Die Milwaukee Bucks sind gegen die Toronto Raptors in den Conference Finals nach sechs Spielen ausgeschieden. Es war die erfolgreichste Saison der Bucks seit 18 Jahren, dennoch überwiegt die Enttäuschung in Wisconsin. In der Free Agency warten nun zahlreiche Baustellen, welche die Zukunft der Franchise massiv beeinflussen könnten. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Eine 2-0-Serienführung gegen die Toronto Raptors reichte den Bucks nicht. Nachdem Milwaukee in der kompletten Regular Season nur einmal zwei Spiele in Serie verloren hatte, setzte es gegen die Kanadier in den Conference Finals gleich vier Niederlagen am Stück. Das Team mit der besten Bilanz nach der Regular Season musste somit die Segel streichen.
Was in der Regular Season und in den ersten beiden Runden der Playoffs so leicht aussah, wurde von Spiel zu Spiel gegen Toronto schwieriger, weil diese sich variabler präsentierten und auf das Bucks-System mit einem Freak und vier Schützen besser reagieren konnten als andere Teams. Das heißt nicht, dass Bucks-Coach Mike Budenholzer nicht auch einige Dinge veränderte, zum Beispiel die Hereinnahme von Malcolm Brogdon in die Starting Five vor Spiel 5, doch Milwaukee fehlte offensichtlich ein Plan B gegen diese ausgebuffte, erfahrene Truppe um Roboter Kawhi Leonard.
Die fehlenden Konter wurden vor allem bei Franchise Player Giannis Antetokounmpo deutlich. Der Grieche spielte zwar deutlich mehr als in der Regular Season, seine Stats gingen aber deutlich nach unten, auch wenn 22,7 Punkte, 13,5 Rebounds sowie 5,5 Assists pro Spiel eine ordentliche Hausnummer waren. Dabei traf Giannis jedoch satte 15 Prozent schlechter aus dem Feld als noch während der regulären Saison, vor allem ab Spiel 3 ging es abwärts, als Kawhi den vermeintlichen MVP fast komplett an die Kette legte.
Giannis Antetokounmpo: Seine Statistiken 2018/19
MINS | PTS | FG% | 3P% | FT% | REB | AST | BLK | TOV | |
Saison | 32,8 | 27,7 | 57,8 | 25,6 | 72,9 | 12,5 | 5,9 | 1,5 | 3,7 |
erste 2 PO-Serien | 31,3 | 27,4 | 52,6 | 32,4 | 66,6 | 11,3 | 4,4 | 1,6 | 2,8 |
vs. Raptors | 38,5 | 22,7 | 44,8 | 33,3 | 58,3 | 13,5 | 5,5 | 2,7 | 4,2 |
Doch Leonard nahm auch auf der anderen Seite mehr als genug Einfluss. "Er weiß einfach, was er zu tun hat", musste Giannis anerkennen, als er auf Kawhis große Playoff-Erfahrung angesprochen wurde. "Er war schon mehrfach in den Finals und hat alles dafür getan, dass sein Team gewinnen konnte." Der Wille zum Sieg war selbstredend auch den Bucks nicht abzusprechen, doch die Leistungen der einzelnen Akteure waren in den letzten vier Partien zu schwankend.
Das zeigte sich nicht nur an den Zahlen der einzelnen Spieler, sondern auch an den Comebacks der Raptors in den letzten beiden Spielen. Beide Male kamen die Bucks brandheiß aus der Kabine, konnten dies aber nicht über 48 Minuten bestätigen. Je länger die Spiele dauerten, desto seltener kam der Bucks-Zug ins Rollen. Toronto nahm Giannis und Co. die Transition und somit viele leichte Punkte. In den vier Pleiten legten die Bucks gerade einmal 4,3 Zähler in der zweiten Halbzeit im Fastbreak auf, über die kompletten Playoffs waren es satte 10,3.
So war Milwaukee abhängiger von der Offense im Halbfeld, die aber von Toronto eindrucksvoll eingeschränkt wurde. Hier wurden die Bucks auch ein wenig zum Opfer ihrer eigenen Erfolge. Zusammen mit Golden State spielte das Team von Budenholzer in der regulären Saison so wenige Clutch-Minuten wie kein anderes Spitzenteam, in den Playoffs fehlte nun der Killerinstinkt, die Lösung, um Toronto zu überwinden. Zum Vergleich: Die Raptors spielten 45 Minuten mehr in engen Spielen, das ist ein gewaltiger Unterschied.
