Auch an seinem 36. Geburtstag steht LeBron James noch immer an der Spitze der NBA. Das ist in der Geschichte der Liga unerhört - wie ein kurzer Spaziergang durch die Age-36-Saisons anderer Legenden zeigt. Wo wird LeBron damit wohl enden?
LeBron James hat das Weintrinken schon vor einer ganzen Weile für sich entdeckt. Er verkauft zwar (bei Redaktionsschluss) noch keine eigenen vergorenen Traubensäfte wie sein Kumpel Dwyane Wade oder C.J. McCollum, Wein gehört dennoch zu seiner Diät heutiger Tage; in seiner ersten Saison mit den Lakers kam er, als er verletzt war, mal mit einem Gläschen ins Staples Center, als er sich unlängst im Season Opener leicht verletzte, kündigte er sofort danach an, sich mit Wein heilen zu wollen.
"Ich packe Eis drauf und trinke etwas Wein, der direkt in den Knöchel fließen wird. Ich kann sicherstellen, dass ich auf der linken Seite meines Körpers trinke, damit es direkt ins linke Bein fließt, in den linken Knöchel", präsentierte James einen Therapie-Plan, den vermutlich selbst Wein trinkende Orthopäden nicht so abnicken würden. James kann es sich eben erlauben.
Längst hat der nun 36-Jährige eine Phase seiner Karriere erreicht, in der er sich etwas mehr "Fehler" und Selbstironie zugesteht als zu früheren Zeiten; da ist er bei weitem nicht der erste. Die Persönlichkeit reift und entwickelt sich mit dem Alter, das macht auch bei NBA-Legenden nicht halt, siehe Kobe Bryant als ein sehr prominentes Beispiel.
Der große Unterschied bei James im Vergleich zu seinen Vorgängern ist ein anderer: LeBron sitzt in dieser Saison, seiner bereits 18., immer noch fest im Sattel als bester Spieler der Liga, als amtierender Champion und Finals-MVP.
Um zu verdeutlichen, wie außergewöhnlich das ist, blicken wir zurück auf andere Legenden zum Zeitpunkt ihrer "Age-36-Season" (definiert als das Alter des Spielers am 1. Februar der jeweiligen Saison), wobei wir nach Dekade vorgehen. Vorweg: Allzu viel Gesellschaft hat James nicht ...
Die Legenden der grauen Vorzeit (50er und 60er)
Wir können uns hier relativ kurz fassen, denn: Im Frühstadium der NBA sprach fast alles gegen derart lange Karrieren, wie James sie derzeit durchlebt. Die Teams reisten per Bus oder mit normalen Fluglinien durch die USA, spielten mit Sneakern, die heutzutage selbst für den normalen Straßengebrauch zu instabil wären, und waren auch in Sachen Ernährung noch bei weitem nicht auf dem Niveau heutiger Tage (Bier und Zigaretten gehörten bei wichtigen Spielen einfach dazu).
Entsprechend spielte nahezu niemand bis zum 36. Geburtstag. Bill Russell, Jerry West und Oscar Robertson hörten mit 35 Jahren auf und waren damit absolute Dauerbrenner. Elgin Baylor absolvierte sein letztes Spiel zwar mit 37, allerdings kamen ab seinem 36. Geburtstag nur noch elf Spiele über zwei Saisons verteilt hinzu, seine letzte gute Saison absolvierte er ebenfalls mit 35.
Der einzige Ausreißer aus den ersten Jahren wiederum ist der Spieler, der ähnlich wie James seinerzeit allen körperlich so viel voraus hatte: Wilt Chamberlain stand mit 36 sogar noch in den Finals und spielte dabei in fünf Spielen jeweils die vollen 48 Minuten.
Sein Output hielt sich für seine Verhältnisse allerdings in Grenzen, 11,6 Punkte (und 18,6 Rebounds) reichten nicht bei der 1:4-Niederlage gegen die New York Knicks. Im Anschluss war auch für den Big Dipper Endstation, der zu dem Zeitpunkt nicht mehr zum absoluten Elite-Kreis der NBA gehörte.
Eine Ausnahme gab es noch: Bob Cousy trat zwar erstmals mit 34 Jahren zurück, nach sechs vollen Jahren im Ruhestand gab er im Alter von 41 Jahren aber noch ein Comeback über sieben Spiele für die Cincinnati Royals. Seine Ausbeute in diesen Partien: 5 Punkte, 10 Assists (also insgesamt!).
Die Legenden der 70er: Ein echter Konkurrent für LeBron
Im Folgejahrzehnt besserten sich einige Bedingungen schon merklich, auch wenn Krafttraining für die allermeisten Spieler noch immer ein Fremdwort war und Kareem Abdul-Jabbar, der beste Spieler seiner Ära, dafür belächelt wurde, dass er sich unter anderem mit Yoga fit und geschmeidig hielt. Verletzungen und auch Kokain beendeten zwar nach wie vor etliche Karrieren frühzeitig, aber es gab zumindest etwas mehr Ausreißer, gerade auf allerhöchstem Niveau.
