Trotz der Pleite gegen die Golden State Warriors sind die Los Angeles Lakers bisher das Maß aller Dinge in der NBA. Above the Break untersucht, warum der Meister in Wirklichkeit sogar noch deutlich stärker sein dürfte.
Außerdem werfen wir einen Blick auf zwei der größten Herausforderer, die Schwäche von Giannis Antetokounmpo und eine absurde Zahl bei den L.A. Clippers
Ziemlich genau einen Monat dauert diese Spielzeit jetzt an und ist bisher von arg schwankendem Niveau, dem leidigen Thema COVID und natürlich einem der größeren In-Season-Trades der NBA-Geschichte geprägt. In Brooklyn ist eine potenzielle neue Supermacht entstanden, die sich aber - so wie nahezu alle Top-Teams oder Teams, die top werden wollen - noch finden muss.
Die Nets haben seit der Ankunft von James Harden mehr Firepower und Qualität in der Spitze als wohl jedes andere Team. Haben sie auch die Balance und vor allem die nötige Defense? Daran sind noch Zweifel berechtigt und darauf wird es letztendlich ankommen.
Der Goldstandard ist nämlich, auch das hat der erste Monat gezeigt, ziemlich hoch - zumal auch dort noch nicht jedes Rad ins nächste greift. Zum jetzigen Zeitpunkt müssen die Los Angeles Lakers trotzdem oder vielleicht sogar gerade deshalb als Favorit gelten.
Sie können noch mindestens zwei Gänge höherschalten - und waren bisher dennoch recht eindeutig das beste Team der Liga, woran auch der lustlose Auftritt in der zweiten Hälfte gegen die Golden State Warriors nichts ändert.
Die Lakers stellen die beste Defense der Liga
Viel wurde beim Meister in der Offseason analysiert, dass die Offense durch die Neuzugänge konsequent verstärkt wurde. Bezweifelt wurde, ob die vergangene Saison so starke Defense durch die zumeist offensiv orientieren Spieler ihr Niveau halten können würde - doch das hat sich bisher nicht als berechtigt erwiesen. Im Gegenteil: Nach dem ersten Saisonmonat stellen die Lakers die beste Defense der Liga.
Der Start war dabei nicht dominant - noch am 7. Januar bezeichnete Anthony Davis die Verteidigung seines Teams in einem Spiel gegen die Spurs schlichtweg als "scheiße". Seither hat sich jedoch einiges getan und vor allem deshalb ritten die Lakers vor dem Warriors-Spiel ihre Siegesserie. Das ist bemerkenswert, bedenkt man die personellen Änderungen im Kader.
Mit Danny Green, Avery Bradley, JaVale McGee und Dwight Howard verließen vier defensiv-orientierte Spieler die Lakers und wurden durch gänzliche andere Spielertypen ersetzt. Nachdem vergangene Saison die Rim-Protection so stark war, auch weil man jemanden wie Howard von der Bank reinwerfen konnte, gab es vor allem hier Zweifel in Sachen Wiederholbarkeit.
Tatsächlich ist Marc Gasol mittlerweile ziemlich betagt und gegen gewisse Offensiven (vor allem solche mit Shooting Bigs) nur noch schwer tragbar, sein Backup Montrezl Harrell ist noch nie als guter Verteidiger bekannt gewesen. Trotzdem sind die erwarteten Probleme bisher nicht eingetreten - die Anzahl der geblockten Würfe ist nahezu identisch wie in der Vorsaison, die in der Restricted Area erlaubte Wurfquote ist sogar noch etwas schwächer geworden.
Die Lakers erlauben zwar relativ viele Abschlüsse in Korbnähe (knapp 30), verteidigen diese aber auf hohem Niveau. Es sieht dabei mit Gasol ziemlich anders aus als mit McGee oder Howard - der Spanier ist eben kein Sprungwunder, aber nach wie vor ein Genie im Positionsspiel. Deswegen vermissen ihn die Raptors, deswegen sind die Lakers auch mit ihm als Starter ein exzellentes Defensiv-Team.
Gasol ist ein riesiger Mensch, der zudem weiß, wo er zu stehen hat. Rim-Protection kann auch im Stehen und durch schnelle Hände funktionieren.
nba.com/statsHarrell wiederum bietet völlig andere Voraussetzungen und ist defensiv auch bei den Lakers kein Ass; in den Playoffs wird er deshalb vermutlich nicht allzu viele Minuten abreißen. Bis dahin gibt sich der amtierende Sixth Man of the Year aber Mühe und hat immerhin schon sieben Offensiv-Fouls angenommen, womit er derzeit Platz zwei ligaweit (natürlich hinter Kyle Lowry) belegt.
