Die Brooklyn Nets sind nach vier Jahren Playoff-Abstinenz in der ersten Runde gegen die Philadelphia 76ers gescheitert. Trotz der Enttäuschung blickt man in New York optimistisch in die Zukunft. Im Sommer warten spannende Themen, wie die Free Agency von D'Angelo Russell oder die Jagd nach Stars wie Kevin Durant. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Es war sicher keine Schande, gegen die klar favorisierten Philadelphia 76ers auszuscheiden, dennoch bleibt das Gefühl, dass für Brooklyn in dieser Serie mehr drin gewesen wäre. Nach dem Sieg in Spiel 1 hielten die Nets auch in der ersten Halbzeit von Spiel 2 mit, bevor die Sixers sich mit einem 51-Punkte-Viertel das nötige Momentum verschafften.
Brooklyn verzettelte sich auch ein wenig in kleinen Privatduellen, sei es Jared Dudley gegen Ben Simmons oder die kompletten Nets gegen Joel Embiid. So hatte Brooklyn die vierte Partie eigentlich recht gut im Griff, doch nach den Ejections von Dudley und Jimmy Butler nach einer Schubserei riss der Faden und die Sixers bogen das Spiel zum vorscheidenden 3-1 um.
Es verdeutlichte aber auch die Hilflosigkeit gegen Embiid, der einfach nicht zu stoppen war. Gerade Jarrett Allen musste mächtig Lehrgeld zahlen, für einen Sophomore und früheren No.22-Pick ist dies aber keine Schande.
Sixers vs. Nets: Alle Spiele der Serie in der Übersicht
Spiel | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | Philadelphia | Brooklyn | 102:111 |
2 | Philadelphia | Brooklyn | 145:123 |
3 | Brooklyn | Philadelphia | 115:131 |
4 | Brooklyn | Philadelphia | 108:112 |
5 | Philadelphia | Brooklyn | 122:100 |
Bitterer waren da schon die Vorstellungen von Joe Harris, der als bester Dreierschütze der NBA in der Postseason keinen Fuß auf den Boden brachte (1/17 Dreier in den Spielen 2 bis 5) und Brooklyn in Spiel 4 mit 6 Fahrkarten (alle völlig offen!) aus dem Rennen schoss. Auch D'Angelo Russell, die zweite Feel-Good-Story der Nets, konnte sein All-Star-Level nicht halten und wurde von Buddy Ben Simmons fast komplett aus dem Rhythmus gebracht.
Pech hatten die Nets durch die Verletzung von Ed Davis, der nur im ersten Spiel im Vollbesitz seiner Kräfte war und die letzten beiden Partien wegen einer Knöchelverletzung verpasste. Der 29-Jährige war der beste Big Man Brooklyns, seine Präsenz unter dem Korb wurde schmerzlich vermisst.
Es hätte aber wahrscheinlich auch mit Davis nicht gereicht, wie auch Coach Kenny Atkinson zugab: "Wir waren einfach nicht gut genug", fasste der Coach die Serie recht treffend zusammen. "Wir werden jetzt den ganzen Sommer damit verbringen, um zu ermitteln, wo wir stehen und wie wir besser werden können."
Wie ist die Saison zu bewerten?
Trotz eines Debakels in Spiel 5 und der einhergehenden Enttäuschung, muss diese Saison als Erfolg gewertet werden. Vor der Spielzeit wurde noch darüber spekuliert, ob Brooklyn tanken würde, da die Nets erstmals seit dem KG-Pierce-Trade im Jahr 2013 ihren eigenen Erstrundenpick hatten. Die Franchise verneinte dies vehement und ließ Taten folgen.
Nach Jahren im Niemandsland der NBA haben die Nets wieder eine Kultur aufgebaut und sind in der Liga mehr als angesehen. Der Sieg von Harris beim Three-Point Contest war nicht nur Werbung, sondern auch die Bestätigung für die Nets, dass der eingeschlagene Weg richtig war. Die Franchise zeigte unter Anleitung von General Manager Sean Marks ein gutes Gespür für junge oder von anderen Teams abgeschriebene Spieler.
