Die San Antonio Spurs haben sich zum zweiten Mal in Folge nach der ersten Runde aus den Playoffs verabschiedet. Trotzdem war die Saison ein Erfolg - wenn man die schwierigen Umstände betrachtet. Wie es nun jedoch weitergeht, ist ungewiss. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist passiert?
Die Spurs zwangen in der ersten Runde ein Nuggets-Team, das jünger, tiefer und talentierter war, als 7-Seed in ein siebtes Spiel. Obwohl San Antonio dort dann vor allem in der ersten Halbzeit ein offensiv fürchterliches Spiel hinlegte und insbesondere DeMar DeRozan keinerlei Wurfglück hatte, robbte man sich in den letzten Minuten wieder heran und hätte das Spiel für sich entscheiden können.
Was dann passierte, war kurios: Nachdem Jamal Murray die Nuggets per Floater mit 4 in Führung gebracht hatte, verzichteten die Spurs auf eine Auszeit, stattdessen ging DeRozan zum Korb, um möglichst schnell zu verkürzen. Sein Layup wurde jedoch von Torrey Craig geblockt. Bei rund 26,5 Sekunden auf der Uhr hatten die Nuggets dann wieder den Ballbesitz.
Klare Sache also: Nun mussten die Spurs foulen oder ganz schnell den Ball klauen, um noch eine Chance zu haben. Dachte man, dachten die Spurs auf dem Court aber anscheinend nicht. Fünf Spieler schauten zu, während Gregg Popovich an der Seitenlinie fauchte und gestikulierte, aber nicht bis zu seinen Spielern durchdrang. Murray nahm noch einen Wurf, dann blieben noch rund zwei Sekunden, dann war es vorbei. Das Spiel, die Serie und damit auch die Saison der Spurs.
"Er hat offensichtlich niemanden gehört, weil er nicht gefoult hat", versuchte Coach Pop im Anschluss das eigentlich unerklärliche Verhalten von LaMarcus Aldridge, der Nikola Jokic einfach gewähren ließ, zu erklären. Aldridge selbst gab ebenfalls an, dass er aufgrund der Lautstärke nichts gehört habe.
Denver Nuggets vs. San Antonio Spurs: Alle Spiele der Serie
Datum | Spiel | Heim | Auswärts | Ergebnis |
14. April | 1 | Denver | San Antonio | 96:101 |
17. April | 2 | Denver | San Antonio | 114:105 |
19. April | 3 | San Antonio | Denver | 118:108 |
20. April | 4 | San Antonio | Denver | 103:117 |
24. April | 5 | Denver | San Antonio | 108:90 |
26. April | 6 | San Antonio | Denver | 120:103 |
28. April | 7 | Denver | San Antonio | 90:86 |
Wie schon im Vorjahr schied San Antonio somit nach der ersten Runde aus, dieses Mal hatten sie jedoch wesentlich höhere Siegchancen als im vergangenen Jahr, als man in fünf Spielen gegen die Golden State Warriors verlor. Gegen die Nuggets führte man sowohl mit 1-0 als auch mit 2-1, bevor die Nuggets vor Spiel 4 ihre Starting Five veränderten und damit ein Stück weit die Serie drehten.
Durch die Hereinnahme von Torrey Craig für Will Barton hatten die Nuggets von nun an einen weiteren starken Verteidiger auf dem Court und Gary Harris konnte sich Derrick White widmen, der zuvor bei beiden Spurs-Siegen einer der wichtigsten Faktoren gewesen war.
In Spiel 3 hatte der Zweitjahresprofi 36 Punkte für San Antonio aufgelegt. In den nun folgenden vier Partien folgten hingegen nur noch insgesamt 37, sein Impact war fortan minimal. In Game 7 nahm Popovich ihn nach drei Minuten der zweiten Hälfte vom Court und wechselte White auch nicht mehr ein.
Wie ist die Saison der Spurs zu bewerten?
Wie so oft in solchen Fällen kommt es auf den Maßstab an. Ein Erstrundenaus ist auf dem Papier kein Erfolg für die seit zwei Jahrzehnten kompetenteste Franchise der NBA, die in der Zwischenzeit fünf Titel gewonnen hat. Blickt man jedoch auf die Vorzeichen für diese Saison, verschiebt sich der Maßstab ein wenig.
Auch wenn die Serie gegen Denver gewinnbar war, war es für sich genommen schon eine Überraschung und ein Erfolg, dass die Spurs überhaupt so weit gekommen sind. Schließlich verlor die Franchise im Sommer ihre letzten beiden Ikonen (Tony Parker und Manu Ginobili) und den einstigen Fackelträger Kawhi Leonard, der für unter anderem DeRozan nach Toronto geschickt wurde.