Das ist immerhin ein Beitrag, und bisher haben auch die Lineups mit Harrell defensiv blendend funktioniert, was natürlich nicht zuletzt am Personal um ihn herum liegt.
nba.com/statsAuch Dennis Schröder steht bereits bei vier angenommenen Charges, der Braunschweiger wird defensiv aber auch noch in anderer Rolle benötigt - ähnlich wie vergangene Saison Bradley jagt er gegnerische Ballhandler gern über den kompletten Court und übt angesichts der starken Absicherung viel Druck aus.
nba.com/statsInsbesondere während der Abwesenheit des giftigen Alex Caruso hat Schröder Verantwortung übernommen und auf einem höheren Niveau verteidigt als fast immer in den letzten Jahren. Er liefert die Point-of-Attack-Defense, auf dem Flügel sind die Lakers mit Kentavious Caldwell-Pope, Kyle Kuzma (mittlerweile wirklich!), LeBron James (zumeist richtig gut) und auch Talen Horton-Tocker ebenfalls mehr als solide aufgestellt und engagiert, wie schon in der Vorsaison.
Der Schlüsselspieler ist defensiv natürlich Davis. Sein offensiver Start in die Saison war verhalten, defensiv gehört er jedoch - gemeinsam mit Myles Turner von den Pacers - zu den bisherigen Top-Kandidaten auf den DPOY-Award. Wo Gasol durch seine Intelligenz stark verteidigt, tut Davis dies gleichermaßen durch Athletik, Länge und ebenfalls überragendes Positionsspiel.
Er ist die Allzweckwaffe, die neben Gasol, aber auch neben Harrell oder auch als alleiniger Big bestens funktioniert. Dass die Lakers als Team am besten sind, wenn Davis auf der Fünf spielt, war vergangene Saison schon der Fall und ist auch jetzt noch so - bisher brauchte Frank Vogel diese Maßnahme aber kaum.
Bisher spielte Davis in dieser Saison laut basketball-reference.com nur zehn Prozent seiner Minuten auf der Center-Position, so wenige wie noch nie in seiner Karriere - wenngleich man darüber streiten kann, wer in gemeinsamen Minuten von Davis und Harrell offiziell als "Center" bezeichnet werden sollte.
Der Punkt ist: Die Lakers sind hier schon sehr gut, und dabei kommen ihre besten Lineups bisher fast noch gar nicht zum Einsatz. Es geht also ziemlich sicher noch mehr. Und diese Erkenntnis lässt sich auch auf die Offense übertragen.
Lakers-Offense: Da geht noch mehr
Es gibt etliche Bereiche, in denen die Lakers im "Ernstfall" noch mehr tun können. Davis etwa nimmt aktuell nicht einmal 40 Prozent seiner Abschlüsse in direkter Korbnähe, nachdem es vergangene Saison noch knapp 50 Prozent waren. Derzeit sieht man ihn offensiv mehr als Jumpshooter, was im Vergleich zu Post-Ups vor allem Ressourcen spart.
Ähnlich verhält es sich bei LeBron - der 36-Jährige spielt weniger denn je (32,2 Minuten) und nutzt derzeit nur knapp sechs Pick'n'Roll-Plays pro Partie per Assist, Wurf oder Turnover, was für seine Verhältnisse kaum der Rede wert ist. Im Vergleich zur Vorsaison verzeichnet LeBron über zehn Touches pro Spiel weniger, was natürlich auch der Ankunft von Schröder als zusätzlichem Playmaker geschuldet ist.
Auch sein Wurfprofil ist ein anderes. James nahm noch nie in seiner Karriere so wenige Zweier. Dass über 35 Prozent seiner Abschlüsse derzeit Dreier sind, ist dafür mit Abstand Career High. Auch die Dreierquote war seit Miami-Tagen nicht mehr so gut wie aktuell, damals nahm James aber noch bei weitem nicht so viele Abschlüsse von draußen.
James wirkt mindestens die Hälfte der Zeit über so, als befinde er sich im Schongang, und durchlebt nicht zuletzt dank des starken Shootings trotzdem eine extrem starke - und in seinem Alter beispiellose - Saison, die ihn vielerorts bereits zum (viel zu frühen) Favoriten auf den MVP-Award macht.
