Am 30. Juli soll die NBA-Saison 19/20 fortgesetzt werden. SPOX stellt zuvor den Spieler im Fokus bei allen 22 beteiligten Teams vor. Den Anfang machen die Teams von Boston bis Milwaukee, Teil zwei erschien am Donnerstag.
Boston Celtics: Kemba Walker
Vor der Corona-Pause drehte sich bei den Celtics fast alles um Jayson Tatum. Was dabei ein wenig unter den Tisch fiel, waren die Probleme von Kemba Walker. 2020 machten ihm Probleme mit dem linken Knie zu schaffen. Schon 14 Spiele verpasste der 30-Jährige, nur einmal waren es in einer Saison mehr.
Und doch spielt Kemba seine wohl effizienteste Spielzeit. In Charlotte war Walker meist der Alleinunterhalter, nun hat er in Tatum, Jaylen Brown, Marcus Smart oder Gordon Hayward endlich die nötige Unterstützung. Es besteht keine Abhängigkeit von Walker, dennoch waren die Wochen nach der All-Star-Pause bedenklich für das Team mit Titel-Ambitionen.
Zunächst fehlte der Point Guard sechs Spiele, doch wenn er auf dem Feld stand, wirkte Kemba nicht wie Kemba. Walker legte nur 14,8 Punkte bei 30 Prozent Wurfquote auf, drei der vier Spiele gingen verloren. "Ich habe diese Pause wirklich gebraucht", gestand er bereits vor einigen Wochen. Und Boston wird Walker brauchen.
Mit ihm funktioniert die Offense noch einmal besser, dazu könnte Coach Brad Stevens Brad Wanamaker mehr auf der Bank lassen. Der Ex-Bamberger ist zwar ein solider Backup, aber auf dem höchsten Niveau überfordert.
Und noch ein wichtiger Aspekt: Walker legte gegen die Bucks in dieser Saison 40 und 32 Zähler auf. Die vergangene Spielzeit zeigte eindrucksvoll, dass die Bucks nur durch individuelles Scoring geschlagen werden können (Kawhi!). Ein Walker in Top-Form kann dies zumindest in abgeschwächter Form liefern.
gettyBrooklyn Nets: Caris LeVert
Die Nets werden in Orlando zwar antreten, allerdings sind die Erwartungen niedrig. Hier noch einmal die Ausfallliste: Kevin Durant, Kyrie Irving, Spencer Dinwiddie, DeAndre Jordan, Wilson Chandler, Taurean Prince, Nicolas Claxton. Das sind sieben Akteure und gleich sechs wichtige Rotationsspieler. Von daher dürfte die Bubble ein großes Casting für Brooklyn werden.
Vor allem Caris LeVert steht im Fokus - und zwar aus mehreren Gründen. Der Shooting Guard war vor der Unterbrechung in einer überragenden Form, unter anderem schenkte er den Celtics in Boston satte 51 Zähler ein. Es ist wahrscheinlich, dass die Nets-Offense zumeist über ihn laufen wird - auch aus Mangel an Alternativen.
Das könnte auch Implikationen für LeVerts Zukunft haben. Im Laufe der Saison gab es immer wieder Gerüchte, dass die Nets einen dritten Star holen wollen. Bradley Beal von den Washington Wizards war ein Name, der mehrfach aufkam. LeVert könnte als Gegenwert dienen. Im Sommer verlängerte der 25-Jährige noch um drei Jahre bis 2023 für relativ günstige 52 Millionen Dollar.
Er ist Brooklyn bester Chip, um Kyrie und KD namhafte Verstärkung für ein Titel-Team zu liefern. Einerseits könnte auch LeVert selbst diese Verstärkung sein, andererseits schwingt bei ihm immer ein gewisses Verletzungsrisiko (schon mehrere Fuß-OPs) mit. Überzeugt LeVert in Orlando, könnten andere Teams vielleicht darüber hinweg - und ihn als guten Gegenwert ansehen.
gettyDallas Mavericks: Luka Doncic
Captain Obvious schlägt an dieser Stelle zu, aber wollen wir nicht alle wissen, wie der Slowene sich in seiner ersten Postseason schlägt? Sollte Doncic sein Niveau der bisherigen Saison halten können, bleiben die Mavs auch in den Playoffs ein brandgefährliches Team, nicht zuletzt weil der Heimvorteil eliminiert ist.
Sollte es nicht gerade gegen die L.A.-Teams gehen, stehen die Chancen für Dallas nicht schlecht, wenn der Slowene der beste Spieler einer Serie sein kann. Dafür muss Doncic weiter fleißig Fouls ziehen, seine Effizienz in der Zone halten und obendrauf auch seinen Stepback-Dreier weiterhin so gut treffen.