Russell, Spencer Dinwiddie oder Harris blühten alle erst in Brooklyn auf, Caris LeVert oder Allen waren absolute Steals jenseits der Lottery und auch Zweitrundenpick Rodions Kurucs zeigte in seiner Rookie-Saison vielversprechende Ansätze.
So stand am Ende mit 42 Siegen die erfolgreichste Spielzeit seit 2013/14, als Brooklyn mit seinem Star-Ensemble in den Conference Semifinals mit 1-4 an den Miami Heat scheiterte. Im Vergleich zur Saison davor wurden 14 Spiele mehr gewonnen. "Ich habe meinem Team zu dieser Saison gratuliert", lobte auch Atkinson. "In der Kabine war die Stimmung positiv, das zeigt mir, dass die Jungs verstehen, was wir diese Saison erreicht haben."
Was können die Nets in der Offseason machen?
Ob dieser Kern auch in der nächsten Saison so bestehen bliebt, ist die große Frage. Acht Spieler (wenn Allen Crabbe seine Option über 18,5 Millionen Dollar zieht) stehen für die kommende Spielzeit unter Vertrag, doch haben die Nets über 50 Millionen Dollar an Cap Space (wenn alle Free Agents nicht gehalten werden), um im Prinzip fast zwei Max-Spieler anlocken zu können.
Das macht Brooklyn natürlich auch zu einer möglichen Destination für namhafte Free Agents. Kawhi Leonard, Kevin Durant, Jimmy Butler oder Kemba Walker haben auslaufende Verträge und könnten als neue Gesichter nach Brooklyn geholt werden. Diese erfolgreiche Saison war durchaus Werbung für den Standort Brooklyn, selbst die Fans im sonst so ruhigen Barclays Center sorgten für eine großartige Atmosphäre.
Brooklyn bleibt aber natürlich auch noch Tür zwei, was bedeutet, die Truppe zusammenzuhalten. Mit Dinwiddie wurde bereits ein Schlüsselspieler zu hervorragenden Konditionen gehalten (3 Jahre, 34,4 Millionen), dazu sind LeVert (bis 2020) und Allen (bis 2021) noch in ihren Rookie-Verträgen.
Free Agents werden hingegen DeMarre Carroll, Jared Dudley, Ed Davis, Rondae Hollis-Jefferson (RFA) sowie natürlich Russell (dazu später mehr). Carroll, Dudley und Davis sind zwar keine Stars, mehr solide Ergänzungsspieler, waren in dieser Saison aber als Mentoren für die Youngster extrem wichtig, was Coach Atkinson und auch Russell immer wieder hervorhoben.
Davis wird mit Sicherheit einige lukrative Angebote erhalten, während Dudley wahrscheinlich zum Minimum gehalten werden könnte. "Ich liebe New York und habe absolut kein Problem, auch im nächsten Jahr hier zu sein", erklärte Dudley, der aber auch die Situation der Nets gut nachvollziehen kann. "In ihrer Lage würde ich die großen Fische jagen, wenn sie sich eingliedern möchten."
Ist D'Angelo Russell ein Max-Player?
Russell hat definitiv eine überragende Saison gespielt und war nach der Verletzung von LeVert das Gesicht der Franchise. Auch dank ihm erreichten die Nets die Playoffs, nun wird der 22-Jährige Restricted Free Agent. Seine guten Leistungen kamen für D-Lo zum perfekten Zeitpunkt, nun besitzt er eine herausragende Verhandlungsbasis und wird jede Menge Geld fordern.
Nur einmal zur Info: Russell kann von den Nets 158 Millionen Dollar für fünf Jahre fordern, andere Teams können lediglich vier Spielzeiten und 117 Millionen anbieten. Da Russell Restricted ist, kann Brooklyn aber jedes Angebot der Konkurrenz matchen.