Die wichtigsten Legenden der 70er waren besagter Kareem und Julius "Dr. J" Erving und beide standen an ihrem 36. Geburtstag durchaus noch im Saft. Kareem kann in Sachen Langlebigkeit selbst LeBron als Beispiel dienen, schließlich startete der Captain auch mit 42 Jahren noch für die Lakers in den Finals; 20 Jahre lang spielte Abdul-Jabbar in der NBA auf hohem Niveau, nachdem er zuvor schon in vier Jahren am College zum wohl besten Spieler der Welt gereift war.
Sein Konterpart war Dr. J, dessen allerbeste Leistungen allerdings in der Konkurrenzliga ABA zu sehen waren (oder eben nicht - es gab kaum TV-Übertragungen davon). Als Erving mit 26 Jahren in die NBA wechselte, hatten Jahre in der eher unprofessionellen Show-Liga und auf dem Streetball-Court seinen Knien bleibende Schäden zugefügt, die ihm zumindest etwas von seiner Athletik raubten.
Wie signifikant diese war, verdeutlichte allerdings die Tatsache, dass er trotzdem effektiv blieb und in der NBA ebenfalls Champion sowie MVP wurde, mit den Sixers erreichte er sogar stolze viermal die Finals. In seiner Age-36-Season ließ er es dann langsam ausklingen, im vorletzten Regular Season-Spiel seiner Karriere machte er mit 37 Jahren noch einmal 38 Punkte. Nach 18,2 Punkten in fünf Playoff-Spielen war dann aber auch für ihn Endstation.
Nicht ganz auf dem Level von Erving und Abdul-Jabbar, aber auch erwähnenswert ist aus dieser Phase John Havlicek: "Hondo" war auch mit 36 Jahren noch die Pferdelunge der Celtics und blieb bis 38 aktiv, zum Zeitpunkt seines Karriereendes hatte nur Wilt Chamberlain mehr NBA-Punkte erzielt als er. Einen Claim auf den "Best Player Alive"-Status (BPA) hatte er allerdings wohl nie.
Die Age-36-Saisons von Kareem, Dr. J und Hondo
Spieler | Punkte | FG% | Rebounds | Assists |
Abdul-Jabbar | 21,5 | 57,8 | 7,3 | 2,6 |
Erving | 16,8 | 47,1 | 4,4 | 3,2 |
Havlicek | 17,7 | 45,2 | 4,8 | 5,1 |
Die Legenden der 80er und 90er: Ein Schritt zurück
Auch die 80er sind schnell abgehandelt. Die prägenden Figuren dieser Zeit waren Magic Johnson und Larry Bird sowie (mit einem gewissen Abstand) Isiah Thomas, keiner aus diesem Trio war jedoch zum Zeitpunkt seines 36. Geburtstags noch als prägende Figur aktiv. Magic gab zwar als 36-Jähriger ein Comeback über 32 Spiele, zuvor hatte ihm die HIV-Infektion aber vier volle Jahre genommen.
Das war besonders bitter, da er sich bei seinem erzwungenen Karriereende noch mit Michael Jordan um den BPA-Titel duellierte. Bei Bird und Thomas waren es Verletzungen: Birds letzte überragende Saison war seine Age-33-Season, endgültig hörte er aufgrund etlicher Rücken- und Hüftprobleme mit 35 auf. Thomas riss sich bereits mit 32 die Achillessehne und kehrte nicht mehr davon zurück.
Im Anschluss stellte sich jedoch Besserung ein, nicht zuletzt wegen Jordan, der rigoroses Krafttraining populär machte, und wegen etlicher weiterer technischer und medizinischer Weiterentwicklungen, die den Umgang mit gewissen Verletzungen deutlich vereinfachten. Jordan selbst brachte sich zwar aus der Verlosung (seine Age-36-Season verbrachte er im zweiten von drei Ruheständen), aber aus seiner Generation finden sich etliche Spieler, die noch in die hohen 30er hinein effektiv blieben.
Besonders erwähnenswert ist hier natürlich Karl Malone: Der Mailman, der körperlich wohl von allen bisherigen NBA-Spielern am ehesten mit LeBron vergleichbar war, wurde mit 35 sogar noch MVP (der bisher älteste der Geschichte) und spielte danach ein statistisch noch deutlich stärkeres Jahr. Malone war nie Champion und wandelte nicht in den Sphären von Jordan oder auch James, langlebig waren er und auch sein kongenialer Partner John Stockton aber allemal.
Die Legenden der 00er Jahre: Langlebigkeit ist Trumpf
Die frühen 00er Jahre waren das goldene Zeitalter der Power Forwards und tatsächlich legten die drei besten von ihnen allesamt unheimlich lange Karrieren hin. Tim Duncan spielte 19 Jahre lang für die Spurs und führte selbige im zarten Alter von 38 Jahren noch zum insgesamt fünften Titel, Dirk Nowitzki und Kevin Garnett spielten sogar jeweils 21 Jahre.
