Ein And-One-Layup zum 47:38 Mitte des zweiten Viertels ist sicherlich keiner der entscheidenden Momente eines Spiel 5 der Western Conference Finals, zeigt im Falle von Alex Carusos Korb nach Assist von LeBron James allerdings eindrucksvoll, wie der Guard seine größte Schwäche mit einer seiner Stärken versteckt und dadurch seine hohen Einsatzminuten in den Playoffs rechtfertigt.
James steht zu Beginn der genannten Aktion knapp links von der Mitte der Birne und einen halben Meter innerhalb der Dreierlinie, sein Verteidiger P.J. Dozier steht auf der Freiwurflinie. Caruso hatte gerade einen Block angeboten, den James jedoch ablehnt. Caruso muss also schleunigst aus dem Weg, mit noch knapp 8 Sekunden auf der Wurfuhr braucht James eine möglichst freie Bahn zum Korb.
Caruso bewegt sich also in die rechte Ecke des Feldes aus Lakers-Sicht, wo bereits Kyle Kuzma, Dwight Howard und ihre beiden Gegenspieler warten. Nach kurzer Verzögerung merkt Caruso, dass das Spacing der Lakers in diesem Moment den Angriff zum Scheitern verdammt. Während James zum Korb zieht und dort auf erwartet viele Gegenspieler trifft, rotiert Caruso also geistesgegenwärtig einmal die Dreierlinie entlang, zurück zur Mitte des Feldes.
Dort ist er plötzlich James' einzige Anspieloption, bekommt den Ball im Lauf, nutzt seinen Schwung, um Jamal Murray zu umkurven und legt den Ball nach Kontakt über Dozier am Korb ab, der im Halbkreis unter dem Korb steht und dafür ein Foul gepfiffen bekommt.
Alex Caruso: Was tun ohne verlässlichen Dreier?
Caruso ist, noch vor seiner Athletik, auf seine Spielintelligenz angewiesen, um der Offense der Lakers zu helfen und überhaupt spielbar für Head Coach Frank Vogel zu sein. Denn Caruso fehlt die Konstanz im Sprungwurf und er ist daher kein Three-and-D-Spieler, den LeBron traditionell mit sich auf dem Court haben will.
Der 26-Jährige muss dem Spacing der Lakers auf eine andere Weise helfen, wenn LeBron oder Anthony Davis den Ball in der Hand halten. Das gelingt Caruso mit intelligenten Cuts, Bewegung auf dem Flügel oder als Screensteller. Die Qualität, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, wissen die Lakers, allen voran James, zu schätzen.
"Unsere Chemie zusammen kommt daher, dass wir ähnlich denken", hatte der King vor dem Start der Western Conference Finals auf die Frage geantwortet, warum er und Caruso gemeinsam für solch gute Resultate sorgen. Wenn das Duo auf dem Parkett steht, erzielen die Lakers im Durchschnitt 18,6 Punkte mehr als sie zulassen, hochgerechnet auf 100 Ballbesitze.
Mit diesem Net-Rating führen James und Caruso nicht nur die NBA in dieser Saison an, es ist auch der beste Wert, den LeBron über eine Saison jemals mit einem Mitspieler hatte. Mit Dwyane Wade an seiner Seite legte James in seiner vierten MVP-Saison 2012/13 ein Net-Rating von 14,4 Punkten auf. Caruso scheint fühlt sich zudem wohl in seiner Rolle, die er sich hart erarbeitet hat.
Alex Caruso: Aus der D-League zum Lakers-Kulthelden
"Ich war schon immer gut darin, mit besseren Spielern als mir selbst zu spielen. Ich kann dann anscheinend mein Spiel auf ein höheres Level bringen", hatte Caruso mal im Instagram-Livechat mit seinem Teamkollegen Jared Dudley erklärt und schmunzelnd angefügt: "Das kann ich nicht immer, wenn ich der beste Spieler auf dem Feld bin. Zum Glück werde ich wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben der beste Spieler auf dem Feld sein."
Selbst im Nachhinein lässt sich noch behaupten, dass Caruso wohl spätestens seit dem College, bei Texas A&M, nicht mehr der beste Spieler auf dem Feld war. So war es keine Überraschung, dass er im NBA Draft 2016 nicht ausgewählt wurde und erstmal für eine ganze Saison zu den Oklahoma City Blue in die D-League (jetzt G-League) wanderte.
Von dort schaffte er zur Saison 2017-18 den Sprung in den Kader der Lakers, erstmal jedoch nur mit einem Two-Way-Contract und im Wechsel mit dem Entwicklungsteam des Teams, den South Bay Lakers. In den 62 Spielen, die Caruso von 2017-2019 in Lila und Gold spielen durfte, entwickelte er sich schnell zu einem Favoriten der Lakers-Fans.