Wie ist die Saison der Milwaukee Bucks zu bewerten?
"Ich denke, dass wir eine großartige Saison gespielt haben", ließ Khris Middleton auf der Pressekonferenz nach Spiel 6 verlauten, auch wenn er und Giannis auf dem Podium ein eher trauriges Bild abgaben. "Wir haben 60 Siege geholt und die erste Runde überstanden, wo wir zuletzt immer große Probleme hatten."
Man möchte dem Forward überall zustimmen. 16 Siege mehr und dazu die ersten Serien-Gewinne in der Ära von Antetokounmpo sind achtbare Erfolge, und dennoch weiß man auch in der Cream City, dass in dieser Spielzeit wohl mehr drin gewesen wäre, nicht zuletzt weil viele Experten nach dem furiosen Spiel 2 gegen Toronto die Bucks schon als legitimen Warriors-Herausforderer wähnten.
"Es ist Erfahrung. Du musst erst einige Dinge durchmachen, um dahin zu kommen, wo du hin willst", philosophierte Middleton weiter. "Hoffentlich lernen wir daraus und verbessern uns." Es ist ein durchaus valider Punkt, fast alle Meisterschaftsteams erlebten vor dem großen Wurf Enttäuschungen, wie die Beispiele der fünf letzten Champions eindrucksvoll belegen.
Giannis Antetokounmpo hat die beste Zeit noch vor sich
Ansonsten wird Antetokounmpo wahrscheinlich den MVP-Award absahnen, auch Coach Budenholzer könnte ausgezeichnet werden. Für Milwaukee, welches seit den Zeiten von Kareem Abdul-Jabbar Anfang der 70er Jahre mit wenigen Ausnahmen ein Schattendasein in der Liga fristete, stellte diese Saison die Rückkehr auf die Landkarte der NBA dar. Bezeichnend dafür war, dass Altmeister Pau Gasol ausgerechnet in Milwaukee noch einmal eine letzte Ringjagd anstreben wollte (auch wenn der Spanier in den Playoffs dann fehlte).
Giannis ist zudem erst 24 Jahre alt und so dominant der Grieche über die fast komplette Saison aufgetreten ist, gibt es immer noch eindeutige Möglichkeiten zur Verbesserung (Wurf, Ballhandling, Post-Moves). Nun mögen nach dem Aus schon die ersten Schlagzeilen gedruckt sein, dass Antetokounmpo (Vertrag bis 2021) nicht verlängern will, doch die Bucks werden mit dem Greek Freak noch mindestens eine Chance auf den Titel haben, wahrscheinlich sogar mehr.
Um nichts anderes geht es auch Antetokounmpo, der nach dem Ausscheiden gleich einmal eine Kampfansage an die komplette Liga schickte: "Das ist erst der Beginn einer langen Reise", war sich Giannis sicher. "Wir werden uns verbessern und wir werden zurückkommen, basierend auf dem Fundament, das wir diese Saison gelegt haben. Hoffentlich sind es dann wir, die in die Finals einziehen dürfen."
Ist Khris Middleton einen Maximal-Vertrag wert?
Der zweite wichtige Baustein neben Antetokounmpo ist natürlich Middleton, der wie alle Bucks-Spieler gegen Toronto Licht und Schatten zeigte. Es war nur bedingt Werbung für den Flügelspieler, der zum 1. Juli Free Agent werden kann, wenn er seine Spieleroption in Höhe von 13,0 Millionen Dollar nicht zieht. Man muss nicht Nostradamus sein, um vorherzusehen, dass es so kommen wird.
Middleton liefert ein Skills-Paket, welches im Prinzip jedes Team gebrauchen kann. Der Flügelspieler kann für sich selbst kreieren, trifft schwierige Würfe, kann den eigenen Spielmacher entlasten und ist auf der anderen Seite des Feldes mit seiner Länge ein mehr als fähiger Verteidiger, der auch Leonard hart für seine Punkte arbeiten ließ.
