Ende Juli möchte die NBA ihren Spielbetrieb in Disney World wieder aufnehmen. Seit dem letzten Spiel wären bis dahin weit über drei Monate vergangen - höchste Zeit also, sich das Geschehen bis zur Unterbrechung wieder in Erinnerung zu rufen. SPOX beantwortet daher eine wichtige Frage für jedes der 22 beteiligten Teams.
Weiter geht's mit den Teams von P wie Philly bis W wie Washington. Teil 1 der Reihe gibt es hier, Teil 2 liegt hier.
Philadelphia 76ers (39-26, Platz 6 im Osten)
Was geschieht mit Al Horford?
Wohl kein gutes Team warf im Lauf der Saison so viele Fragen auf wie die Sixers. Die wichtigste lautet, inwieweit die vier teuersten Spieler des Kaders kompatibel sind. Offensiv kam das Quartett aus Al Horford, Tobias Harris, Joel Embiid und Ben Simmons nämlich überhaupt nicht miteinander zurecht, ein Rating von 99,7 wäre mit Abstand der schlechteste Wert der Liga.
Beschränkt man das Lineup auf die Minuten nur von Horford, Embiid und Simmons, ist das Rating sogar noch etwas schlechter. Philly kann mit diesem Personal zwar defensiv dominieren, offensiv überschneiden sich die Fähigkeiten und Wirkungsbereiche ihrer vier großen Spieler (selbst Harris ist ja eher ein Vierer) jedoch oft zu sehr. Head Coach Brett Brown reagierte kurz vor der Unterbrechung mit der Maßnahme, 109-Mio.-Dollar-Neuzugang Horford auf die Bank zu beordern, nachdem dieser zuvor sogar von Sixers-Fans ausgebuht wurde.
Man kann davon ausgehen, dass die Sixers in der Offseason versuchen werden, Horford wieder zu traden - so schwierig das auch wird - da der Fit neben Embiid einfach nicht ideal ist. In der Zwischenzeit ist aber interessanter, was Philly bis dahin mit ihm vorhat. Die Bank-Rolle zu Beginn des Spiels ist ihm wohl gewiss - aber wird er auch am Ende der Partien draußen sitzen? Und wer wäre sonst der fünfte Spieler neben den genannten drei und Josh Richardson?
Eine eigentlich logische Antwort dafür wäre Furkan Korkmaz, allerdings hat dieses Lineup (in bisher nur 27 gemeinsamen Minuten) offensiv auch nicht funktioniert (88,9). Matisse Thybulle ist offensiv limitiert, ansonsten blieben noch Zhaire Smith oder Alec Burks. Oder man versucht eben, seine Spiele über die Defense - und einer gerade noch so funktionierenden Offense - zu gewinnen.
gettyPhoenix Suns (26-39, Platz 13 im Westen)
Reicht der Kern für größere Aufgaben?
Gewissermaßen sind die Suns das Washington des Westens, nur dass sie vermutlich sogar noch weniger Chancen auf die Playoffs haben als die Wizards, obwohl ihre besten Spieler abgesehen von Kelly Oubre sogar dabei sein werden. Trotzdem geht es ausschließlich darum, den jungen Kern weiterzuentwickeln und zu evaluieren, was den Suns perspektivisch noch fehlt.
Devin Booker und Deandre Ayton sollen das junge Starduo in Arizona sein, beide befinden sich auf einem guten Weg dahin (Booker wurde 2020 zurecht erstmals All-Star), Ricky Rubio und Oubre sind bereits jetzt als gute Ergänzungen etabliert. Eine solche war in dieser Saison auch Aron Baynes, dessen Vertrag im Sommer allerdings ausläuft. Will man den Australier halten, obwohl Ayton eigentlich der Langzeit-Fünfer sein soll?
So oder so sehr erfreulich: Alle Spieler von Phoenix' bestem Heavy-Minutes-Lineup (Rubio, Oubre, Booker, Ayton, Mikal Bridges; +20,2) stehen noch mindestens ein Jahr fest bei den Suns unter Vertrag. Die Suns sind damit besser positioniert als zu jedem Zeitpunkt vermutlich seit der Steve Nash-Ära, wenn man den Ausreißer 13/14 (48 Siege) ausklammert.
Portland Trail Blazers (29-37, Platz 9 im Westen)
Wie viel Bosnian Beast steckt noch in Jusuf Nurkic?
Die Blazers wurden im Lauf der Saison wohl stärker von Verletzungen heimgesucht als jedes andere Team. Rodney Hood, Jusuf Nurkic und Zach Collins fielen allesamt lange Zeit aus. Dies führte dazu, dass die ohnehin schon nicht sehr gute Kaderplanung ganz besonders wehtat. Dass Portland in Disney World überhaupt dabei ist, liegt in allererster Linie an einer MVP-würdigen Saison von Damian Lillard.
