Die Milwaukee Bucks haben ihren Kader mit zwei großen Trades in der Nacht auf Dienstag grundlegend verändert. Die Tiefe wurde geopfert, dafür spielen jetzt auch Jrue Holiday und Bogdan Bogdanovic in der Bierstadt. Reicht das, um Giannis Antetokounmpo vom Verbleib zu überzeugen?
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Blockbuster-Deals der Bucks.
Was ist passiert?
Mit zwei Trades in einer langen Nacht haben die Bucks ihren Kader für die kommende Saison fast komplett umgekrempelt. Das beste Team der vergangenen beiden Regular Seasons gab in Eric Bledsoe, George Hill, Donte DiVincenzo und Ersan Ilyasova gleich vier Leistungsträger ab, dazu verließ auch noch D.J. Wilson das Team.
Nach New Orleans gingen neben Bledsoe und Hill auch noch drei Erstrundenpicks sowie zwei Pick-Swaps, die den Pelicans die Möglichkeit bieten, im jeweiligen Jahr den besseren der beiden Erstrundenpicks von New Orleans und Milwaukee auszuwählen. Milwaukee hat nun also einen Großteil seiner Tiefe und zudem reichlich Assets für die Zukunft geopfert.
Wichtiger aus Bucks-Perspektive ist aber, was sie dafür bekommen: Zum einen kommt aus New Orleans in Jrue Holiday ein exzellenter Two-Way-Guard, der von nun als Starting Point Guard der Bucks fungieren sollte. Zum anderen kommt in Bogdan Bogdanovic auch ein neuer Off-Guard aus Sacramento, der vor allem Shooting liefert.
Der Bogdanovic-Trade ist dabei ein Kuriosum: Der Serbe ist in Sacramento Restricted Free Agent, im Prinzip also vertragslos. Die Bucks und Kings haben sich nun auf einen Sign-and-Trade geeinigt, obwohl offiziell erst ab dem Start der Free Agency am Freitag über neue Verträge verhandelt werden dürfte.
imago images / Icon SMIFinalisiert werden kann dieser Deal also vorerst noch nicht, ganz legal ist die Einigung auch nicht, aber kommende Woche dürfte auch Bogdanovic in Milwaukee vorgestellt werden.
Die beiden Deals im Überblick:
Bucks traden für Holiday.
- Milwaukee bekommt: Jrue Holiday.
- New Orleans bekommt: Eric Bledsoe, George Hill, 3 Erstrundenpicks, 2 Pick-Swaps.
Bucks traden für Bogdanovic.
- Milwaukee bekommt: Bogdan Bogdanovic, Justin James.
- Sacramento bekommt: Donte DiVincenzo, Ersan Ilyasova, D.J. Wilson.
Ist Milwaukee nun der große Titelfavorit?
Es ist noch zu früh, um die Bucks in dieser Form einzuordnen, festzuhalten ist aber schon jetzt: Das spielerische Potenzial des Teams ist, gerade offensiv, durch diese Deals gestiegen. Ziemlich signifikant sogar. Bedenkt man, wie zahnlos gerade der Backcourt des Teams in den Playoffs gegen Miami daherkam, stellen Holiday und Bogdanovic große Upgrades dar.
Die Starting Five des Teams ist nun mehr als imposant: Superstar Giannis Antetokounmpo wird von vier Spielern flankiert, die keine Superstars sind, aber sich alle zumindest von Zeit zu Zeit selbst Würfe erarbeiten können. Das klingt banal, ist aber unheimlich wichtig für ein zuletzt oft viel zu eindimensionales Team.
Das ist die neue Starting Five der Bucks
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
Jrue Holiday | Bogdan Bogdanovic | Khris Middleton | Giannis Antetokounmpo | Brook Lopez |
Holiday ist nicht nur ein exzellenter Verteidiger, der im Gegensatz zu Bledsoe auch größere Wings verteidigen kann, er bringt offensiv auch etwas mehr Playmaking und einen besseren Wurf (mitsamt größerer Wurfbereitschaft) mit als sein Vorgänger.
Bogdanovic ist zwar ein schwacher Defender, sollte vom Bucks-Kollektiv aber versteckt werden können. Er kann dazu unheimlich heiß laufen, an seinen guten Tagen gehört er zu den gefährlichsten Schützen der Liga. Und er ist clutch, auch in dieser Hinsicht brauchte Milwaukee dringend Verstärkung.
