NBA - Der tiefe und plötzliche Fall des Deron Williams: Er sollte besser als Chris Paul sein

Ole Frerks
18. Dezember 202112:55
Chris Paul (l.) und Deron Williams waren über mehrere Jahre erbitterte Rivalen - und dann auf einmal nicht mehr.imago images / Icon SMI
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Noch vor rund zehn Jahren begegnete Deron Williams Chris Paul auf Augenhöhe im Duell um den Status als bester Point Guard der Liga. Doch während einer der beiden noch heute der "Point God" ist, hat sich der andere längst unrühmlich aus dem Geschäft verabschiedet. Was geschah mit D-Will?

Dieser Text erschien erstmals am 26. Juni 2020. Statt um Punkte in der NBA kämpft Deron Williams mittlerweile im Boxring. In der Nacht auf Sonntag lässt er gegen Ex-NFL-Star Frank Gore die Fäuste fliegen.

Es ist nicht lange her, da gab es eine positionelle NBA-Rivalität, die es mit Kevin Garnett vs. Tim Duncan, LeBron James vs. Kevin Durant oder Russell Westbrook vs. Damian Lillard aufnehmen konnte. Beide Protagonisten hatten ihre Fans, die im Schlaf die Argumente aufzählen konnten, warum ihr Liebling der beste (junge) Point Guard war - und der andere eben nicht.

Während andere große Rivalitäten aber im Idealfall auf Augenhöhe, vielleicht sogar in mehreren direkten Duellen "geklärt" wurden, fand diese ein anderes, sehr abruptes Ende und damit auch ein (sehr) eindeutiges Ergebnis: Chris Paul ist der bessere Spieler, der beste Point Guard der letzten 13 bis 14 Jahre. Noch heute gehört er zu den besten Aufbauspielern der Welt, absolvierte im März sein elftes All-Star Game und führte die Suns anschließend bis in die NBA Finals.

Sein einstiger Widersacher hingegen ist bereits seit über vier Jahren kein NBA-Spieler mehr - und ein All-Star war er zuletzt 2012. Deron Williams ist heute 37 Jahre alt, damit ist er nur ein knappes Jahr älter als CP3. Trotzdem ist er abgesehen von Promi-Boxkämpfen komplett von der Bildfläche verschwunden. Warum eigentlich?

Deron Williams: Der steile Weg zum Superstar

Williams' Karriere verlief zunächst sehr gradlinig. Nach einer erfolgreichen College-Karriere in Illinois meldete er sich 2005 zum Draft an und wurde von den Utah Jazz gepickt, genau einen Rang vor Paul an dritter Stelle (bis heute weiß niemand, was sich die Hawks dachten, als sie an zwei Marvin Williams zogen) - die beiden besten Spieler des Jahrgangs waren Point Guards und wurden schon vor dem jeweils ersten NBA-Spiel miteinander verglichen. Logisch, dass daraus eine Rivalität entstand.

Paul startete statistisch zwar weitaus besser und wurde Rookie des Jahres, aber schon in Jahr zwei hatte sich auch Williams das Vertrauen von Trainerlegende Jerry Sloan verdient und reifte langsam zum Franchise Player. In Jahr drei toppte er erstmals 10 Assists pro Spiel (bei knapp 20 Punkten), eine Ausbeute, die er vier Jahre in Folge verzeichnen konnte.

Paul glänzte als Basketball-Genie mit irrem Speed (ersteres ist heute noch der Fall), Williams hingegen war größer und gehörte zu den physischsten Guards seiner Zeit, konnte dazu werfen und hatte einen unfassbar gefährlichen Crossover im Arsenal. Beide begeisterten, beide wurden immer wieder aneinander gemessen, und beide hatten sich dabei stets auf dem Radar. "Er weiß alles über mein Spiel. Und ich weiß alles über seins", sagte Paul 2008 zu ESPN.