Über die Saison traf er davon 34,7 Prozent, ein starker Wert, wenn man die Schwierigkeit dieser Würfe bedenkt. Im Idealfall ist dies aber nur der Rettungsanker, vor allem in engen Spielen griff Doncic zu oft darauf zurück. In solchen Situationen stagnierte die eigentlich beste Offensive der Liga, der Ball lief nicht mehr.
Dallas wird diese Saison keinen Titel gewinnen, dafür aber wertvolle Erfahrungen sammeln. Mit Ausnahme von LeBron James konnte noch nie ein maximal 21-Jähriger seinem Team als unumstrittener Anführer zumindest eine Playoff-Runde gewinnen. Womöglich gelingt es Doncic in dieser Saison.
Denver Nuggets: Michael Porter
Jetzt wird Michael Porter von der Leine gelassen! Das dachten zumindest viele, als die kommenden Restricted Free Agents Malik Beasley und Juancho Hernangomez zur Trade Deadline nach Minnesota verschifft wurden. Die Realität war jedoch eine andere. Nur einmal kam Porter danach über 20 Minuten zum Einsatz, der Rookie war weiterhin kein fester Bestandteil der Rotation von Coach Michael Malone.
Gewissermaßen verwunderte dies. Mit Nikola Jokic, Jamal Murray und Gary Harris steht das Gerüst, finanziell gibt es jedoch wenig Spielraum. Das könnte im Falle von Paul Millsap fatale Folgen haben, der Vertrag des Forwards läuft nach der Saison aus. Porter ist hier die Wildcard, schließlich besitzt der 20-Jährige vielleicht sogar das größte Potenzial im kompletten Kader, zumindest offensiv.
Porter ist ein geborener Scorer, der jederzeit in der Lage ist, sich selbst Würfe zu kreieren. Das ist eine Eigenschaft, die nicht viele Nuggets-Spieler ihr Eigen nennen dürfen, das zeigte sich unter anderem in den vergangenen Playoffs gegen die Blazers.
Denver scheint behutsam mit Porter umgehen zu wollen, auch weil er die zwei Jahre zuvor wegen Rückenverletzungen fast komplett verpasste. Dazu scheint Malone von Porters Defense weiter nicht überzeugt zu sein. Hoffnung macht immerhin eine Aussage von Malone in der Denver Post: "Es gibt eine gute Chance, dass er in den Playoffs eingesetzt wird."
Houston Rockets: Eric Gordon
Der Wert von Gordon im Rockets-System wird gerne unterschätzt. EG ist nicht nur ein Gunslinger, sondern auch ein exzellenter Verteidiger, der für das System der Rockets wie die Faust aufs Auge passt. Gordon besitzt eine enorme Körperstabilität, was es ihm erlaubt, auch größere Spieler vor sich zu halten. Das ist wertvoll für ein Team, welches bevorzugt alles switcht.
Mit Ausnahme seiner 50-Punkte-Anomalie in Utah spielt Gordon bisher jedoch eine schwache Saison, auch weil er sich zwischenzeitlich mal wieder einer Knie-OP unterziehen musste. 37 Prozent aus dem Feld sind ein unfassbar schwacher Wert, der dringend besser werden muss.
Der Trend zeigte jedoch vor der Corona-Unterbrechung in die falsche Richtung. In seinen letzten zehn Partien versenkte Gordon nur 22 Prozent seiner Dreier (16/70) und 33,5 Prozent aus dem Feld.
Wollen die Rockets mit ihrem Small-Ball-System eine Chance haben, wird ein zumindest solider Gordon benötigt. Reißt er nicht das Ruder herum, könnte es womöglich früh ein böses Erwachen geben ...
gettyIndiana Pacers: T.J. Warren
Die Pacers bekommen zu wenig Respekt für die Arbeit, welche Coach Nate McMillan und sein Stab im Hoosier State leisten. Jahr für Jahr kitzelt man verborgenes Potenzial aus seinen Spielern, sei es Domantas Sabonis, Victor Oladipo oder auch der inzwischen bei Utah unter Vertrag stehende Bojan Bogdanovic.
Der nächste Kandidat ist Warren, der in Phoenix zwar fleißig scorte, ansonsten aber recht wenig in Erscheinung trat. Bei den Pacers hat sich der Flügel aber zu einer wichtigen Stütze bei einem Playoff-Team gemausert. Mit durchschnittlich 18,7 Punkten schwang sich Warren in Abwesenheit von Oladipo, der womöglich nicht in Orlando spielen wird, zum Top-Scorer auf und überzeugte ebenso als Verteidiger im Teamverbund, wenn er nicht gerade gegen Jimmy Butler spielen musste.