Beeindruckend ist, dass er trotzdem in jedem Spiel mindestens eine oder zwei Szenen hat, in denen er hochschaltet und zeigt, dass die Athletik nach wie vor da ist.
nba.com/statsDerzeit braucht sein Team solche Plays aber schlichtweg nicht permanent. Die Lakers sind generell offensiv weitaus stärker als in der Vorsaison, was an Schröder, Gasol und Harrell liegt, aber auch an der generellen Treffsicherheit.
LeBrons Anziehungskraft und Passspiel garantierte den Lakers schon in der Vorsaison viele offene Abschlüsse, die aktuelle Version des Teams ist aber viel besser darin, diese dann auch zu verwerten. Abgesehen von Schröder und Horton-Tucker treffen aktuell alle Lakers auf oder über ihrem Karriere-Niveau, das Spacing ist besser, die Offense dadurch auch flüssiger - und noch unangenehmer auszurechnen als vorher schon.
Es kann einerseits passieren, dass die Zahlen wieder ein Stück weit zurückgehen, andererseits nimmt kaum ein Team so wenige Dreier, die eng verteidigt werden. Die Lakers nehmen überwiegend leichte Abschlüsse, was dann doch wieder für die Nachhaltigkeit des Ganzen spricht.
Los Angeles Lakers: Wie die Dreier verteidigt werden
Art der Verteidigung | Abschlüsse/Spiel | Quote |
Sehr eng | 0,1 | 20% |
Eng | 3,1 | 26% |
Offen | 11,7 | 33,3% |
Weit offen | 16,6 | 37,7% |
Überhaupt lassen sich momentan nicht viele Gründe finden, weshalb man an der Stärke dieses Teams zweifeln sollte. Die Lakers haben ihre Strategie in der Offseason darauf ausgelegt, sich besser für die wilde und komprimierte Saison zu rüsten, damit ihre Superstars in den Playoffs fit sind - das ist bisher aufgegangen.
Der Meister ist tiefer und hat seine größte Stärke der Vorsaison nicht eingebüßt, dafür aber an einigen kleineren Schwächen gearbeitet. Warriors-Coach Steve Kerr fasste es vor dem Duell mit den Lakers anschaulich zusammen: "Sie haben das Selbstvertrauen einer Meisterschaft, aber noch nicht die Müdigkeit von mehreren Meisterschaften. Das ist wirklich der Sweet Spot. Ungefähr da, wo wir waren, als wir 73 Siege geholt haben."
Es gibt tatsächlich mehrere Parallelen, allerdings auch gravierende Unterschiede. Der vielleicht wichtigste: Die Lakers spielen nicht im Geringsten am Limit, im Gegenteil - das Beste heben sie sich noch auf. Sie jagen keine Rekorde, nur den nächsten Titel. Für den Moment müssen sie - trotz der neuen Big Three in Brooklyn - als Favorit auf den Repeat gelten.
Die große Schwäche des Greek Freaks
Eines der Teams, die den Lakers den Titel streitig machen wollen, sind die Milwaukee Bucks - das Team, das vor dem direkten Duell beider Teams in der Nacht auf Freitag (1.30 Uhr auf DAZN) das beste Offensiv-Rating der NBA-Geschichte (117,7) sein Eigen nennt. Auch bei den Bucks läuft die Neu-Integration einiger Spieler noch, trotzdem sieht es gerade offensiv teilweise schon prächtig aus.
Hier gibt es dennoch ein Problem, das beispielsweise über die Abstimmung mit Jrue Holiday hinausgeht. Es ist - keine Überraschung - der Wurf von Giannis Antetokounmpo, allerdings nicht primär von der Dreierlinie. Der Grieche trifft hier mittlerweile 30,8 Prozent bei 5 Versuchen pro Spiel, was definitiv nicht gut ist, aber für ihn trotzdem einen Bestwert seit seinem Rookie-Jahr darstellt.
Besorgniserregend ist momentan eine andere Entwicklung, die durch eine rätselhafte 1/10-Stinkbombe gegen die Mavericks noch einmal besonders stark zum Vorschein kam. Giannis wird mittlerweile seit 2016/17 Jahr für Jahr ein schlechterer Freiwurfschütze.
Die Freiwürfe von Giannis Antetokounmpo
Saison | Freiwürfe/Spiel | Quote |
2016/17 | 7,7 | 77% |
2017/18 | 8,5 | 76% |
2018/19 | 9,5 | 72,9% |
2019/20 | 10 | 63,3% |
2020/21 | 9,8 | 58,6% |
Was ist hier passiert? In den sozialen Medien wird bereits diskutiert, ob die Conference Finals 2019 der Wendepunkt für Antetokounmpo waren, der noch 2017 ein absolut ordentlicher Freiwurfschütze war. Damals kostete sein wackliges Händchen von der Freiwurflinie Milwaukee womöglich den Sieg über Toronto, der den Einzug in die Finals bedeutet hätte.