Nun verändert sich die Kadersituation erneut. Trevor Ariza wird nicht dabei sein, dafür kommen mit Collins und Nurkic zwei potenzielle Leistungsträger zurück. Gerade Nurkic hatten die Blazers schmerzlich vermisst, auch wenn Vertreter Hassan Whiteside für seine Verhältnisse ein gutes Jahr spielte. Nurkic ist aber der bessere Verteidiger und allen voran auch der bessere Passer.
Sein Two-Men-Game mit Lillard war 2019 einer der Hauptgründe für Portlands 53-Siege-Saison, bevor er sich kurz vor den Playoffs schwer verletzte. Doch was ist nun von Nurkic zu erwarten? Und wie wird Terry Stotts die Minuten zwischen Whiteside und dem Bosnian Beast aufteilen? Vielleicht gibt es sogar eine ganz große Lösung.
Er habe es nicht ausgeschlossen, beide Center gleichzeitig aufzustellen. "Warum nicht? Dann habt ihr Jungs etwas, worüber ihr schreiben könnt", sagte der Head Coach vor wenigen Tagen zu Reportern. Läuft! Ein solches Luxusproblem ist in jedem Fall besser als die Kaderprobleme, die Portland das ganze Jahr über plagten.
Sacramento Kings (28-36, Platz 11 im Westen)
Kann Marvin Bagley sein Sophomore-Jahr retten?
Die zweite Spielzeit in der Karriere von Marvin Bagley, dem Nr.2-Pick von 2018, verlief bisher ziemlich katastrophal: Erst kostete ihn eine Daumenverletzung 22 Spiele, dann forcierte eine Fußverletzung eine weitere 29-Spiele-Pause. Nun ist der Big Man laut Eigenaussage wieder komplett fit, Head Coach Luke Walton wollte aber noch nicht eindeutig bestätigen, dass er in Disney World mit Bagley plant.
Die Kings hatten vor der Unterbrechung einen Mix gefunden, der gut funktionierte, und immerhin sieben von zehn Spielen gewonnen - während alle Welt eher über Memphis, Portland und natürlich New Orleans sprach, hatten auch sie durchaus noch Chancen auf den achten Playoff-Platz im Westen. Ihr Spielplan ist nicht ganz so entgegenkommend wie etwa der von NOLA, knüppelhart ist er jedoch auch nicht.
Bagley könnte sich nun einschalten, allerdings hat er wohl nicht auf seiner angestammten Position als Power Forward, sondern eher auf der Fünf die besten Karten, wo Sacramento abgesehen von Richaun Holmes dünner besetzt ist. Die Frage ist nur eben, ob man einen jungen Spieler nach einer so langen Verletzungspause reinwerfen kann, ohne insbesondere defensiv einiges einzubüßen.
Die Kings wollen nach 2006 zum ersten Mal wieder die Playoffs erreichen. Eigentlich sollte sich die Entwicklung ihres vielleicht talentiertesten Spielers diesem Ziel aber nicht zwingend hinten anstellen.
Die NBA-Statistiken von Marvin Bagley
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | Rebounds | Blocks |
18/19 | 62 | 25,3 | 14,9 | 50,4 | 7,6 | 1 |
19/20 | 13 | 25,7 | 14,2 | 46,7 | 7,5 | 0,9 |
San Antonio Spurs (27-36, Platz 12 im Westen)
Hat Aldridge Ewing-Theorie-Potenzial?
22 Jahre in Folge haben die Spurs die Playoffs erreicht, selbstverständlich Rekord in der NBA, allerdings geteilt mit den Nationals/76ers der Jahre 1950 bis 1971. Den alleinigen Rekord könnte es in dieser Saison theoretisch zwar geben, in der Praxis wird es allerdings kaum möglich sein, blickt man auf ihre Bilanz und die Konkurrenz um Platz 8 im Westen. Zumal mit LaMarcus Aldridge auch noch der nominell beste Spieler des Teams fehlt.
Ihre einzige Chance? Die Ewing-Theorie, nach der ein namhafter Spieler (wie Patrick Ewing) ein Team (wie die Knicks) auch mal zurückhalten kann. Der Case: Mit Aldridge auf dem Court hatten die Spurs in dieser Saison ein Net-Rating von -3,2, saß er auf der Bank, betrug der Wert +1,6. Können die Spurs jetzt also durchstarten?!
Zugegeben, das ist natürlich ein reines Strohhalm-Argument und Aldridges "Ersatzspieler" Jakob Pöltl, Trey Lyles und der nachverpflichtete Tyler Zeller werden die Produktion des siebenmaligen All-Stars eher nicht replizieren können.
Vielleicht begreift Gregg Popovich diese acht Spiele in Orlando stattdessen auch als Chance, auf seine jüngeren Spieler zu setzen und das Spiel vielleicht sogar ein wenig zu modernisieren. Langfristig würde das den Spurs eher guttun als ein wohl vergeblicher Run auf den achten Platz.