Entsprechend groß wird das Interesse an Middleton sein, das ein oder andere Team wird dem Wing mit Sicherheit das volle Paket von vier Jahren und 147 Millionen Dollar anbieten. Die Bucks können dies mit den Bird-Rights noch toppen und fünf Jahre sowie 189 Millionen auf den Tisch legen. Middleton selbst betonte zuletzt immer wieder, dass er gerne bleiben würde.
Milwaukee muss Khris Middleton wohl bezahlen
"Es ist schwer, eine Mannschaft in der heutigen NBA zusammenzuhalten", sagte Middleton erst kürzlich. "Hoffentlich können wir zusammen über mehrere Jahre um den Titel spielen."
In gewisser Weise ist auch Middleton ein Faktor, ob Milwaukee alles zusammen halten kann. Fakt ist, dass der 28-Jährige kein klassischer Franchise-Spieler oder Go-to-Guy ist, aber eben eine solide bis gute zweite Option. Zu einem Max-Spieler macht ihn das nicht, aber anders als in den vergangenen Jahren gibt es mindestens sieben Teams, die über 30 Millionen Dollar an Cap Space haben. Nicht alle können Kawhi Leonard, Kevin Durant und Co. bekommen, was Middleton zu einem interessanten "Trostpreis" werden lässt.
Die Bucks können es sich eigentlich nicht leisten, Hard Ball mit Middleton zu spielen. Milwaukee ist trotz des plötzlichen Erfolges keine Destination für einen Star, einen Middleton-Ersatz würde es eher nicht geben. So werden die Bucks in den sauren Apfel beißen müssen und den früheren Zweitrundenpick mit einem satten Vertrag ausstatten, auch weil die Playoffs zeigten, dass Giannis in engen Spielen abgemeldet werden kann. Ein Shotmaker wie Middleton ist daher enorm wichtig für Milwaukee.
Was können die Bucks sonst noch in der Offseason machen?
Neben Middleton werden zudem auch noch Brook Lopez, Nikola Mirotic und Malcolm Brogdon (Restricted) Free Agents. Es erscheint unrealistisch, dass alle gehalten werden können, die Luxussteuer droht, auch mit dem Hintergrund, dass irgendwann auch Antetokounmpo nicht mehr nur "läppische" 25 Millionen verdienen wird.
Zum 1. Juli werden die Bucks wohl mit knapp 5 Millionen unter dem Salary Cap liegen, doch sollten einige der eigenen Free Agents gehalten werden, wird Milwaukee um die Luxussteuer herumtanzen. Der einfachste Weg, um Geld zu sparen, ist dabei die Entlassung von George Hill, der zwar überraschend starke Playoffs spielte, aber eben auch im kommenden Jahr 18 Millionen bekommt, wenn die Bucks ihn nicht bis zum 2. Juli entlassen. Passiert das, steht Hill nur mit einer Million in den Büchern.
So könnte Milwaukee einiges einsparen und dieses Geld für Brook Lopez verwenden. Der Center war in dieser Spielzeit ein absolutes Schnäppchen (4,3 Mio.), die Bucks werden dem Splash Mountain aber maximal die volle Midlevel-Exception von 9,2 Millionen anbieten können. Cutten die Bucks aber Hill nicht, bliebe für Lopez nur die Taxpayer-Midlevel Exception (5,7 Mio.).
Gleiches gilt für eine Verlängerung von Mirotic, für den die Bucks durch den Trade Bird-Rechte haben, sie können also über den Cap gehen. Der Spanier kassierte in Spiel 6 ein DNP, wird aber auch einige Interessenten haben und auf dem freien Markt sicherlich eine zweistellige Millionensumme pro Jahr aufrufen können. Sollten die Bucks einen Abgang eines Rotationsspielers verschmerzen können, wäre es mit Sicherheit Mirotic.
Milwaukee wird die Band zusammenhalten
Anders sieht das mit Brogdon aus, der als zusätzlicher Ballhandler enorm wertvoll war. An der Verlängerung von Eric Bledsoe (4 Jahre, 70 Millionen) wird man sich im Camp des Guards sicherlich orientieren. Da Brogdon aber Restricted ist, besteht auch die Möglichkeit, dass ein Team den bereits 26-Jährigen überbezahlt beziehungsweise ein Angebot vorlegt, bei dem Milwaukee nicht mitgehen möchte.