Nun haben die Bucks allerdings noch einige Baustellen. Zum einen muss Head Coach Mike Budenholzer bei der Neuzusammensetzung seines Teams flexibler denken und es schaffen, die verschiedenen Stärken gewinnbringend einzusetzen, was ihm in den Playoffs bisher weder in Milwaukee noch in Atlanta so ganz gelungen ist. Ein so vielseitig talentiertes Team hatte Bud allerdings wohl auch noch nie.
Zum anderen muss das Front Office den Kader auffüllen. Milwaukee hat viel verloren, zumal auch Wesley Matthews aus seinem Vertrag ausgestiegen ist und wohl zu den Lakers wechseln möchte. Abgesehen von der Starting Five stehen derzeit nur noch James und Thanasis Antetokounmpo im Kader, zwei Spieler, die bisher keine relevanten NBA-Minuten gespielt haben.
Jon Horst hat also noch jede Menge Arbeit vor sich; Trades sind nun wohl nicht mehr möglich, dafür muss die Resterampe bemüht werden und man muss auf Free Agents hoffen, die mit Blick auf einen möglichen Titel auf mehr Geld bei anderen Teams verzichten. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es solche Spieler immer gibt, allerdings gibt es für sie auch viel Konkurrenz, etwa aus Los Angeles.
Dennoch: Antetokounmpo wollte von seinem Front Office Handlungen sehen, diese wurden nun geliefert. Die Bucks sind gefährlicher geworden - und hoffen darauf, dass dies reicht, um Giannis davon zu überzeugen, seinen Supermax-Deal zu unterzeichnen und alle Gerüchte um seine Zukunft vorerst beiseite zu wischen.
Haben die Bucks zu viel abgegeben?
Es gibt mehrere Herangehensweisen an diese Frage. Blickt man auf den Druck, den die Bucks hatten und haben, um Giannis zufriedenzustellen, ist es für sie richtig und wichtig, viel Risiko zu gehen und sich überall nach Verbesserungen umzusehen. Holiday und Bogdanovic sind Verbesserungen, so viel ist klar.
Gleichzeitig ist insbesondere der Holiday-Trade bemerkenswert: Verglichen etwa mit dem Paket, das Phoenix für den (älteren aber besseren) Chris Paul abgeben musste, sind drei Picks plus zwei Pick-Swaps ein mehr als stolzer Preis. Zumal dabei auch noch zwei Leistungsträger gingen.
Bledsoe hat seine bekannten Macken, gehörte aber trotz allem zu den besten Guard-Verteidigern der NBA. Hill war vergangene Saison einer der besten Backups ligaweit. Pakete dieser Art geben Teams normalerweise für veritable Superstars ab.
Holiday ist ein sehr guter Spieler, ein Superstar ist er nicht - ebenso wenig wie Bogdanovic. Der zweitbeste Spieler bei den Bucks ist noch immer Khris Middleton. Aus der Sicht betrachtet, hat Milwaukee vielleicht zu viel bezahlt, zumal ihre Flexibilität von hier an eben stark eingeschränkt bis kaum vorhanden ist.
Die Hoffnung der Bucks wird wiederum sein, dass sie mit einem Konstrukt ähnlich dem der 2019er Raptors - ein Superstar umgeben von vier guten bis sehr guten weiteren Startern - Meister werden können. Möglich ist das durchaus. So oder so: Wenn Giannis wegen der Moves dieser Nacht seinen Vertrag verlängert, waren diese es aus Milwaukee-Sicht zweifelsohne wert.
Warum ließen die Kings Bogdanovic ziehen?
Während man sich bei den Pelicans über einen hohen Gegenwert für Holiday freuen kann, ist das in Sacramento eher nicht der Fall. Das zentrale Gegenstück ist DiVincenzo, ein guter Rollenspieler, der aber vermutlich nie über diesen Status hinauskommen wird. Ilyasova wiederum spielt auf einem auslaufenden, ungarantierten Vertrag. Das Hauptargument aus Sicht der Kings: Kostenkontrolle.
