Florian Regelmann (Chefreporter SPOX.com): Ich muss spontan immer wieder an zwei für mich persönlich ganz besondere Momente denken. Der erste war am 19. Dezember 2009. Damals habe ich Kobe zum ersten Mal live spielen sehen. Die Lakers waren zu Gast im Izod Center bei den New Jersey Nets. Ich erinnere mich daran, dass an diesem Tag der unfassbarste Schneesturm aller Zeiten über New York hereinbrach und der Weg zurück in die Stadt zu einem echten Abenteuer wurde.
Ich erinnere mich, dass sich die Fans um uns herum über die Strümpfe von Josh Boone lustig machten, dass Chris Douglas-Roberts ein gutes Spiel machte, ich weiß auch nicht, warum ich das behalten habe, und dass ich so fasziniert war von der Kobe-Live-Experience.
Selbst von meinem Platz ganz oben unter dem Hallendach war Kobes Aura förmlich greifbar. Man kann es ja echt schwer beschreiben, was man spürt, wenn man zum ersten Mal live Roger Federer Tennis spielen, Tiger Woods Golf spielen oder eben Kobe Bryant Basketball spielen sieht. Es hat etwas Magisches.
Der zweite Moment, der sich in mein Gehirn eingebrannt hat, war dann 2013 der Achillessehnenriss im Spiel gegen die Warriors.
Ich kriege es einfach nicht aus dem Kopf, wie er sich die Achillessehne reißt, dann aber noch in aller Ruhe quasi auf einem Fuß die zwei Freiwürfe versenkt, ehe das Spiel für ihn vorbei ist. Und noch ohne fremde Hilfe vom Feld geht, wo andere längst den Rollstuhl bestellt hätten.
Das war einfach typisch Kobe. Das ist die Szene, die sinnbildlich für den Warrior Kobe Bryant steht. Für den Mann, der im Sommer jeden Morgen um 5 Uhr in der Trainingshalle stand, weil er wusste, was er investieren muss, um der Kobe zu sein, der er sein wollte.
Leider war er in der Folge nach der schweren Verletzung nie mehr der gleiche.
Ole Frerks (NBA-Ressortleiter SPOX.com): Meine erste bewusste Erinnerung an Kobe war nicht positiv. Ich mochte Allen Iverson und fand es 2001 ziemlich unfair, dass Bryant nicht nur größer war, sondern auch noch Shaquille O'Neal an seiner Seite hatte. Ich muss gestehen: Auch wenn ich während der Final-Serie damals erst 10 Jahre alt war, hatte ich aus heutiger Sicht Recht. Die Kombination aus Shaq und Kobe war tatsächlich unfair.
Es hat ein wenig gedauert zwischen mir und Kobe, auch in späteren Jahren. Es dauerte, bis ich seine verbissene Art irgendwann wertzuschätzen lernte. Zudem hat er sich im Lauf seiner Karriere natürlich auch charakterlich sehr entwickelt. Der "alte Mann" Kobe (etwa ab 2011), der im Gegensatz zur jüngeren Generation sehr offen war und sich (meines Eindrucks aus der Ferne nach) bei weitem nicht mehr so sehr darum scherte, was die Leute über ihn dachten, war mir dann sogar richtig sympathisch.
Der größte Kobe-Fan, den ich persönlich kenne, ist wiederum mein Bruder - deswegen ist meine Lieblings-Erinnerung an die Mamba auch mit ihm verbunden. Anfang 2013 waren wir gemeinsam in New York, um die Lakers in Brooklyn spielen zu sehen. Es war für uns beide das einzige "Kobe-Live-Erlebnis", und es war ein Besonderes. Nicht nur deshalb, weil Brooklyn damals noch weniger Fans hatte als jetzt und das Barclays Center gefühlt zu 80 Prozent mit Lakers-Fans gefüllt war.
