Unmittelbar vor dem NBA Draft (Fr., 1 Uhr live auf DAZN) ging bereits der zweite Blockbuster-Trade des NBA-Sommers über die Bühne: Mike Conley Jr. spielt von jetzt an für die Utah Jazz.SPOX blickt auf den Deal aus Sicht der beteiligten Teams und Conley selbst.
Der Trade im Detail:
Utah bekommt: Mike Conley Jr.
Memphis bekommt: Jae Crowder, Kyle Korver, Grayson Allen, Nr.23-Pick 2019, geschützter künftiger Erstrundenpick
Der Trade aus Sicht der Memphis Grizzlies
Nach Zach Randolph, Tony Allen und zuletzt im Februar Marc Gasol ist nun auch der letzte Eckpfeiler der legendären "Grit&Grind"-Ära nicht mehr in Memphis, die Grizzlies konzentrieren sich nun zu 100 Prozent auf den Rebuild - und im Gegensatz zum Gasol-Trade haben sie für Mike Conley nochmal einen durchaus üppigen Gegenwert bekommen.
Die Veteranen Jae Crowder und Kyle Korver haben beide noch Trade-Wert und könnten schon bald weiterverschifft werden. Grayson Allen und der Nr.23-Pick wiederum dürften Teile des Neuaufbaus sein. Mit dem letztjährigen Nr.4-Pick Jaren Jackson Jr. steht der eine Eckpfeiler davon schon bereit, in der Nacht auf Freitag soll beim Draft mit dem Nr.2-Pick der zweite namens Ja Morant hinzukommen.
Dem jungen Guard werden nun direkt die Geschicke der Franchise übertragen. Memphis wird in der kommenden Saison nicht viele Spiele gewinnen, 2020/21 wahrscheinlich auch nicht. In einem dieser Jahre müssen sie einen hochkarätigen Erstrundenpick an Boston abgeben (Top-6-geschützt 2020, ungeschützt 2021), was wehtut, mit diesem Trade (und möglichen weiteren) konnten sie aber einiges an Picks wieder hereinholen.
gettyDer künftige Erstrundenpick wird entweder ein später Lottery-Pick in den Jahren 2020 oder 2021 sein (unwahrscheinlich), oder ein nur noch wenig geschützter Pick zwischen 2022 und 2024 (wahrscheinlich). Sollten die Jazz also in den kommenden Jahren schwächer werden als erwartet, könnte der Pick noch wertvoller werden.
Memphis Grizzlies: Das Ende der Grit&Grind-Ära
Nicht zu unterschätzen ist auch der finanzielle Aspekt. Mit Conley in den Büchern hätten die Grizzlies trotz limitierter Qualität sogar ein Luxury-Tax-Team werden können, nun könnten sie ESPN zufolge jedoch über 40 Millionen Dollar unter der Grenze zur Verfügung haben, um ihre Free Agents Jonas Valanciunas und Delon Wright zu halten, sofern sie das möchten (in dieser Rechnung müssten sie auch Avery Bradley entlassen, dessen Gehalt nur mit 2 Mio. Dollar garantiert ist).
Alles in allem haben sich die Grizzlies schnell und effektiv für einen Rebuild positioniert. Dieser wird Zeit brauchen, in den kommenden Jahren wird Memphis aber mehrfach zwei Erstrundenpicks haben, dazu läuft nach der kommenden Saison endlich der üble Vertrag von Chandler Parsons aus.
Der Ausblick ist also durchaus positiv - auch wenn die Ära des beliebtesten Grizzlies-Teams der Geschichte endgültig beendet ist.
Der Trade aus Sicht der Utah Jazz
Bereits zur vergangenen Trade Deadline arbeiteten die Jazz intensiv an einem Trade für Conley, nun haben sie ihren Wunschspieler endlich bekommen. Der Point Guard passt offensiv wie defensiv schier ideal ins System und neben Jungstar Donovan Mitchell - er ist das Upgrade gegenüber Ricky Rubio, das Utah in den Playoffs schmerzlich vermisst hat.
Conley ist mittlerweile 31 Jahre alt, trotzdem bleibt er ein starker Verteidiger auf einem vergleichbaren Level wie Rubio, die vielleicht beste Defense der NBA wird durch seine Ankunft also nicht leiden. Vorne eröffnet der Point Guard indes ganz neue Möglichkeiten. Im Gegensatz zu Rubio strahlt er als Shooter Gefahr aus, kann mit und ohne Ball in der Hand effektiv sein.
Gute Defensiv-Teams konnten sich zuletzt arg auf Mitchell konzentrieren, weil es neben dem 22-Jährigen und Joe Ingles kaum Playmaking und wenig Shooting im Team der Jazz gab. Conley hilft bei beiden Problemen. Er kann kreieren, und im Gegensatz zu Rubio kann er die offenen Würfe, die Utah trotz aller Probleme auch in den Playoffs herausspielen konnte, tatsächlich auch treffen.
Utah Jazz: Was passiert mit Derrick Favors?
Die Rockets, gegen die Utah in den letzten beiden Playoffs jeweils ausschied, switchten nahezu alles, das wird um einiges schwieriger, wenn ein weiterer Spieler auf dem Court steht, der große, langsame Spieler einfach aussteigen lassen kann. Mit Conley können die Jazz im auf einmal viel offeneren Westen ein gefährlicheres Team stellen als in den letzten Jahren.
"Fertig" sind sie dabei noch nicht. Mit Korver und Allen ging Shooting, mit Crowder die beste Option für Small-Ball auf der Vier - beides müssen die Jazz noch adressieren. Die Mittel dafür sind limitiert; es ist gut möglich, dass man bei einem Trade im vergangenen Februar nicht ganz so viel hätte abgeben müssen (zumal man Rubios Gehalt als zentralen Bestandteil hätte nutzen können).