Nun soll hier nicht (erneut) über DeRozans Spiel referiert werden und auch Jakob Pöltl entwickelte sich in San Antonio zum Starter, aber: Besser geworden sind die Spurs durch den Trade natürlich nicht, zumal sie auch noch Danny Green letztendlich verschenkten (nach wie vor kaum zu erklären). Als dann vor der Saison auch noch bekannt wurde, dass der große Hoffnungsträger Dejounte Murray diese komplett verpassen würde, flog die Hoffnung in die Spurs generell bei Vielen aus dem Fenster.
Die Spurs 18/19 hatten keinen klassischen Playmaker, keinen "modernen" Scorer, vor allem in der Starting Five kaum Shooting und mehrere individuell schlechte Verteidiger. Der wohl wichtigste Guard war in White jemand, der zuvor ganze 17 NBA-Spiele auf dem Buckel gehabt hatte.
Popovich formte trotzdem auch aus diesem Team einen Gewinner, auch wenn für Spurs-Verhältnisse ungewöhnlich schlecht verteidigt wurde (nur Platz 20 ligaweit). Die gute Offense (Platz 6) führte dennoch zu einer 48-Siege-Bilanz und damit der 22. Playoff-Teilnahme in Folge, was in der Geschichte der NBA bisher nur die Syracuse Nationals/Philadelphia 76ers mal geschafft hatten.
So konstant gut ist sonst niemand, es kommt auch kein Team in die Nähe der Spurs. Während San Antonio nie wie ein echter Contender aussah, beeindruckte die Entwicklung vieler individueller Spieler durchaus, neben White machten beispielsweise auch Bryn Forbes oder Davis Bertans riesige Fortschritte.
"Es war eine meiner angenehmeren Saisons, weil man sehen konnte, wie sich Leute entwickelt haben", sagte Popovich selbst. "Wenn wir alle ein Fazit ziehen, können wir sehen, dass wir mehr erreicht haben, als es uns die meisten Leute zugetraut hätten."
Wie lange bleibt Gregg Popovich noch Coach der Spurs?
Vor nicht allzu langer Zeit gab es noch die Spekulation, dass Pop womöglich schon nach dieser Saison aufhören und sich schon mal auf Olympia 2020 vorbereiten könnte, wo er Team USA ja erstmals als Head Coach betreuen wird. Dem hat Pop nun aber einen Riegel vorgeschoben.
Gewohnt trocken sprach der 70-Jährige kurz nach dem Saisonaus über die Aussichten: "Ich bin derzeit in Verhandlungen und könnte sehr gut entweder bei den Portofino Flyers oder den Positano Pirates landen. Ich denke, es ist ein Drittel Positano, ein Drittel Portofino und ein Drittel San Antonio. Wir werden sehen, was es wird."
Es wurden natürlich die Spurs (die anderen genannten Teams existieren nicht), Popovich hat seinen Vertrag laut ESPNfür drei weitere Jahre verlängert und bleibt damit der bestbezahlte NBA-Coach. Die offene Frage ist eher, wie lange er noch weitermacht. Die Laufzeit des Vertrags spielt insofern keine Rolle, da Pop ohnehin nach jeder Saison für sich entscheidet, ob es weitergeht - die Spurs räumen ihm diese Freiheit ein. Die kommende Saison wird seine 24. bei den Spurs sein, viel zu beweisen hat er natürlich nicht mehr.
Lediglich Don Nelson und Lenny Wilkens haben als Head Coach in der NBA mehr Regular Season-Siege geholt als er (1.245), nur Phil Jackson und Pat Riley verzeichneten mehr Playoff-Siege (170). Nur Jackson (11) und Red Auerbach (9) haben mehr Championship-Ringe gewonnen.
Wie lange Pop noch weitermachen will, liegt also komplett bei ihm - dass er den Job noch sehr gut beherrscht, bewies er in dieser Spielzeit. Äußerungen und Gerüchte über die letzten Monate legen aber nahe, dass er sich nicht mehr unbedingt ewig an der Seitenlinie sieht.
Selbst über einen Nachfolger (Bill Self? Becky Hammon?) wurde bereits an vielen Stellen sinniert. Ein "guter Tipp" ist demnach immer noch ein Ende nach den Olympischen Spielen 2020, also nach der kommenden Saison.
Was geschieht in der Offseason?
Allzu viel Spielraum haben die Spurs im Sommer nicht. 95 Millionen Dollar an Gehältern stehen bereits in den Büchern, wovon fast 54 Millionen an DeRozan und Aldridge gehen. Derzeit wird der Salary Cap für die kommende Saison auf 109 Millionen projiziert, gut 14 Millionen Dollar haben die Spurs also noch zu vergeben.