Ich habe nachgesehen: Kobe erzielte damals 21 Punkte, traf 9/24 aus dem Feld, hatte 5 Turnover - eigentlich kein überragendes Spiel. Das Vertrauen der Lakers-Fans in ihn ist mir trotzdem hängen geblieben. Das Spiel war über weitere Strecken ein Krampf, trotzdem herrschte diese Überzeugung, dass die Mamba den Tag schon retten würde. Und natürlich sein Dunk! Über Kris Humphries und Gerald Wallace zelebrierte der 34-jährige Kobe einen der letzten richtigen Poster-Dunks seiner Karriere. Ich werde nie vergessen, wie die fremde (!) Halle in dem Moment eskaliert ist.
Natürlich wussten wir nicht, dass wenige Monate später der Achillessehnenriss folgen würde. Kobe hatte in dieser letzten relevanten Saison von ihm wirklich alles aus seinem Körper rausgeholt, ließ sich in der letzten Saisonphase quasi gar nicht mehr auswechseln. Umso wichtiger war es mir rückblickend, diese Erfahrung wenigstens einmal gemacht zu haben. Der Mann war eine Ausnahmeerscheinung.
Robert Arndt (Redakteur SPOX.com): Es gibt viele Erinnerungen, die ich mit dem Spieler Kobe Bryant verbinde, seien es die ShaKobe-Jahre oder die NBA Finals 2008 und 2010 gegen die Boston Celtics. Ich war kein Kobe-Fan, trotzdem hatte auch ich ein Kobe-Poster aus der Bravo Sport an der Wand hängen. Live konnte ich ihn dagegen nie spielen sehen.
Dafür erlebte ich Bryant in seinem zweiten Leben - als Botschafter des Sports, eine Rolle, in welcher er ein absolutes Vorbild war und die ihn von anderen Legenden hervorhob, auch wenn er diese keine vier Jahre ausfüllte. Ich nahm es ihm ab, dass ihm der Basketball wichtig ist, auch außerhalb der Grenzen der USA.
Ein Beispiel par excellence war dafür seine Pressekonferenz, die er in Peking im Rahmen des Final-Wochenendes bei der WM in China gab. Schon beim Betreten des riesigen Raums füllte er diesen komplett aus, mit einem Lächeln auf den Lippen setzte er sich auf das Podium. Gott weiß, wie viele dieser teils unsäglichen PKs er in seinem Leben absolviert hat.
Trotzdem gab er allen Anwesenden im Raum das Gefühl, dass dies nicht nur eine lästige Pflicht war. Kobe sprach in Englisch und auch Italienisch über Marc Gasol, über die Offense der Argentinier mit Facundo Campazzo, über die seiner Meinung nach ungerechtfertigte Kritik an Team USA, auch weil er im Gegensatz zu vielen anderen verstand, dass andere Nationen aufgeholt hatten. Welcher Superstar wusste auch so viel über den FIBA-Basketball wie er?
Es war beeindruckend, wie Bryant Fragen aller Art souverän beantwortete, vorbereitet war. Eine Frage zu den Tschechen oder zu den Polen? Überhaupt kein Problem und es war mitnichten eine 0815-Antwort, selbst wenn kaum jemand im Raum die genaue Frage aufgrund des brüchigen Englisch der Kollegen verstand.
Dies veränderte meine Sichtweise auf Kobe, mit dem ich trotz Poster während seiner Zeit in der NBA nie wirklich warm wurde. Dieser Mann war eloquent, fachkundig und damit das Beste aus zwei Welten. Einerseits Experte und detailversessen, andererseits ein Mann von Welt, den auch die 47-jährige Hausfrau aus Castrop-Rauxel sympathisch finden könnte - einfach ein perfekter Repräsentant der Sportart, die wir alle so lieb gewonnen haben.
Ich bin froh, dass ich diesen Menschen zumindest für eine Viertelstunde aus nächster Nähe erleben durfte. Was bleibt, ist die Erinnerung und dieses extrem unscharfe Foto, welches ich mit meinem alten Handy machen konnte - und dabei vergaß den richtigen Modus einzuschalten.