Toronto Raptors (46-18, Platz 2 im Osten)
Wer ist der Go-to-Guy?
Wie schön für die Raptors: Nun bekommen sie (wahrscheinlich) doch noch eine Chance, ihren Titel zu verteidigen. Und im Gegensatz zu nahezu jedem Zeitpunkt in dieser Saison haben sie dafür auch noch alle Spieler zur Verfügung! Abgesehen von O.G. Anunoby hatte jeder Top-7-Rotationsspieler mindestens einen Monat aussetzen müssen, jetzt hat Head Coach Nick Nurse alle Mann beisammen.
Damit kommen die Stärken des Meisters umso mehr zum Tragen: Tiefe, Erfahrung, Cleverness und allen voran eine überragende Defense, die gerade in Sachen Vielseitigkeit ligaweit ihresgleichen sucht. Toronto ist womöglich das Team, das für gegnerische Offensiven am schwierigsten zu bespielen ist, weil sie einfach keine echte Schwachstelle offenbaren.
Die Fragen stellen sich eher am anderen Ende des Courts, wo die Raptors eine mittelmäßige Saison hinlegten. Und sie beziehen sich vor allem auf Pascal Siakam: Der Kameruner hat jede Menge Spielanteile und auch die Starter-Rolle beim All-Star Game von Kawhi Leonard übernommen. Kann er jedoch auch, so wie Kawhi vergangene Saison, in engen Playoff-Matchups ein Team tragen?
Siakam hat sich in dieser Saison massiv gesteigert, fast 24 Punkte im Schnitt sprechen für sich. Die Situation in den Playoffs ist jedoch eine andere. Ist Siakam schon bereit dafür? Und wenn nicht, kann es Kyle Lowry sein oder vielleicht auch Fred VanVleet? Es gibt ein Szenario, in dem die Raptors den Osten gewinnen könnten. Vermutlich muss Siakam dafür aber endgültig zum Superstar avancieren.
Utah Jazz (41-23, Platz 4 im Westen)
Können sich Mitchell und Gobert vertragen?
Seit den Corona-Diagnosen von Rudy Gobert und wenig später Donovan Mitchell wird mal mehr, mal weniger laut über die Beziehung der beiden Jazz-Stars diskutiert, da Mitchell verärgert über das nonchalante Verhalten des Franzosen war. Wie ESPN nun ausführlich berichtet hat, verbindet die beiden schon länger eine gewisse Zwistigkeit. So soll Gobert sich beispielsweise schon ziemlich häufig darüber beschwert haben, dass Mitchell ihm nicht oft genug den Ball gibt.
Das muss nicht schlimm sein und Mitspieler müssen nicht zwingend die besten Freunde sein - aber Utah wird in der Bubble sehr genau darauf achten, wie die beiden miteinander umgehen, da sie sich in dem künstlichen Umfeld kaum aus dem Weg gehen können. Für den Rest dieser Saison wiegt der Ausfall von Bojan Bogdanovic schwer - aber mittelfristig sind Mitchell und Gobert die wichtigsten Figuren.
Zumal beide eher früher als später bezahlt werden wollen. Mitchell ist im kommenden Sommer erstmals qualifiziert für eine vorzeitige Vertragsverlängerung, unter normalen Umständen wird Utah ihm diese definitiv anbieten. Auch Gobert könnte vorzeitig verlängern, bei ihm verhält sich das Ganze jedoch etwas diffiziler, obwohl er klar zu den wertvollsten NBA-Fünfern gehört.
Die Jazz planen allem Anschein nach langfristig mit beiden Stars, dafür müssen diese aber zumindest respektvoll miteinander umgehen können, wie es vor Corona ja auch der Fall war. Daher steht in Disney World für Utah vielleicht sogar ein bisschen mehr auf dem Spiel als das unmittelbare sportliche Resultat.
Washington Wizards (24-40, Platz 9 im Osten)
Was machen wir hier eigentlich?
Schon von Beginn an wirkte es relativ absurd, dass die Wizards mit ihrer 37,5-prozentigen Siegquote überhaupt Teil der Bubble sind, in der es ja eigentlich um möglichst kleine Menschengruppen und ein möglichst geringes gesundheitliches Risiko gehen sollte. Die Chance, den großen Rückstand auf Orlando und Brooklyn in acht Spielen aufzuholen, war schließlich minimal.
Mittlerweile dürfte sie nicht existent sein. Bradley Beal und Davis Bertans sind nicht dabei, ebenso wenig wie John Wall. Primär dank ihnen holte Washington in dieser Spielzeit das zwölftbeste Offensiv-Rating, das die grottenschlechte Defense zumindest ein wenig egalisierte.
Aus deutscher Sicht darf man sich wohl zumindest auf viel Spielzeit für Moritz Wagner und Isaac Bonga freuen. Das war es aber auch, sportlich ist von den Wizards in der Welt der Magie nichts zu erwarten.