Philipp Jakob (Volontär SPOX.com): "Ich mach die Dinge immer ein wenig anders. Ich habe mir gedacht, eine beeindruckende 17-65-Saison wäre ein tapferes Statement, um meine 20-jährige Karriere unter Dach und Fach zu bringen", scherzte Kobe Bryant bei den ESPYs 2016. Wenige Monate zuvor hatte Peyton Manning seine NFL-Karriere mit einem Sieg im Super Bowl beendet, Abby Wambach schloss im Jahr zuvor ihre Karriere mit dem Gewinn der Frauen-Fußball-WM ab.
Kobes Lakers beendeten die Saison 2015/16 dagegen abgeschlagen auf dem letzten Platz in der Western Conference. Die Bilanz von 17 Siegen zu 65 Pleiten war die schlechteste in der langen Historie der Franchise. Doch denkt man an Bryants letzte Saison in der Association zurück, spielt das keine Rolle. Kobe machte am 13. April 2016 in allerbester Kobe-Manier all das Vergessen.
"20 Jahre lang hat mich jeder angeschrien: 'Pass den Ball!'", sagte Bryant im Anschluss an die Partie gegen die Jazz mit einem dicken Grinsen im Gesicht. An diesem Abend, Spiel Nummer 82 im Regular-Season-Kalender der Lakers, habe aber jeder seiner Teamkollegen geschrien: "Don't pass it!"
Kobe hörte auf sie - und das vollkommen zurecht. Im November 2015 hatte er mit seinem Gedicht "Dear Basketball", mit der er später in Form eines Animationskurzfilms einen Oscar abräumte, seine Abschiedstournee aus der NBA eingeleitet. Die fand ihren Höhepunkt schließlich an jenem 13. April 2016.
In seiner letzten Partie im Staples Center, in seinem letzten Auftritt in Purple and Gold lieferte Bryant eine Show ab, die so nur von ihm kommen konnte. Wohlgemerkt nachdem er sich drei Jahre zuvor - im betagten Sportleralter von damals 35 Jahren - von einem Achillessehnenriss zurückgekämpft hatte. Sein Körper hielt den Strapazen aber nicht mehr Stand, Kobe schleppte sich teilweise durch seine letzte Saison, nur um diese mit einem Knall zu beenden.
Bryant verabschiedete sich mit 60 Punkten von der großen Bühne, drückte dabei ganze 50-mal selbst ab. Die Lakers lagen über weite Strecken der Partie gegen die Gäste aus dem Mormonenstaat im Hintertreffen, teilweise sogar mit bis zu 15 Zählern. Nummer 24 ließ sich seinen Abend jedoch nicht vermiesen.
Die Jazz versuchten, sich mit 21 Punkten im Schlussabschnitt gegen das Comeback der Lakers zu stemmen - Kobe erzielte 23! In den finalen Minuten der Partie legte er 17 Lakers-Zähler in Folge auf, mit einem langen Pull-Up-Zweier brachte Bryant 31 Sekunden vor dem Ende seine Farben schließlich auf die Siegerstraße.
Die Black Mamba ein letztes Mal im Mamba-Mode. Ein besseres Karriereende hätte sich wohl niemand für Kobe Bryant erträumen können.
Stefan Petri (Redakteur SPOX.com): Ich habe eine Weile überlegen müssen, welches Bild von Kobe mir in Erinnerung bleiben wird. Am Ende bin ich bei seinem Lächeln gelandet. Wobei es "Lächeln" nicht so ganz trifft. Eher eine Mischung aus Lächeln, Grinsen, Feixen, das Überlegenheit ausstrahlte, mal gutmütig, mal ein bisschen spöttisch, mal mit angriffslustig vorgeschobenem Unterkiefer. "Smirk" würde man im Englischen sagen, im Deutschen gibt es kein wirklich passendes Wort.
Warum? Weil dieser "Smirk" mehr sagen konnte als tausend Worte. "Aus dem Weg, alter Mann", aber auch "Stell dich hinten an, junger Hüpfer". "Du weißt genau, was jetzt kommt", oder "Ich hab dich gewarnt". Erst "Du kannst mich nicht stoppen", und danach "An mir kommst du nicht vorbei".
Ein Gesichtsausdruck, der sein Gegenüber mit folgender, unumstößlicher Tatsache konfrontierte: "Ich bin Kobe Bryant - und du nicht."
Was machte Kobe aus? Seine Athletik, seine perfekte und immer weiter perfektionierte Technik, sein Killerinstinkt, sein Kampfgeist, seine Wissbegierde, seine Liebe zu seiner Familie. Für mich war es zuallererst sein Selbstbewusstsein.
Dieses unfassbare Selbstbewusstsein, dass ihn in jungen Jahren zu den Lakers - und nur zu den Lakers - trieb. Zu insgesamt fünf Championships, die letzten beiden ohne Shaq, den dominantesten Big Man seiner Ära. Dass ihn jeden noch so schwierigen Wurf nehmen ließ, im unerschütterlichen Vertrauen darauf, dass er sein Ziel finden würde.
Dass ihn sagen ließ: "Haltet mich für verrückt, aber ich glaube immer noch, dass wir diese Serie gewinnen", als die Lakers in den Playoffs 2011 schon 0-3 gegen Dirk und die Mavericks zurücklagen.
Kobe personifizierte den Glauben an sich selbst, an die eigene Stärke, und ich glaube, dass es vor allem diese Eigenschaft war, die so faszinierte, die ihn zum Idol nachfolgender NBA-Generationen machte. Die sich in seinem Gesicht spiegelte, nein, die dort leuchtete.
"Ich bin Kobe Bryant - und du nicht."
Und deshalb wird es auch nie einen zweiten Kobe Bryant geben.