Alle drei waren in ihrer Age-36-Season zwar nicht mehr in der Konversation um den besten Spieler der Liga, aber jeweils noch All-Stars; Nowitzki (als Lifetime Achievement Award) und Duncan (sportliche Gründe) schafften es beide auch noch in späteren Jahren. Dies sind ihre Zahlen im Alter von 36 (die von Malone gibt es obendrauf):
Die Age-36-Saisons von Dirk & Co.
Spieler | Punkte | FG% | Rebounds | Assists |
Karl Malone | 25,5 | 50,9 | 9,5 | 3,7 |
Tim Duncan | 17,8 | 50,2 | 9,9 | 2,7 |
Dirk Nowitzki | 17,3 | 45,9 | 5,9 | 1,9 |
Kevin Garnett | 14,8 | 49,6 | 7,8 | 2,3 |
Die letzte All-Star-Nominierung seiner Karriere erhielt auch Shaquille O'Neal im Alter von 36 Jahren, als er für Phoenix seine letzte einigermaßen fitte Saison absolvierte (17,8 Punkte, 8,4 Rebounds in 75 Spielen); sein einstiger Partner Kobe Bryant wiederum war auf der LeBron'schen Trajektorie, bevor er sich im Alter von 34 die Achillessehne riss. Danach folgten zwar noch drei Saisons mitsamt All-Star-Nominierungen, aber abgesehen vom letzten NBA-Spiel keine wirklich relevanten Momente mehr.
An drei weiteren Namen kommt man schwerlich vorbei, wenn es ums gute Altern geht: Steve Nash führte die NBA mit 37 noch bei den Assists an und hielt seine Suns nahezu im Alleingang relevant, 2010 fehlten zwei Siege für seine erste Finals-Teilnahme (mit damals 36). Jason Kidd wurde mit 38 erstmals Meister, in einer völlig anderen Rolle als bei seinen ersten Finals-Teilnahmen zehn Jahre zuvor.
Wie sieht LeBron James' nächste Inkarnation aus?
Gerade Letzteres ist ein häufig auftretendes Phänomen bei den langlebigsten NBA-Spielern. Fast alle fanden nach dem Ende ihrer athletischen Blütejahre andere Wege, um effizient zu bleiben, wobei sie dabei ein Stück weit zurücksteckten und zumeist anderen, jüngeren Stars an ihrer Seite Platz machten.
LeBron hat dies mit Anthony Davis bereits ein bisschen getan, er spielt jetzt anders als etwa zu Miami-Zeiten. Dass er aber nach wie vor der primäre Entscheidungsfinder und Initiator bei den Lakers ist, bestreitet auch niemand; den Schritt zur Seite, den so viele vor ihm gemacht haben, hat LeBron eigentlich noch vor sich. Damit ist er zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere - und seiner bereits absolvierten Minuten in Regular Season und Playoffs - schon jetzt ein Unikat.
Kareem ist bisher der Goldstandard, nicht aus Zufall hält er nach wie vor den Punktrekord der NBA mit insgesamt 38.387 Zählern sowie den Minutenrekord in der Regular Season (57.446). Beide Marken sind für LeBron allerdings durchaus in Reichweite, vor allem, wenn er auf einem vergleichbaren Kurs bleibt.
Kareems individuell produktivste Zeit war mit etwa 33-34 Jahren vorbei, auch wenn er mit 38 noch einmal Finals-MVP wurde. Der beste Spieler der Lakers war zu diesem Zeitpunkt Magic, und das auch nicht erst seit gestern. Diese Diskussion wird bei den Lakers zwischen LeBron und Davis womöglich auch bald geführt, bisher ist dieser Punkt nüchtern betrachtet aber noch nicht erreicht.
LeBron hat dabei körperlich sowie vom Skillset her alle Möglichkeiten, um sich, wenn die Athletik dann doch noch irgendwann verabschiedet, noch mehrere Male neu zu erfinden; als Lowpost-Initiator etwa, oder als etwas modernere Version von Malone. Oder mehr wie Kidd zu späteren Jahren? Sein Wurf ist mittlerweile stabil genug, dass ihm auch dieser Schritt zuzutrauen wäre.
Noch ist es aber nicht so weit. Nach wie vor steckt LeBron jedes Jahr Millionen von Dollars in seinen Körper und schläft in Kühlkammern, um der Konkurrenz - und vor allem Gevatter Zeit - weitere Schnippchen zu schlagen. Seine athletische Prime mag vorbei sein, die sportliche dauert nach wie vor an.
Deswegen weist Stand jetzt fast alles darauf hin, dass er am Ende seiner Karriere auch die Punkt- und Minuten-Rekorde von Kareem knacken wird. Manche Weine altern eben doch noch besser als andere.
Die Statistiken von LeBron James
Spiele | Punkte | FG% | Rebounds | Assists | PER | |
Karriere | 1269 | 27,1 | 47,1 | 7,4 | 7,4 | 27,5 |
Saison 19/20 | 67 | 25,3 | 49,3 | 7,8 | 10,2 | 25,5 |