Deron Williams: Mehr Team-Erfolg als Chris Paul

Zu diesem Zeitpunkt wurde die Debatte ziemlich lautstark geführt, auch wenn die allermeisten Beobachter Paul zumindest ein Stück weit vorne sahen. Statistisch war er das ohnehin, allerdings spielten die Jazz unter Sloan stets auch einen langsameren Ball als die Paul-Teams in New Orleans.

Und der Teamerfolg favorisierte Williams: Schon als Sophomore führte er Utah in die Conference Finals und gewann auch in den drei Jahren danach immerhin zwei Playoff-Serien, CP3 hingegen gewann in allen New Orleans-Jahren lediglich eine einzige Serie.

Joe Dumars, damals General Manager der Detroit Pistons, brachte es 2008 auf den Punkt: "Sie sind die beiden besten jungen Point Guards in der Liga, eigentlich grundsätzlich die besten. Sie sind beide in der Lage, nicht nur selbst großartig zu sein, sondern auch ihre Mitspieler besser zu machen. Wenn du und ich aussuchen müssen, dann nehme ich den, den du nicht willst und bin der glücklichste Mensch im Raum."

Die Statistiken von Chris Paul und Deron Williams von 2006 bis 2010

SpielePunkteFG%3FG%ReboundsAssistsSteals
Paul26720,348,237,14,610,62,4
Williams30618,247,634,83,310,21,1

Deron Williams forcierte Wechsel zu den Nets

Doch es sollte nicht so gradlinig bleiben. Nach fünf erfolgreichen Jahren geriet Williams zunehmend mit Sloan aneinander und brachte die Jazz letztendlich dazu, ihn im Februar 2011 zu den New Jersey Nets zu traden. Damals kam ihm das entgegen, im Nachhinein erwies sich der Trade als Knick für den damals 26-Jährigen. "Ich hatte meine besten Jahre in Utah. Nicht nur mit dem Erfolg, ich hatte dort auch den größten Spaß", reflektierte D-Will später bei Bleacher Report.

Der Spaßfaktor hielt sich bei den miesen Nets hingegen in Grenzen. In seiner ersten kompletten Saison mit New Jersey wurde Williams zwar zum dritten (und letzten) Mal All-Star, sein Team gewann jedoch bloß 22 Spiele.

Dennoch verlängerte er im Sommer 2012 seinen Vertrag, obwohl ihn unter anderem auch die Dallas Mavericks unbedingt haben wollten. Zum großen Meeting mit dem Wunschspieler erschien Mavs-Besitzer Mark Cuban allerdings nicht, weil er in Los Angeles eine Folge seiner Sendung "Shark Tank" aufnehmen musste.

Paul Pierce ätzte gegen Deron Williams

Williams entschied sich dafür, das neue Projekt in Brooklyn (2012 zogen die Nets um) mitzuführen, und wurde letztlich eines der Gesichter des dortigen Misserfolgs. Trotz aller großen Töne seitens des neuen Besitzers Mikhail Prokhorov scheiterten die Nets an den eigenen Ambitionen, auch nachdem via Trade mit Kevin Garnett und Paul Pierce Championship-Erfahrung aus Boston importiert wurde.

Letzterer machte im Nachhinein vor allem Williams dafür verantwortlich. "Bevor ich dort hinkam, sah ich Deron als MVP-Kandidaten an", erklärte Pierce 2015 bei ESPN. "Aber als ich dann dort war, war zu spüren, dass er das nicht sein wollte. Er wollte es einfach nicht."

Williams habe demnach den Vertrag gewollt, aber nicht unbedingt den Status, schon gar nicht das ständige Dasein im Scheinwerferlicht der New Yorker Medien. Williams wehrte sich gegen diese Aussagen, spielerisch konnte er Pierce jedoch nur noch bedingt widerlegen. Wobei er selbst dafür eine andere Ursache nannte: Verletzungen.

"Es ist scheiße, verletzt zu sein", sagte Williams 2017 zu Bleacher Report. "Es hat mein Selbstvertrauen ruiniert, dass ich nicht tun konnte, was ich eigentlich konnte, weil ich so lange auf zwei kaputten Knöcheln gespielt habe. Es hat dazu geführt, dass ich depressiv wurde, zeitweise Basketball gehasst habe."