Liebevoll, aber auch etwas hämisch gaben die Anhänger der Lakers dem schon früh vom Haarausfall betroffenen Caruso die Spitznamen "Bald Mamba" und "Bald Eagle". Caruso zeigte sich jedoch stets motiviert und sorgte mit seiner aggressiven Defense, Hustle-Plays und gelegentlichen Highlight-Dunks für etwas Freude unter den frustrierten Anhängern der Lakers, die seit 2013 nicht mehr die Playoffs erreicht hatten.
Alex Caruso: Karrierestatistiken
Saison | Spiele | Starts | Min | FG% | 3P% | FT% | Reb | Ast | Stl | Pts | |
College | Karriere | 137 | 120 | 28,7 | 45,5 | 34,0 | 68,5 | 3,7 | 4,7 | 2,0 | 8,0 |
NBA | 2017/18 | 37 | 7 | 15,2 | 43,1 | 30,2 | 70,0 | 1,8 | 2,0 | 0,6 | 3,6 |
NBA | 2018/19 | 25 | 4 | 21,2 | 44,5 | 48,0 | 79,7 | 2,7 | 3,1 | 1,0 | 9,2 |
NBA | 2019/20 | 64 | 2 | 18,4 | 41,2 | 33,3 | 73,7 | 1,9 | 1,9 | 1,1 | 5,5 |
NBA | Playoffs 2020 | 15 | 0 | 24,1 | 42,2 | 24,4 | 81,8 | 2,2 | 3,0 | 1,2 | 6,6 |
Alex Caruso: Vertrauen von LeBron, Respekt von Rihanna?
Jedoch war Caruso kein Spieler, dem viele Fans noch eine große Rolle zutrauten, sobald LeBron James und seine Mitbringsel an Veteranen die Lakers wieder zu einem Championship-Team machen würden, was immerhin schon im Sommer 2018 absehbar erschien. Carusos Zeit bei den Lakers und in der NBA insgesamt schien begrenzt auf einige gute Spiele in einem schlechten Team und einigen witzigen Geschichten, die ihm als Erinnerung bleiben würden.
So zum Beispiel, als ein Video der bekennenden LeBron-Anhängerin Rihanna im Internet seine Runden drehte, in dem die Pop-Ikone ihre Augen scheinbar kaum von Caruso nehmen konnte. Als er darauf angesprochen wurde, versprach Caruso, dem Popstar nächstes Mal ein High-Five zu geben. "Für die Kultur", hatte er mit der nötigen Selbstironie im Liuccicast erklärt, eine Anspielung auf die Rapper-Gruppe Migos.
Zum Ende der Saison 2018/19 zeigte Caruso jedoch erstmals seine gute Verbindung zu James, bevor dieser sicherheitshalber wieder geschont wurde, nachdem die Lakers den Einzug in die Playoffs verpassten. Das machte Caruso aus Sicht der Lakers auch für weitere Aufgaben interessant.
Alex Caruso: Durchgesetzt gegen LeBron-Buddies
Wer offensiv das Vertrauen von LeBron hat und defensiv genau nach den Vorstellungen von Vogel spielt, wird viele Minuten für die Lakers spielen. So stand Caruso in Spiel 5 gegen die Nuggets fast 27 Minuten auf dem Feld, beinahe gleichauf mit den Startern Danny Green und Kentavious Caldwell-Pope, erzielte 11 Punkte (5/7 FG) und verteilte 4 Assists.
Dabei waren die Verantwortlichen der Lakers sich lange Zeit unsicher, ob genug Qualität auf den Guard-Positionen im Team vorhanden war, und holten mit J.R. Smith und Dion Waiters zwei alte Bekannte von LeBron ins Team, die Playmaking und Playoff-Erfahrungen mitbrachten.
Caruso spielt in den Playoffs jedoch knapp sechs Minuten mehr pro Spiel als in der regulären Saison (24,1 zu 18,4) und legt 6,6 Punkte, 3,0 Assists und 1,2 Steals pro Spiel auf, wodurch Waiters, Smith und Quinn Cook zu Zuschauerrollen hinter Caruso und dem ebenso stark aufspielenden Rajon Rondo verdammt sind.
Caruso hat sich ein High-Five von Rihanna längst verdient, das findet auch LeBron: "Der mentale Aspekt ist das, was dich auf das nächste Level bringt. Das sehe Ich von AC und er lernt ständig dazu. Er ist einfach großartig für uns."