ESPN zufolge können die Jazz selbst dann, wenn sie den ungarantierten Vertrag von Derrick Favors auflösen (16,9 Mio. Dollar), keinen Platz für einen Max-Vertrag schaffen, für ihren angeblichen Wunschspieler Tobias Harris sind sie also wohl aus dem Rennen. Favors hat als Starting Power Forward und Backup-Center hinter Rudy Gobert ohnehin seinen Wert, vielleicht ist er jedoch zu teuer.
Wenn die Jazz ihn behalten, verfügen sie demnach nur noch über die Room Midlevel Exception in Höhe von etwa 4,8 Mio. Dollar, um Crowder zu ersetzen. Conley verdient im kommenden Jahr 32,5 Mio. und im Jahr darauf 34,5 Mio., den finanziellen Spielraum schränkt er also selbstverständlich ein. Dadurch, dass Utah effektiv drei Erstrundenpicks abgegeben hat (zählt man Allen), kommt man auch schwieriger an günstige Ergänzungen.
Mike Conley: Verletzungsrisiko besteht
Conley hatte zudem in den letzten Jahren öfter Probleme mit der Achillessehne, wenngleich er sich vergangene Saison bärenstark zurückmeldete. Dennoch bedeutet der Trade für Conley auch viel Vertrauen für seinen designierten Backup Dante Exum, dem wohl eine größere Rolle winkt - auch beim Australier sind Verletzungsprobleme aber ein altbekanntes Risiko.
Es besteht also die Gefahr, dass Utah etwas zu viel gezahlt hat. Gleichzeitig ist die Western Conference derzeit so in Flux, dass eine gewisse Risikobereitschaft angebracht zu sein scheint. Conley macht die Jazz besser, und so weit waren sie zuletzt nicht weg von der absoluten Elite im Westen.
Wie diese Elite kommende Saison aussehen wird, ist nach den Verletzungen in Golden State und den Gerüchten um die Rockets noch nicht absehbar. Die Jazz haben sich nun aber positioniert. Die Favors-Frage ist noch offen, der Kader noch nicht komplett, aber Utah könnte im Idealfall durchaus einen großen Schritt nach vorne machen - vielleicht sogar zu den meisten Siegen im Westen.
Der Trade aus Sicht von Mike Conley
Im Februar kursierten mal Gerüchte, dass Conley, sollte er schon getradet werden, nur in den Osten und explizit nicht zu den Jazz wollte, diese dementierte der Point Guard indes später. Und selbst wenn Salt Lake City vielleicht nicht sein Wunschziel war: Auch er dürfte feststellen, dass die Situation dort ihm eigentlich sehr entgegenkommt.
Conley hat in der vergangenen Saison gezeigt, dass er durchaus noch einiges im Tank hat. In den ersten Saisonmonaten spielte er gar auf All-NBA-Niveau, was mit der Zeit jedoch unterging, weil Memphis als Team einfach nicht gut genug war. Bei den Jazz könnte Conley seine Qualität noch einmal auf größerer Bühne zeigen.
Conley war noch nie All-Star (Guards im Westen haben es nicht leicht ...), 2015 gewann sein Team zuletzt eine Playoff-Serie. Beides könnte sich im kommenden Jahr ändern (letzteres ist wahrscheinlicher). Für ein letztes Hurra hätten Conley wenige Teams eine bessere Ausgangslage bieten können als die Jazz.
Die Statistiken von Mike Conley in der NBA
Saison | Spiele | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
07/08 | 53 | 9,4 | 2,6 | 4,2 | 42,8 | 33,0 |
08/09 | 82 | 10,9 | 3,4 | 4,3 | 44,2 | 40,6 |
09/10 | 80 | 12,0 | 2,4 | 5,3 | 44,5 | 38,7 |
10/11 | 81 | 13,7 | 3,0 | 6,5 | 44,4 | 36,9 |
11/12 | 62 | 12,7 | 2,5 | 6,5 | 43,3 | 37,7 |
12/13 | 80 | 14,6 | 2,8 | 6,1 | 44,0 | 36,2 |
13/14 | 73 | 17,2 | 2,9 | 6,0 | 45,0 | 36,1 |
14/15 | 70 | 15,8 | 3,0 | 5,4 | 44,6 | 38,6 |
15/16 | 56 | 15,3 | 2,9 | 6,1 | 42,2 | 36,3 |
16/17 | 69 | 20,5 | 3,5 | 6,3 | 46,0 | 40,8 |
17/18 | 12 | 17,1 | 2,3 | 4,1 | 38,1 | 31,2 |
18/19 | 70 | 21,1 | 3,4 | 6,4 | 43,8 | 36,4 |
Zumal er auch stilistisch wunderbar hineinpasst. Die Jazz legen sehr großen Wert auf Pick'n'Rolls, Conley gehört seit Jahren zu den besten Scorern aus genau diesem Play. Er kann mit dem Ball attackieren oder passen, er kann aber auch um Blöcke rennen und aus dem Catch-and-Shoot gefährlich sein, wenn die Offense über Mitchell läuft.
Vergangene Saison mussten sowohl Mitchell als auch Conley zu viel Last schultern, woran gerade bei Mitchell die Effizienz litt. Beide dürften sich in dieser Hinsicht enorm gegenseitig helfen. Conley kann dem jungen Guard zudem viel beibringen, wenn es um Decision-Making gerade in der Schlussphase geht.
Conley hätte ebenso wie Gasol gern seine Karriere in Memphis beendet, das ist nun vom Tisch. Am Beispiel seines spanischen Kumpels dürfte er jedoch gesehen haben, dass sich ein Szenenwechsel absolut lohnen kann.