Warren ist dabei ein klassischer Scorer der alten Schule, der seine Punkte vor allem durch Drives und Würfe aus der Mitteldistanz erzielt. Dass er 42 Prozent von Downtown aus der Vorsaison nicht halten würde, war anzunehmen, dafür operiert Warren vermehrt aus der Mitteldistanz und passt damit genau in das Profil der Pacers, die so wenige Dreier wie kein anderes Team nehmen.
Warrens Vertrag, welcher noch bis 2022 läuft und dem Forward rund 11 Millionen jährlich einbringt, ist für Indiana ein echtes Schnäppchen, auch im Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen mit Oladipo. Übrigens: Warren wartet mit inzwischen 26 Jahren immer noch auf sein erstes Playoff-Spiel - und das mit inzwischen 322 Regular-Season-Partien auf dem Buckel.
gettyDie NBA-Statistiken von T.J. Warren
Team | Spiele | Punkte | Rebounds | FG% | 3FG% |
Suns (2014-2019) | 261 | 14,4 | 4,1 | 49,7 | 34 |
Pacers (2019-) | 61 | 18,7 | 4 | 52,9 | 37,5 |
L.A. Clippers: Lou Williams
Was ist das beste Lineup der Clippers? Coach Doc Rivers weiß es vermutlich selbst nicht so genau. Besonders spannend ist die Personalie Lou Williams. Der Sixth Man der Clippers hielt während der Regular Season zumeist die Offensive der Bank-Unit am Laufen, so wie er es nun schon seit Urzeiten macht. Oft setzte Rivers auch in der Crunchtime auf den Premium-Scorer.
Zweifel an Williams' Playoff-Tauglichkeit auf dem allerhöchsten Niveau warf aber das Duell mit den Lakers kurz vor der Corona-Unterbrechung auf, als LeBron James Williams in der Verteidigung durch das Jagen von Mismatches immer wieder bloßstellte.
Klar ist auch, dass die meisten potenziellen Clippers-Gegner keinen Maestro vom Schlage eines LeBrons im Kader haben. Dennoch werden alle West-Teams Sweet Lou als große Schwachstelle in einer ansonsten furchteinflößenden Clippers-Defense ausgemacht haben.
Meist konnte Williams das mit seiner Offense ausgleichen, vergangene Saison übernahm er reihenweise Spiele im vierten Viertel und war nicht zu stoppen. Das war in dieser Spielzeit nicht mehr der Fall. Scorte Sweet Lou 18/19 noch fast einen Punkt pro Iso-Play, sind es in diesem Jahr nur noch 0,72 Zähler. Auch seine Pick'n'Roll-Zahlen sind im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, trotzdem bleibt er nach Kawhi Leonard und Paul George die beste Option.
Es dürfte darauf hinauslaufen, dass Williams in den ersten Runden den Stars wichtige Pausen verschaffen wird. Wenn allerdings die Eier auf den Tisch gelegt werden, dürfte Williams Probleme bekommen, auf dem Feld zu bleiben - es sei denn, der 33-Jährige erwischt ähnlich heiße Abende wie im vergangenen Jahr in der Warriors-Serie.
Los Angeles Lakers: Kentavious Caldwell-Pope
Mit Avery Bradley fehlt den Lakers ihr wohl bester Guard-Verteidiger, vermutlich werden die Kalifornier dies mit Alex Caruso und auch KCP abfangen wollen. Caldwell-Pope mag zwar in der Gunst der Lakers-Fan deutlich tiefer angesiedelt sein, doch sein Einfluss auf dem Feld ist deutlich größer.
Schnelle Guards bereiten KCP zwar Probleme, dafür könnte er mit Danny Green eine Option für gegnerische Flügel sein. Gerade gegen Paul George und Kawhi Leonard in einem möglichen Duell mit den Clippers ist das wertvoll.
Wie Green passt auch KCP in die Kaste des 3-and-D-Spezialisten, nicht zuletzt deshalb, weil der Klutch-Klient bisher einen Karrierebestwert von fast 40 Prozent aus der Distanz warf. Und wenn wir eines aus den vergangenen Jahren gelernt haben: Gute Shooter sind immer ein Erfolgsrezept für Teams, die LeBron in ihren Reihen haben.
gettyMemphis Grizzlies: DeAnthony Melton
Bei allem Hype um das junge Trio aus Ja Morant, Brandon Clarke und Jaren Jackson Jr. fielen die starken Vorstellungen von Melton ein wenig unter den Tisch. Zu Saisonbeginn schaffte es der frühere Zweitrundenpick nicht einmal in die Rotation von Coach Taylor Jenkins, seit Dezember ist Melton aber nicht mehr wegzudenken und einer der Garanten für den Aufschwung am Mississippi.