Als weitere Option bleibt die Qualifying Offer, die für Brogdon gerade einmal 3 Millionen beträgt. Der Spielmacher könnte dann 2020 auf den freien Markt gehen, doch aufgrund seiner vielen Verletzungen (58 verpasste Spiele in zwei Jahren) erscheint dieser Weg recht riskant. Wahrscheinlicher ist eine langfristige Einigung zwischen Milwaukee und Brogdon.
Durch all diese (möglichen) Verlängerungen bleibt den Bucks letztlich wenig Spielraum. Ein Trade-Kandidat wäre vielleicht Tony Snell, der keine große Rolle mehr spielt, aber die kommenden zwei Jahre noch insgesamt 23 Millionen bekommt. Auch über Ersan Ilyasova könnten die Bucks nachdenken, sein Wert für das Team sollte aber nicht unterschätzt werden.
Letztlich werden die Bucks versuchen, die Band zusammenzuhalten und dann mit Minimalverträgen den Kader auffüllen. Das Beispiel Gasol zeigte bereits, dass Veteranen durchaus gewillt sein könnten, sich Giannis anzuschließen.
War die Verlängerung von Eric Bledsoe ein Fehler?
Nach den Playoffs ist die diese Frage nicht unberechtigt, doch blickt man auf die Alternativen wird recht schnell klar, dass die Verlängerung von Bledsoe fast schon Pflicht war. Der Point Guard spielte eine starke Regular Season und hätte auch eine Teilnahme am All-Star Game verdient gehabt, kürzlich wurde seine Kampagne immerhin mit der Berufung ins All-Defensive First Team belohnt.
Zum Zeitpunkt der Extension wurde den Bucks für den Deal applaudiert. Viele waren davon ausgegangen, dass Bledsoe auf dem freien Markt mehr als 70 Millionen über vier Jahre bekommen könnte, zumal im letzten Vertragsjahr nur knapp 4 Mio. garantiert sind. Da ahnte aber auch noch niemand, dass Bledsoe wie schon im Jahr zuvor in den Playoffs seine guten Leistungen in keinster Weise bestätigen könne.
Über die 15 Spiele kam der Guard auf gerade einmal 13,7 Punkte und 4,3 Assists im Schnitt und traf dabei gerade einmal 41 Prozent aus dem Feld. Vor allem gegen Toronto schadete Bledsoe seiner Mannschaft, Erinnerungen an das Vorjahr und die Serie mit den Boston Celtics (Stichwort: Scary Terry) wurden wach. Die Raptors bettelten nur so darum, dass Bledsoe doch bitte werfen solle, was den Guard sichtlich verunsicherte.
Für die komplette Serie wirkte Bledsoe zögerlich, nahm seine Jumper ohne Rhythmus und penetrierte stattdessen in eine Wand von Raptors-Verteidigern. Dass Bledsoe zudem dazu neigt, gerne früh in der Shotclock lange Jumper zu nehmen, half seiner Bewertung ebenfalls nicht.
Eric Bledsoe war eine gute 3. Option - bis zu den Playoffs
Dem Spielmacher fehlte es an Selbstvertrauen, die bösen Geister der Vergangenheit schienen Bledsoe im Kopf herumzuspuken. Trotz allem bleibt der Guard ein wichtiger Baustein für Milwaukee, der mit seiner Spielweise eigentlich gut in das System von Budenholzer passt. Es ist eine Sache, wenn ein Spieler in den Playoffs immer wieder Probleme hat, da gab es in der Vergangenheit genügend andere Beispiele (unter anderem Kyle Lowry, ein weiterer kleiner Guard). Allerdings muss die Postseason auch erstmal erreicht werden und Bledsoe hatte an den 60 Siegen einen großen Anteil.
Bledsoe war hinter Giannis und Middleton die dritte Option - und dabei eine mehr als solide. Antetokounmpo braucht Spieler um sich, die aggressiv sind, zum Korb ziehen und auch mal einen Dreier (33 Prozent während der Saison) treffen können. Der letzte Eindruck mit Bledsoe war nicht so gut, aber es ist nicht zu bestreiten, dass sein Paket aus Fähigkeiten einem guten Team in den Playoffs helfen könnte.
Milwaukee hat nun wieder ein Jahr Zeit, dieses Selbstvertrauen bei Bledsoe aufzubauen. Das müssen sie wohl auch; einen Bledsoe-Trade könnten die Bucks erst ab dem 4. September durchführen.