball-"Hansel"): Ich habe bei uns ja vollkommen zu Recht kein Stück mit der wie ich höre guten NBA-Berichterstattung zu tun, aber wenn's um Nowitzki geht, lasse ich mich auch gerne nicht lumpen.
Trotz meiner gnadenlosen Unwissenheit und ja, durchaus auch regelrechten Ignoranz gegenüber den US-Sportarten, ist mir freilich zu Ohren gekommen, welch bärenstarken sportlichen wie menschlichen Eindruck Nowitzki seit etlichen Jahren in der Welt hinterlässt - und das sympathischerweise für den immergleichen Verein (oder sagt man Franchise?).
Mir gefällt an ihm besonders, und das konnte ich anhand seiner über die Jahre zahlreichen öffentlichen Auftritte abseits des Basketball-Parketts begutachten, dass er trotz seiner Erfolge, den ganzen Millionen und der mittlerweile standardisierten, aber für mich verabscheuungswürdigen Selbstinszenierung dutzender US-Sport-Hansel immer er selbst geblieben ist. Ein Mensch wie du und ich.
Nichts verkörpert das besser als sein Tweet aus dem Juli 2017. Im Jahr zuvor ließ sich noch der Kollege Dennis Schröder vor seinen beiden (!) goldenen (!!) Audi-Sportwagen ablichten. Und nun sieht man Nowitzki, dem Schröder laut meines Expertenwissens niemals das Wasser reichen wird, mitten in der Pampa auf einem uralten Fahrrad lümmeln. Auf den Gepäckträger ist ein ausgebleichter Kindersitz gespannt. Dazu schrieb er: "Everyone is posting pics from their workouts! So here it goes: summer grind on my new bike..." Absolute Weltklasse!
Dööörk - für mich ein wie es leider scheint aus der Zeit gefallener Gegenentwurf zum Otto-Normal-NBA-Spieler. Und deshalb, hier im US-Sport darf man ja englische Worte benutzen: a fucking legend.
Philipp Jakob (Redakteur SPOX): "You can't contest it. You can't guard it!" Viel besser kann man das vielleicht berühmteste Vermächtnis von Dirk Nowitzki wohl nicht zusammenfassen, auch wenn die Auswahl in dieser Hinsicht nicht gerade klein ist. Der Dirkster hat den Mavs einen Titel beschert, er hat eine komplette Position revolutioniert - und er hat einen der most unstoppable Würfe der NBA erfunden.
Jeder Basketball-Fan in Deutschland ist diese Bewegung wahrscheinlich schon einmal auf dem Freiplatz durchgegangen: Mit dem linken Bein abspringen, das rechte wird im Zurückfallen angewinkelt. Eben fast wie ein Flamingo steht man nun in der Luft, um den legendären einbeinigen Fade-Away auf die Reise zu schicken. Doch bei niemandem macht es so oft Swish wie bei Nowitzki.
Nicht bei uns auf dem Freiplatz, nicht bei LeBron James. Nicht bei Kevin Durant und nicht bei Kobe Bryant, um nur mal eine kleine Auswahl der NBA-Stars zu nennen, die sich erst den unverwechselbaren Wurf abgeschaut und dann nachgemacht haben. Warum? Weil er eben einfach nicht zu verteidigen ist, wie der King eingangs richtigerweise bemerkte.
"Das ist ein Zeichen des Respekts", erklärte LeBron vor einigen Jahren auf die Frage, warum Dirks Wurf auch in seinem Repertoire gelandet ist. "Ich habe den Wurf von ihm. Ich mache es aber nicht so gut wie er." Das macht keiner. Dennoch wird der Flamingo-Shot im Basketball wohl für immer weiterleben. Und damit auch Dirk.
Stefan Petri (Redakteur SPOX): Eigentlich wollte ich ja auch darüber schreiben, wie ich mir in meinem letzten Sommer als Student 2011 die Nächte um die Ohren geschlagen habe, mit einem unfassbaren Dirk, vor allem in der Serie gegen die Thunder. Als Serge Ibaka ihm im Gesicht herumwedelte, mit Van Gundys Spruch als Krönung. Aber den hat mir Ole schon weggeschnappt. War ja klar.
Ich verrate mal ein schmutziges Geheimnis: Zu Beginn war ich gar kein Dirk-Fan, sondern vielmehr glühender Anhänger von Jason Kidd bei den Nets. Als der dann 2008 zu den Mavs ging, war es für mich perfekt, weil ich erst dann wirklich lernte, was für einen geilen Typen wir da eigentlich in der NBA haben. Auf dem Court, vielleicht sogar noch mehr abseits des Courts. Persönlich getroffen habe ich ihn nie, auch wenn ich wegen ihm mit ein paar Kumpels vor einigen Jahren zur EM in Berlin gefahren bin.
2017 hat SPOX die größten deutschen Sportler aller Zeiten gewählt. Dirk Nowitzki stand am Ende vor den Gerd Müllers, Michael Schumachers und Boris Beckers dieser Welt.
Naja. Der Artikel ist schon lang genug. Deshalb nochmal meine Top 3 Tweets vom Dunking Deutschman.
- Als ihm ein Fan 20 Dollar schickte, damit er sich ein anständiges Mittagessen leisten kann.
- Als ihm ein Fan eine bedruckte Kartoffel schickte, damit ... keine Ahnung, ehrlich gesagt.
- Als er in der Offseason mit dem Training beginnen wollte.
Und noch mein Lieblingsclip mit Dirk von Conan O'Brien. Weil ich es kann.
Daniel Herzog (Moderator DAZN): Der 20. März 2016: Ich hatte das Glück, bei Dirks letztem 40-Punkte-Spiel anwesend zu sein. Mehr noch als das Spiel ist mir aber die Szenerie im Locker Room in Erinnerung geblieben. Natürlich wollte die halbe Welt den damals 37-Jährigen sprechen, ich aber auch. Mein Vorteil dabei war erstens, dass wir das einzige deutsche Team vor Ort waren, deshalb konnte ich den amerikanischen Kollegen also getrost den Vortritt lassen, und zweitens, dass wir am Tag davor schon ein längeres Interview mit Dirk gemacht hatten.
Er hat mich auch noch erkannt, wie ich dann merkte, als ich an der Reihe war. Das Interview lief insgesamt gut und so dachte ich mir, zum Abschluss könnte ich noch mal darauf eingehen, dass wir ja durchaus eine Art Glücksbringer für Dirk in diesen Tagen waren. "Dürfen wir wiederkommen?", war also meine abschließende Frage. Dirk setzte ein verschmitztes Grinsen auf und antwortete: "Wenn ihr nicht wieder ne Stunde braucht, gerne." Okay, vielleicht hatten wir am Tag zuvor ein kleines bisschen überzogen. Aber auch nur vielleicht! Später durfte ich Nowitzki noch ein paar Mal öfter treffen und er spricht mich heute noch auf diese Situation an. Es ist sozusagen ein Running Gag geworden: "Heute aber keine Stunde ..."
Verabschiedet hat er uns an diesem Tag übrigens mit den Worten "danke, dass ihr da wart". Nein Dirk, nicht du musst dich bei uns bedanken, sondern wir bei dir. Dafür, dass es dich gibt und dafür, dass du so bist wie du bist. Danke Dirk!