Der Guard besitzt mit Abstand das beste Net-Rating aller Rotationsspieler (6,2) und startete deswegen sogar die letzten acht Spiele vor der Corona-Unterbrechung. Die Zahlen lesen sich nicht besonders spektakulär, doch Melton kann von allem ein bisschen und weiß in der Rolle des sekundären Ballhandlers neben Morant oder Backup Tyus Jones zu überzeugen.
Melton ist zudem Memphis' bester Verteidiger für die Guard-Positionen und damit entsprechend wertvoll. Für den 22-Jährigen steht in Orlando einiges auf dem Spiel. Melton wird nach der Spielzeit Restricted Free Agent, bei guten Leistungen könnte ihn ein warmer Geldregen erwarten.
Durch die Gilbert-Arenas-Regel haben die Grizzlies zumindest den Vorteil, dass andere Teams mit einem Offer Sheet maximal Geld in Höhe der Midlevel-Exception bieten dürfen, während Memphis dem Guard beliebig viel Geld anbieten kann.
gettyMiami Heat: Duncan Robinson
Kein Team produzierte in dieser Saison eine bessere Dreierquote als Miami, was angesichts zweier All-Star-Non-Shooter (Jimmy Butler und Bam Adebayo) eigentlich verwundern sollte. Aber es gab eben Duncan Robinson, der nahezu aus dem Nichts eine der besten Shooting-Saisons aller Zeiten (wirklich!) hinlegte - obwohl ihn vor der Spielzeit selbst in Miami nicht jeder auf dem Schirm hatte.
44,8 Prozent Dreierquote bei 8,4 Versuchen pro Spiel sind schlichtweg unglaublich, nicht nur für jemanden, der vor dieser Spielzeit ganze 15 NBA-Spiele auf dem Buckel hatte. Nur Stephen Curry (2x) hat solche Werte bisher überhaupt jemals aufgelegt, in seinen beiden MVP-Saisons. Curry nahm dabei natürlich andere Würfe als Robinson, und doch war der 25-Jährige ein absoluter Schlüsselspieler dieser Heat-Saison.
Nun wird es spannend zu sehen, inwieweit er dies bestätigen kann. Shooter, die primär von der Creation anderer Spieler leben, die um Blöcke rennen oder nach Hand-Offs hochsteigen, haben es in der Postseason oft schwerer. Wenn die gegnerische Defense achtsamer (oder auch einfach: besser) wird, bieten sich viel weniger Räume. Deswegen treffen Edelschützen wie Kyle Korver oder J.J. Redick in den Playoffs traditionell schwächer als in der Regular Season.
Robinson konnte zu Beginn der Saison zudem jeden Gegner überraschen, mittlerweile dürfte er auf jedem Scouting-Bogen relativ weit oben auftauchen, weil er Miamis wichtigster Floor-Spacer ist. Und das gilt auch in umgekehrter Hinsicht: Genau wie Korver oder Redick es schon oft erlebt haben, werden andere Teams auch Robinson gezielt attackieren.
Mit 113,9 ist Robinson der Heatle mit dem höchsten individuellen Offensiv-Rating, auch das Net-Rating ist bei keinem seiner Teamkollegen besser. Wenn man ihn auf die eine oder andere Weise aus der Gleichung nimmt, verliert Miami eine seiner wichtigsten Waffen.
gettyMilwaukee Bucks: Eric Bledsoe
Zwei Jahre in Folge hat sich Bledsoe in den Playoffs nicht gerade mit Ruhm bekleckert. 2018 verzweifelte er an einer Privatfehde mit "Scary Terry" Rozier, 2019 gelangen ihm gegen die Raptors 10,2 Punkte im Schnitt und 29,4 Prozent Wurfquote (17,2 Prozent Dreier!).
Wie schon im Jahr zuvor hat sich Bledsoe in der darauffolgenden Regular Season gesteigert, schnupperte 2020 am All-Star-Status. Und wie schon im Jahr zuvor wird man trotzdem erst an Playoff-Bled glauben, wenn man ihn wirklich zu sehen bekommt. Seine Schwierigkeiten sind eins der wenigen Argumente, die gegen Milwaukees Status als Titelfavorit Nr.1 sprechen.
Die Bucks haben in George Hill einen bärenstarken Ersatz, der womöglich der beste Reservist dieser Saison war. Trotzdem bringt ein fitter Bledsoe eine andere Komponente, schon weil er zu den zwei, drei besten Point Guard-Verteidigern der Welt gehört. Dazu ist er offensiv neben Giannis Antetokounmpo Milwaukees wohl dynamischster Spieler.
Die Bucks entschieden sich vergangene Saison dazu, während der Saison langfristig lukrativ mit Bledsoe zu verlängern (zusätzliche 4 Jahre und 70 Mio. Dollar). Dafür hielt man im Sommer den scheidenden Malcolm Brogdon nicht, als dieser ein Offer Sheet in Indiana unterschrieb. War diese Entscheidung richtig?