Sacramento zahlt schon jetzt viel Geld für seine Flügelspieler, nachdem im vergangenen Jahr schon mit Buddy Hield verlängert wurde, dessen Talentpaket (und Position) sich mit Bogdanovic klar überschneidet. Franchise-Player De'Aaron Fox möchte nun ebenfalls eine vorzeitige Vertragsverlängerung haben, früher oder später ist (vermutlich) auch Marvin Bagley dran.
Für Bogdanovic war in dieser Kalkulation offensichtlich kein Platz mehr. Vor nicht allzu langer Zeit galt es noch als wahrscheinlich, dass Sacramento eher Hield abgeben würde, um Bogdanovic bezahlen zu können, dieser Plan wurde jedoch nun verworfen. Nun holte man sich in DiVincenzo mindestens ein Asset, das erst im Sommer 2022 Restricted Free Agent wird.
gettyDie Kings müssen sich aber die Frage gefallen lassen, ob sie das Maximum aus dieser Situation herausgeholt haben. Bogdanovic ist ein Spieler, an dem theoretisch viele Teams interessiert gewesen wären, sein Shooting und seine Spielintelligenz machen ihn offensiv ziemlich wertvoll. Er war Restricted Free Agent, deswegen kontrollierte Sacramento seine Zukunft.
Aus einer solchen Situation dann keinen einzigen Draft-Pick rauszuholen, ist nicht ideal. DiVincenzo passt zwar in den Kader, er macht diesen aber nicht unbedingt besser. Es ist noch nicht ganz klar, in welche Richtung das neue Front Office um Monte McNair die Kings manövrieren möchte.
Was bedeutet der Holiday-Deal für die Pelicans?
Pelicans-Boss David Griffin hat gesehen, wie sein OKC-Konterpart Sam Presti seinen 17. (!) Erstrundenpick zwischen 2020 und 2026 anhäufte, und ließ sich davon anstacheln. So könnte man den Deal zumindest interpretieren.
Auch New Orleans hat eine üppige Pick-Kollektion beisammen, nachdem die Pelicans vor etwas mehr als einem Jahr auch für Anthony Davis jede Menge Draft-Kapital zurückbekommen hatten. Durch die späten Pick-Swaps könnte NOLA sowohl bei den Lakers als auch bei den Bucks wertvolle Picks bekommen, wenn diese Top-Teams in einigen Jahren vielleicht nicht mehr ganz so top sind.
Dass Holiday den Bucks so viel wert war, kam Griffin in jedem Fall sehr entgegen. Die Frage ist nun, in welche Richtung die nächsten Entscheidungen gehen werden. Will New Orleans sich noch stärker auf die Jugend konzentrieren, könnte auch J.J. Redick (wieder einmal) auf dem Markt sein und potenziell weitere Picks bringen. Gleiches gilt für Bledsoe und Hill, die Tradewert besitzen, zumal beide im letzten Vertragsjahr kaum Garantien im Deal haben.
Denkbar ist auch, dass versucht wird, im kommenden Draft hochzutraden; vielleicht wollen die Pelicans gerne einen der vielversprechenden Guards ziehen, der vom Alter her besser zu Franchise-Player Zion Williamson und dem restlichen Team passt. An 13 würden sie diesen vermutlich nicht bekommen, aber es wurde ja bereits signalisiert, dass einige der Top-Lottery-Picks potenziell verfügbar sind.
Die wichtigste Personalie in New Orleans ist darüber hinaus Brandon Ingram; der letztjährige All-Star wird Restricted Free Agent und dürfte einen Maximalvertrag fordern. Die finanziellen Ressourcen hat New Orleans, die Bereitschaft voraussichtlich auch. Die zusätzlichen Picks geben NOLA die Chance, um die beiden Forwards ein ideal passendes Team zusammenzustellen.
Für die kommende Saison sind die Pelicans schwächer geworden - die Playoff-Chancen im ohnehin ziemlich brutalen Westen sind dadurch gesunken. Dass sie keinen guten jungen Spieler für den Quasi-Star Holiday zurückbekamen, kann sich rächen. Muss es aber nicht. Und: Ein besseres Paket für einen wechselwilligen 30-Jährigen, der nächstes Jahr aus seinem Vertrag aussteigen kann, hat es auch noch nicht so oft gegeben.