Der Kern des Teams scheint einigermaßen festzustehen und fast alle zentralen Bestandteile dieser Saison stehen auch für die kommende Saison unter Vertrag. Bei Rudy Gay ist das nicht der Fall, der Sixth Man wird Unrestricted Free Agent und dürfte mit seinem Skillset auf dem Markt durchaus umworben werden.
Nicht viele Spieler haben einen Achillessehnenriss ähnlich gut weggesteckt wie der nun 32-Jährige, auch wenn Gay gegen die Nuggets keine herausragende Serie spielte. In diesem Jahr kassierte er 10 Millionen, das dürfte auch in der kommenden Saison die Untergrenze sein.
gettyImmerhin hat San Antonio ansonsten keine allzu dringenden Personalien zu klären, Free Agents sind neben Gay nur Quincy Pondexter, Dante Cunningham und Donatas Motiejunas.
Die Spurs verfügen außerdem über zwei Erstrundenpicks, den eigenen (Nr. 19) und den aus Toronto, den die Raptors im Zuge des Leonard-Trades rüberschicken müssen. Dies ist zwar "nur" der 29. Pick, allerdings haben die Spurs in den letzten Jahrzehnten bekanntlich ziemlich oft noch gute Spieler auf den hinteren Draft-Rängen abgegriffen.
Im Großen und Ganzen ist aber damit zu rechnen, dass die Spurs in der nächsten Saison - dann hoffentlich mit einem komplett genesenen Murray - ziemlich ähnlich aussehen werden wie in dieser. Es sei denn ...
Müssen die Spurs den Rebuild einleiten?
Eigentlich gilt in der NBA das Gesetz, dass man entweder richtig gut oder richtig schlecht sein muss - Mittelmaß hingegen gilt es zu vermeiden. Denn dort hat man weder eine Chance auf den Titel noch auf einen richtig hohen Draft-Pick - und genau in dieser Situation finden sich die Spurs derzeit wieder. Sie sind bis auf Weiteres im Mittelmaß gefangen.
Die beiden Stars DeRozan und Aldridge verkörpern dies gewissermaßen. Beide sind mehrfache All-Stars und Aldridge ist auch ein regelmäßiger Gast in den All-NBA Teams, beide haben mittlerweile aber auch oft genug "bewiesen", dass keiner von ihnen eine erste Option eines Contenders ist. Mit ihrem Fokus auf die Mitteldistanz wirken sie wie Dinosaurier in einer immer Dreier-wütigeren NBA.
Gerade das Oldschool-Game von DeRozan ist nur bedingt playoff-tauglich, zumal der Swingman zu den schlechteren Verteidigern auf dem Flügel gehört. Schon in Toronto wurde ihm dies immer zum Verhängnis. Beide sind für den ganz großen Wurf nicht gut genug, gleichzeitig stehen sie mit der fraglos vorhandenen Qualität aber natürlich einem Rebuild im Weg.
Hoffnung macht in San Antonio der Backcourt aus Murray und White, wenn ersterer für die kommende Saison zurückkehrt. Beide sind defensiv elitär und dürften gegnerische Guards massiv frustrieren. Aber offensiv? Drücken wir es mal so aus: Wenn die beiden neben Aldridge und DeRozan starten, müsste der fünfte Starter eigentlich eine Kombination aus Dirk Nowitzki, Larry Bird und Stephen Curry sein, nur mit mehr Range. Whites Limitierungen gegen Defenses, die sich vermehrt auf ihn konzentrieren, konnte man ab Spiel 4 gegen Denver gut sehen. Sein Spiel braucht Platz.
Wie kommt man also raus aus dieser Lage? Vermutlich gar nicht. Popovich wird zum Ende seiner Karriere hin keinen Rebuild mehr anstreben wollen, auch wenn der Leonard-Trade eine gute Gelegenheit dafür gewesen wäre - auch damals ging San Antonio aber lieber auf den bewährten Star in DeRozan statt beispielsweise das "Projekt" in Pascal Siakam. Der jetzt übrigens bereits ein besserer und wertvollerer Spieler ist als DeRozan, aber das nur am Rande. Auch die Spurs sind nicht unfehlbar.
Man muss angesichts dessen davon ausgehen, dass die Spurs auch 2019 keinen solchen Weg einschlagen werden. Dabei bietet der Aldridge-Vertrag beispielsweise eine Option: LMAs Gehalt ist nur noch kommende Saison voll garantiert, für 20/21 sind es nur 7 Mio. an Garantien. Man könnte für ihn noch etwas bekommen - wenn man denn wollte.