"Ein verdammter Playmaker" für LeBron James

Der sportliche Niedergang erfolgte schnell, dazu geriet Williams auch in Brooklyn mit Coaches (Avery Johnson und Jason Kidd) aneinander. Im Juli 2015 zog das Team die Reißleine und entließ den Spieler, der noch wenige Jahre zuvor als veritabler Superstar gegolten hatte, im Alter von nur 31 Jahren. Williams unterschrieb in Dallas und musste sich die Frage gefallen lassen, ob er dies nicht besser schon drei Jahre eher getan hätte.

Bei den Mavs spielte D-Will 2015/2016 noch eine solide Runde und erreichte die Playoffs, im Folgejahr startete Dallas allerdings (teilweise ohne Williams) mit einer grausamen 2-13-Bilanz in die Saison und verabschiedete sich direkt zum Saisonstart aus der sportlichen Relevanz. Im Februar wurde Williams per Entlassung erlöst, vier Tage später schloss er sich den Cleveland Cavaliers an.

"Wir brauchen einen verdammten Playmaker", hatte LeBron James rund einen Monat zuvor gefordert, nun kam jemand, der diese Rolle lange auf einem elitären Niveau ausgeübt hatte und LeBron von gemeinsamen Olympia-Goldmedaillen 2008 und 2012 sogar recht gut kannte.

In der Theorie brachte Williams also genau das, was der amtierende Meister haben wollte, die Realität war allerdings spätestens in den Finals gegen die Warriors dann eine andere.

D-Will: Miserable Finals mit den Cavaliers

In der Regular Season hatte sich Williams noch recht gut verkauft, in fünf Finals-Spielen gelang ihm dann 1 Punkt und 1,2 Assists in immerhin 12,2 Minuten pro Spiel. Er traf genau einen Dreier und dazu noch einen anderen Korb (Quote: 2/16 FG), war dazu auch noch eine der ausgemachten Schwachstellen in der Cavs-Defense. Nach Williams' Ansicht auch deshalb, weil er eben kein Playmaker sein sollte.

"Ich bin nicht daran gewöhnt, nur in der Ecke zu stehen und Würfe zu treffen. Das war nie meine Rolle. Ich war noch nie ein Point Guard wie Derek Fisher. Ich bin ein Rhythmus-Spieler", erklärte Williams. "Ich habe normalerweise den Ball in der Hand. Es ist nicht mein Ding, vier Minuten zu spielen und dann zwei Würfe zu nehmen, ohne irgendeinen Flow zu haben."

Als Williams dieses Interview 2017 gab, hielt er ein NBA-Comeback noch für möglich, es scheint jedoch, als würden die miserablen Eindrücke aus den 2017er Finals die letzten Eindrücke des einstmals (zweit-)besten Point Guards der Liga bleiben. Er konnte sich nicht wirklich anpassen, weshalb seine Karriere so plötzlich und eigentlich unwürdig endete.

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Deron Williams: "Basketball definiert mich nicht als Person"

Williams selbst bedauerte dies jedoch nicht. "Basketball definiert mich nicht als Person", sagte er 2017. "Wenn das meine letzte Saison war, denke ich, dass ich zurückblicken und sagen kann, dass ich eine großartige Karriere hatte. Nicht viele Jungs spielen zwölf Jahre in der NBA, gewinnen Goldmedaillen und dürfen um einen Titel mitspielen. Ich habe viel, worauf ich stolz sein kann."

Das ist ohne Zweifel richtig - selbst wenn sich seine Karriere nicht so entwickelt hat, wie es am Anfang aussah. Ebenso wenig wie die Rivalität mit Paul, die aus heutiger Sicht längst keine mehr ist.

Das direkte Duell hat Williams damals übrigens mit 17-8 gegen Paul gewonnen. Nicht, dass er sich dafür etwas kaufen könnte.