1. Die Probleme der Bucks im Halbfeld
Vor gut einer Woche war man im Lager der Bucks noch allerbester Laune. Nach den ersten beiden Partien der Eastern Conference Finals stand das beste Team der regulären Saison mit einer 2-0-Führung äußerst gut da - mittlerweile ist die Stimmung jedoch ein wenig gekippt.
Nach drei Niederlagen in Folge - das gab es in der kompletten Saison 2018/19 zuvor noch nie - stehen die Bucks vor Spiel 6 in Toronto mit dem Rücken zur Wand. Ein Sieg muss her, ansonsten ist die Saison früher vorbei, als man es sich in Wisconsin erhofft hatte.
Bei der 99:105-Pleite vor eigenem Publikum in Spiel 5 waren es vor allem zwei Zahlen, die das Dilemma der Bucks in dieser Partie und teilweise auch in der kompletten Serie recht gut zusammenfassten: Laut Cleaning the Glass kam Milwaukee in der Transition auf starke 1,73 Punkte pro Possession - im Halbfeld waren es dagegen nur magere 0,83 ppp!
Können die Bucks nach gegnerischen Fehlwürfen oder Ballverlusten das Tempo erhöhen, dann haben die Raptors wenig Chancen. Dies zeigte sich vor allem in der Anfangsphase von Spiel 5, als die Hausherren zu einer frühen 18:4-Führung preschten. Nachdem die Raptors im weiteren Spielverlauf aber immer besser in die Partie kamen und sich auch defensiv schneller sortierten, wurde diese Gefahr minimiert (10 Fastbreak-Punkte der Bucks in den Vierteln zwei bis vier nach allein 10 im ersten Abschnitt, 0 im vierten Viertel).
Ein großes Problem der Bucks im Halbfeld ist das schwache Shooting. In den Conference Finals versenkt das Team von Head Coach Mike Budenholzer gerade einmal 30,3 Prozent von Downtown (11,8/39 Dreier pro Partie). Die Raptors konnten ihren Fokus in der Defense also getrost auf Giannis Antetokounmpo legen (dazu später mehr) und ihm das Leben schwer machen, von den Bucks-Scharfschützen hatten sie bisher nichts zu befürchten. Das sollte sich aus Sicht des 1-Seeds möglichst bald ändern.
2. Giannis vs. Kawhi: Das packende Duell der Franchise-Stars
Es ist keine Übertreibung, zu behaupten, dass die Ansetzung von Kawhi Leonard auf den Greek Freak in Spiel 3 die Serie gedreht hat. Nach dessen purer Dominanz in der zweiten Partie reagierte Raptors-Coach Nick Nurse und schickte von da an in Person von Leonard seinen besten Verteidiger auf Giannis. Seither konnte der Grieche an sein MVP-Level aus der regulären Saison nicht mehr ganz anknüpfen.
In den ersten beiden Spielen gegen Toronto legte Giannis noch 27 Punkte, 15,5 Rebounds sowie 5,5 Assists bei 47,2 Prozent aus dem Feld auf. In den vergangenen drei Partien sank seine Punkteausbeute allerdings auf 20,3 Zähler im Schnitt, auch die Wurf- (von 47,2 Prozent auf 45,1 Prozent) und vor allem die Freiwurfquote (von 75 Prozent auf 46,2 Prozent) ging nach unten. Dazu lieferte er sich gleich mehrere bittere Airballs von der Charity Stripe.
Neben der bärenstarken individuellen Defense von Kawhi liegen die derzeitigen "Probleme" des Bucks-Stars auch in der Help-Defense Torontos begründet. Mit Pascal Siakam, Serge Ibaka oder Marc Gasol kommt die Hilfe bei Drives oder Post-Ups des Griechen von gleich mehreren langen Verteidigern.
Die Statistiken von Giannis und Kawhi im Vergleich
Spieler | Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | Turnover | Shooting-Splits |
Giannis Antetokounmpo | 38 | 23 | 14 | 5,8 | 4,6 | 46/31/60 |
Kawhi Leonard | 41,3 | 30,4 | 8 | 3,8 | 2,6 | 45/42/92 |
Da wie bereits angesprochen die Shooter der Bucks die daraus resultierenden Freiräume nicht bestrafen, ist Toronto in der Lage, eine Mauer zwischen Giannis und dem Korb aufzubauen, die bisher selbst für den MVP-Kandidaten nur schwer zu überwinden war. Schafft er es in Spiel 6, der Partie erneut seinen Stempel aufzudrücken?