Nun lässt sich darüber streiten, ob Russell einen solchen Batzen Geld wert ist. Es hätte schon eine gewisse Ironie, wenn ein Team Russell ein Offer Sheet vorlegen und Brooklyn so mit den eigenen Waffen zum Handeln zwingen würde. Die Nets ärgerten in den vergangenen Jahren schon die Miami Heat (Tyler Johnson), Portland Trail Blazers (Crabbe) und Washington Wizards (Otto Porter) mit Offer Sheets, wodurch diese ihre Free Agents überbezahlen mussten und in der Cap-Hölle landeten.
Betrachtet man es rein sportlich, ist Russell eher kein Spieler, den man mit einem Max-Vertrag ausstatten sollte. Der Guard ist natürlich immer in der Lage, heiß zu laufen, sei es aus der Distanz oder durch anspruchsvolle Floater. Dennoch hat Russells Spiel auch große Lücken. So fehlt es D-Lo an der Explosivität, große Gegenspieler nach Switches zu bestrafen, ein wichtiges Attribut für die Playoffs.
Simmons nahm Russell fast komplett aus dem Spiel und hielt den Nets-Star bei 19,4 Punkten im Schnitt und nicht einmal 36 Prozent aus dem Feld. Dass Russell auch nur 40 Prozent seiner Korbleger traf, half dabei nicht wirklich.
Das ist aber keine Generalkritik an Russell, sondern lediglich eine Erinnerung daran, dass Russell noch lange kein fertiger Spieler ist. Der Großteil seiner Zahlen lässt sich durch Shotmaking erklären, auch weil der Guard nur 2,5 Freiwürfe pro Spiel nimmt. Die Nets stehen nun vor der Frage, ob Russell in diesen Kategorien noch Luft nach oben hat oder nicht. Es kann aber auch sein, dass ein anderes Team Brooklyn diese Entscheidung abnehmen wird.
Kann Brooklyn Free Agents wie Kevin Durant anlocken?
Im Bereich des Möglichen ist das definitiv. Dazu dürften Spieler wie Dudley, Carroll oder Davis nicht gehalten werden bzw. die Cap Holds (sogenannte Platzhalter) gestrichen werden. Gleichzeitig könnte man Rondae Hollis-Jefferson ziehen lassen und auch den Vertrag von Allen Crabbe über drei Jahre stretchen. So hätten die Nets rund 40 Millionen Dollar Cap Space, unabhängig davon ob Russell gehalten wird.
Das würde reichen, um zum Beispiel Durant anzulocken. Ob man den zweifachen Finals-MVP aber zu einem Meeting bekommt, ist noch nicht anzusehen. Im Moment gelten die New York Knicks wohl als Favorit auf KD, doch Durant war schon immer recht schwierig lesen bzw. seine Intensionen nie ganz klar. Selbst ein Verbleib in der Bay Area sollte man nicht ausschließen.
Im Gegensatz zu den Knicks kann Brooklyn aber ein solides Fundament vorzeigen, welches dem Team erlaubt, mit einem neuen Star, sofort und auch in der Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Dazu haben die Nets einige kleinere Assets (Draft-Picks), einen angesehenen Coaching Staff, mit Joe Tsai einen flüssigen sowie äußerst ehrgeizigen Besitzer und natürlich den Standort New York anzubieten.
Auch wenn dies vielleicht nicht für Durant reicht, werden sich andere hochkarätige Free Agents das Paket Brooklyn genauer anschauen. Tobias Harris und Jimmy Butler konnten dies in der ersten Runde mit Philly live erleben, ansonsten wären auch Spieler wie Kemba Walker, Klay Thompson oder Kyrie Irving auf dem Markt.
Die Nets sind vielleicht nicht die erste Adresse für diese Spieler, aber Brooklyn stellt inzwischen eine echte Alternative dar. Die Free Agency 2019 wird der erste Testballon für diese These sein.