Die Entwicklung setzte allerdings schon etwas früher ein, wie die Tabelle zeigt. Und es ist langsam an der Zeit, sie zu korrigieren. Giannis wird seit Jahren aufgrund seiner Dominanz am Korb als moderner Shaquille O'Neal bezeichnet, die Freiwurfschwäche hatten Beobachter dabei aber wohl nicht im Sinn.
Shaq wollte am Ende von Spielen nicht gefoult werden, deswegen brauchte der dominanteste Spieler seiner Ära in der Crunchtime jemanden wie Kobe Bryant (oder Penny Hardaway oder Dwyane Wade), um die Spiele nach Hause zu bringen. Giannis hat Khris Middleton - einen exzellenten Spieler (aktuell mit 53-44-93-Quoten!), der jedoch nicht dauerhaft prädestiniert für diese Nr.1-Rolle ist.
Antetokounmpo selbst muss der Schlüssel sein, will Milwaukee den nächsten Schritt machen. Das bezieht sich teilweise auf die Defense (gegen Brooklyn etwa sollte Giannis auch mal Kevin Durant verteidigen dürfen), aber vor allem auch auf seine Offense, insbesondere am Ende von Spielen.
Der Dreier muss nicht der nächste Schritt sein. Es werden ohnehin noch Jahre ins Land ziehen, bis gegnerische Verteidigungen nicht mehr von Giannis absinken - er ist am Korb so stark, dass auch eine Dreierquote von 35 Prozent vorerst die bessere Alternative wäre. Die Freiwürfe sind der Bereich, um den er sich als Nächstes kümmern muss, wenn die Bucks das Level der Lakers erreichen wollen.
Die Zahl der Woche: 44,1 Prozent
Schließen wir mit einem anderen Verfolger der Lakers - dem Stadtrivalen, der seit dem Sieg über San Antonio in Sachen Bilanz mit den Lakers gleichgezogen hat (11-4). Die Clippers sind dabei beim Offensiv-Rating nur knapp hinter Milwaukee ebenfalls auf einem historischen Kurs (117,1) und die Suche nach der Ursache dafür dauert nicht sonderlich lange.
In den vergangenen Jahren legte das beste Shooting-Team der Liga immer etwa 38 oder 39 Prozent von der Dreierlinie auf, einzig die Golden State Warriors in Stephen Currys Supernova-Saison 2015/16 toppten mal die 40 mit genau 41,6 Prozent. Die Clippers stehen derzeit - man ahnt es - bei 44,1 Prozent. Damit stehen sie fast vier Prozent vor den zweitplatzierten Bucks!
Die versimplifizierte Shotchart der Clippers in dieser Saison ist nahezu grotesk.
nba.com/statsStolze sieben Rotationsspieler treffen derzeit mindestens 40 Prozent ihrer Dreier, wobei der eindeutige König in Sachen Volumen Paul George ist - auf seinem persönlichen Rachefeldzug trifft PG-13 unheimliche 50,5 Prozent bei 7,8 Versuchen pro Spiel. Wenige Spieler lassen das Spiel so einfach aussehen, wenn sie heiß sind. Dann ist es auch egal, ob ein Verteidiger vor ihm steht.
nba.com/statsAuch bei George und bei den Clippers stellt sich die Frage nach der Haltbarkeit, bedenkt man, dass sie quotentechnisch so weit vor allen anderen Teams stehen. Bei den offenen Dreiern fällt das ganz besonders auf: L.A. trifft hier 45,9 Prozent, Platz 2 (Charlotte) steht bei 38,4. Die Clippers haben tolle Schützen, aber so toll?
Wie dem auch sei: Tyronn Lue hat für den Moment eine Offense, die zumeist wesentlich flüssiger aussieht als in der Vorsaison. Vor allem die Catch-and-Shoot-Frequenz ist gestiegen, auch am Korb verzeichnen die Clippers prozentual etwas mehr Abschlüsse. Defensiv muss noch einiges optimiert werden (momentan nur Platz 16), aber auch das zweite Team in Los Angeles befindet sich auf einem guten Weg.
Natürlich können die Clippers - und allen voran George - erst in den Playoffs beweisen, dass sich im Vergleich zur Vorsaison wirklich etwas geändert hat.