Oktober 2012, eine Bar irgendwo in New Hampshire. Es stehen Kartons voller Merchandise in jeder Ecke, in der Mitte des Raumes ist ein Tisch aufgestellt, weiße Tischdecke, mindestens ein Dutzend Eddings, ein paar weiße Zettel, um die Stifte zu testen. Und mittendrin: Rajon Rondo.
Glaubt man den Erzählungen, dürfte dem damaligen Celtics-Guard ein Lächeln übers Gesicht gehuscht sein, als ihm beim Meet-and-Greet mit anschließender Autogrammstunde das T-Shirt von Twitter-Nutzerin "MsSamanthaMay" ins Auge springt.
Wie diese sich einige Jahre später erinnerte, war sie die einzige, die damals ein Foto mit Rondo machen durfte, wohl vor allem, weil ihr Shirt zu gefallen wusste. "Halte es straff, damit man den Schriftzug besser sieht", soll Rondo zu ihr gesagt haben, bevor beide für einen Schnappschuss in die Kamera lächelten.
Der Zeigefinger von Rondos riesiger linker Pranke zeigte auf den Schriftzug, als wolle er die Bedeutung der Botschaft nochmals unterstreichen. "LeBron is a bitch", stand dort in weißen Lettern auf Celtics-grünem Hintergrund. Die Übersetzung sparen wir uns an dieser Stelle.
Celtics vs. LeBron James: Der Beginn der Rivalität
Ziemlich genau acht Jahre ist das Foto mittlerweile alt, es wirkt allerdings, als stamme es aus einer anderen Epoche. Heute kämpft ebendieser Rondo mit ebenjenem LeBron Seite an Seite um die Championship. In einem Lakers-Trikot. Vor gut einer Dekade beides undenkbar.
Inmitten LeBrons Aufstieg zum Superstar bildete sich im Sommer 2007 in Boston ein Gegner, der sich zum größten Rivalen des Kings in den folgenden fünf Jahren entwickeln sollte. Mit den Trades für Kevin Garnett und Ray Allen legten die Celtics in jener Offseason den Grundstein für ihre Big Three, die sich einige legendäre Playoff-Schlachten mit LBJ lieferte.
Alles begann in den Eastern Conference Finals 2008, als James den Makel einer 0-4-Pleite in den Vorjahres-Finals gegen die Spurs bereinigen wollte. Doch es waren die Celtics mit dem erst 21 Jahre alten Rondo in seinem zweiten Jahr in der NBA, die ihm einen Strich durch die Rechnung machten.
Über sieben Spiele rang Boston LeBron und Co. nieder, auch dessen 45 Punkte im Entscheidungsspiel reichten nicht. Paul Pierce, der schon Jahre zuvor gewisse Animositäten gegenüber LBJ entwickelt hatte, hielt mit 41 Zählern dagegen. Wenige Wochen später holten sich die Kobolde die Championship - gegen die Lakers.
Celtics vs. Heat: Dreckiges Play von Wade gegen Rondo?
Zwei Jahre später kam es zum neuerlichen Duell zwischen den Cavs und Celtics in den Playoffs, erneut endete die Angelegenheit für LeBron äußerst bitter, dieses Mal bereits in Runde zwei und nach sechs Partien. In Spiel 5 schossen die Celtics Cleveland in deren Halle mit 32 Punkten Differenz ab, LeBron legte nur 15 Punkte bei 3/14 aus dem Feld auf und kassierte ein Pfeifkonzert von den eigenen Fans. Rondo auf der anderen Seite hatte die Big Three der Celtics mit spektakulären Playoff-Auftritten mittlerweile zu einer Big Four erweitert.
Es passte irgendwie, dass es die Celtics waren, die mit dieser Playoff-Serie das unrühmliche (vorläufige) Ende von LeBrons Karriere im Cavs-Trikot besiegelten. Im Sommer 2010 gründete James seine eigene Big Three am South Beach, die Rivalität mit Boston blieb. "Du willst nicht immer vom gleichen Team geschlagen werden", sagte der emotionale James, nachdem ihm in den Playoffs 2011 endlich die Revanche gegen Boston geglückt war.
Die Celtics allerdings machten auch eine Ellbogenverletzung von Rondo für das Aus verantwortlich, die aus einem vermeintlich dreckigen Play von Dwyane Wade - mit dem Heat-Star eckte Rondo Jahre später auch in gemeinsamen Bulls-Tagen an - resultierte. Rondo war nach der Verletzung in Spiel 3 nicht mehr derselbe, Miami machte in fünf Spielen den Sack zu.
Rajon Rondo: Der überragende Mann der Playoffs 2012
Wiederum ein Jahr später kam es in den Conference Finals zur Neuauflage des Duells, mittlerweile hatte Rondo neben den alternden Pierce, Garnett und Allen die Führungsrolle übernommen.
Er war nicht mehr nur der Point Guard, der seine Mitspieler mit seinem hervorragenden Passing und seiner Übersicht in Szene setzte, Rondo suchte vermehrt den eigenen Abschluss und schwang sich teilweise zum überragenden Mann der Postseason auf. In Spiel 2 gegen die Heat legte der damals 25-Jährige 44 Punkte, 10 Assists und 8 Rebounds in einer Niederlage auf.
Boston gewann allerdings nach einem 0-2-Rückstand die nächsten drei Partien, gefolgt von LeBrons Meisterstück mit 45 Zählern in Spiel 6. In der finalen Partie der Serie legte Rondo zwar ein Triple-Double auf, doch LeBron war ein weiteres Mal zu stark. Kurz darauf holte er sich seinen ersten Titel.
LeBron James vs. Rondo - und verbitterte Celtics
Die Celtics blicken teilweise heute noch mit Verbitterung auf diese Serie zurück. "Die Liga wusste, dass sie eine Agenda hatte und wir waren kein Teil davon. So haben sie die Serie gewonnen. Er ist nicht nach Miami gegangen, damit es so endet wie in Cleveland, versteht ihr?", sagte Garnett im Dezember 2019 im Podcast mit Bill Simmons von The Ringer.
"Wir hatten keine Angst vor LeBron und wir haben nicht geglaubt, dass er uns schlagen kann", so KG weiter. "Er hat sich [mit den Heat] zusammengetan, weil er den Druck nicht spüren wollte." Wie schon einige Jahre zuvor hätten die Celtics es auch 2012 geschafft, in LeBrons Kopf zu kommen. "Wir haben ihn gebrochen", war sich Garnett sicher. Zumindest nach Spiel 5 und der 3-2-Führung.
Zu diesem Zeitpunkt war die Abneigung der Spieler untereinander bereits ausgeprägt. "Wenn du D-Wade, LeBron und Chris Bosh in der einen Ecke hattest, dann waren ich, Tony Allen, Paul Pierce und Rajon Rondo in der anderen. [...] Bei den All-Star Spielen waren sie in ihrer und wir in unserer Ecke", erinnerte sich KG.
Der verschworene Haufen der Celtics bekam allerdings Risse, als Allen im Sommer 2012 Boston verließ und sich ausgerechnet den Heat und LeBron anschloss. Diese Entscheidung nahmen Garnett, Pierce und auch Rondo dem Edelschützen übel. Bis heute sind die Wogen nicht komplett geglättet.