Auf der anderen Seite zeigt sich dagegen ein anderes Bild. Milwaukee hat es bisher nur bedingt geschafft, Kawhi zu stoppen - genauso wenig wie eine Beinverletzung in den vergangenen Spielen. Trotz der kraftraubenden Defensiv-Aufgabe dominiert die Klaue weiterhin in der Offense. Auch ein Adjustment der Bucks, in Spiel 5 vermehrt auf Switches zu setzen, wurde von Leonard einige Male eiskalt bestraft.
3. Raptors vs. Bucks: Welche Bank taucht auf?
Neben Leonard lieferte in Spiel 5 auch Fred VanVleet einen bärenstarken Auftritt für die Raptors ab. Nach einer zuvor eher schwachen Postseason hauchte ihm die Geburt seines zweiten Kindes offenbar neues Leben ein. Die Leistung von VanVleet steht allerdings sinnbildlich für äußerst wechselhafte Auftritte der Reservisten auf beiden Seiten in diesen Conference Finals.
Dominierte zum Auftakt der Serie und auch in Spiel 3 noch die Bucks-Bank, präsentierten sich in den vergangenen beiden Partien die Raptors-Reservisten deutlich stärker. Welche Bank in Spiel 6 den besseren Auftritt erwischt, könnte entscheidend sein. Welche das sein wird, lässt sich in Anbetracht der bisherigen Schwankungen aber nur schwer vorhersagen.
Das Auf und Ab einzelner Spieler beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Reservisten. Auch wichtige Rollenspieler wie Danny Green oder Marc Gasol auf Seiten der Raptors oder Eric Bledsoe oder Nikola Mirotic (der in Spiel 5 aus der Starting Five weitestgehend auf die Bank verbannt wurde) schwächeln.
Genau wie Khris Middleton. Beim prinzipiell zweiten Star der Bucks hinter Giannis wechseln sich ebenso starke Auftritte mit schwachen ab. Giannis wird jedoch mehr Unterstützung brauchen, wollen die Bucks der Eliminierung entgehen.
4. Elimination Games: Kein gutes Pflaster für Coach Bud
Apropos: An Elimination Games hat Bucks-Coach Mike Budenholzer keine allzu gute Erinnerungen. In allen vier Playoff-Spielen, in denen Coach Bud in seiner bisherigen Karriere mit seinen jeweiligen Teams vor dem Aus stand, hat der 49-Jährige auch tatsächlich verloren. Um in die Finals einzuziehen, müsste Milwaukee nun zwei Elimination Games in Folge gewinnen.
Dass die Bucks mit einer gewaltigen Portion Motivation in Spiel 6 in Kanada gehen, steht dabei natürlich außer Frage. "Ich will euch nicht anlügen, ich bin verärgert", gab ein sichtlich genervter Antetokounmpo nach der Pleite in Spiel 5 zu Protokoll.
Dessen Kampfansage an die Raptors: "Wir sind das beste Team der Liga. Wir werden nicht aufgeben. Wir werden (nach Toronto, Anm. d. Red.) gehen und alles geben, was wir haben. Selbst wenn sie den Ton angeben und uns ins Gesicht schlagen - wir dürfen nicht aufgeben. Wir werden angepisst nach Milwaukee zurückkehren."
5. Raptors vs. Bucks: Für wen sprechen die Statistiken?
Der Vorteil liegt nach fünf Spielen nun aber wenig überraschend auf Seiten der Raptors. Toronto fehlt nur noch ein Sieg, um die erste Finals-Teilnahme in der Franchise-Geschichte (die Raptors wurden 1995 gegründet) perfekt zu machen. Blickt man in die Historie der NBA-Playoffs, stehen die Chancen dazu gar nicht schlecht.
In 162 von insgesamt 189 Fällen (85,7 Prozent) hat es das Team, das eine 3-2-Serienführung errang, am Ende auch in die nächste Runde geschafft. Blickt man jedoch auf den genauen Verlauf der Eastern Conference Finals 2019 und den Vergleich im historischen Kontext, zeigt sich ein etwas anderes Bild.
15 Mal kam es in der Geschichte der Association bisher vor, dass ein Team in einer Best-Of-Seven-Serie die ersten beiden Partien vor eigenem Publikum gewonnen und anschließend drei Spiele in Folge verloren hat - so wie die Bucks in diesem Jahr. In acht Fällen konnten diese Teams am Ende die Serie aber dennoch für sich entscheiden.
"Das ist ein großartiges Team, gegen das wir spielen", warnte auch Raptors-Coach Nurse. "Sie sind richtig gut und tief und athletisch und lang. Das war ein richtig harter Sieg (in Spiel 5, Anm. d. Red.) und wir müssen mit einem gewaltigen Einsatz spielen." Die Bucks werden sich nicht so einfach geschlagen geben, während Toronto Nägel mit Köpfen machen will. Alles deutet für Spiel 6 auf den nächsten Krimi hin.