NBA Above the Break: Steuert Karl-Anthony Towns als nächster Superstar auf eine Trade-Forderung zu?

Ole Frerks
07. April 202110:16
Karl-Anthony Towns wird mit den Minnesota Timberwolves erneut die Playoffs verpassen.getty
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Karl-Anthony Towns befindet sich mit den Minnesota Timberwolves erneut inmitten einer Saison zum Vergessen. Einige Anpassungen vom neuen Head Coach Chris Finch machen zumindest etwas Hoffnung auf Besserung - doch wird das reichen?

Es war einer dieser Momente, die eine Saison definieren können und an die man sich noch lange erinnern könnte: Früh im zweiten Viertel der Partie zwischen Philadelphia und Minnesota zog Karl-Anthony Towns von der Dreierlinie aus zum Korb, verdiente sich einen Schritt Vorsprung vor Verteidiger Joel Embiid und drückte diesem einen kraftvollen Poster-Dunk ins Gesicht.

Kurz verharrte Towns in einer Jubelpose, nicht verwunderlich, schließlich verbindet ihn und den professionellen Troll Embiid eine Vorgeschichte. Hier kollidieren zwei der besten Big Men der Liga, natürlich gibt es da eine gewisse Rivalität. Es war ein Ausbruch, der allerdings nicht allzu lange andauerte. Ein Duell auf Augenhöhe findet zwischen Towns und Embiid schließlich nicht statt.

Embiid wäre, wenn er nicht lange verletzt gewesen wäre, aktuell der Topfavorit im MVP-Rennen. Er ist da, wo Towns sein sollte. Vor knapp vier Jahren war es der Dominikaner, nicht etwa Embiid oder irgendjemand sonst, der im alljährlichen GM Survey zum zweiten Mal in Folge als der Spieler bestimmt wurde, mit dem die rivalisierenden General Manager am liebsten eine Franchise neu starten würden.

Dessen eigener Franchise ist dieser "Neustart" bisher nicht gelungen, auch wenn man den Timberwolves nicht vorwerfen kann, dass sie es nicht versucht hätten. Mit einer 13-38-Bilanz ist Minnesota 2020/21 Letzter in der Western Conference und der designierte Franchise Player wird zum Saisonende bei einer Playoff-Teilnahme in sechs Jahren bleiben.

Wir wissen, worauf sich solche Entwicklungen im Normalfall hinbewegen: Früher oder später wird ein Trade-Wunsch laut, gerade bei Spielern in kleinen Märkten. Towns steht noch bis 2023/24 unter Vertrag, wir wissen aber auch, dass das nicht wahnsinnig viel bedeuten muss.

Timberwolves 20/21: Eine Saison zum Vergessen

Zunächst einmal: Für die aktuelle Saison ist Towns sehr schwer zu bewerten. Es wird immer wieder davon gesprochen, dass Team x oder y schwer von COVID getroffen wurde, aber bei Towns nimmt das Thema eine ganz andere Dimension an. Sieben Verwandte von ihm, darunter seine Mutter, sind im Jahr 2020 Corona-bedingt verstorben, im Januar erkrankte er selbst und fiel wochenlang aus.

20 Spiele hat Towns in dieser Spielzeit insgesamt verpasst und aufgrund der persönlichen Situation wäre es sicherlich nicht angebracht, Towns die schwierige sportliche Situation der Wolves anzulasten. Es ist aber auch nicht nötig; seine Ausfälle waren bei weitem nicht das einzige Problem in Minnesota, und das ist auch nicht neu. Sportlich spielt Towns, wenn er fit ist, unterm Strich ohnehin eine gute, wenn auch nicht durch die Bank überragende Saison.

Es gibt genug andere Probleme, teilweise ebenfalls Ausfall-bedingt. Towns' designierter Co-Star D'Angelo Russell etwa, für den Minnesota potenziell einen hohen Lottery-Pick abgeben wird (siehe unten), hat selbst sogar schon 30 Spiele verpasst und bei seinen fitten Einsätzen einen oft miesen Eindruck hinterlassen. Bei Malik Beasley sind es 14 (und es werden nun mehr); damit sind die drei besten Spieler des Teams genannt, und diese standen in der Saison bisher viermal gemeinsam auf dem Court.

Kann Chris Finch die Timberwolves retten?

Kein Wunder, dass Minnesota angesichts dessen sportlich die eigenen Erwartungen nicht erfüllen kann. Die mit Abstand meisten Minuten des Teams hat in Nr.1-Pick Anthony Edwards ein bemühter und zunehmend stärkerer, aber ineffizienter Rookie absolviert. Auf Platz zwei folgt in Ricky Rubio ein Spieler, dessen Offensivspiel ihn leider fast komplett verlassen hat.

Die Wolves verfügen über keinen guten Kader, was in erster Linie dem Front Office um Gersson Rosas und eben Verletzungen anzulasten ist. Rosas ist aber nach wie vor da, im Gegensatz zu Ryan Saunders. Der glücklose Head Coach wurde am 22. Februar durch Chris Finch ersetzt, der vor allem offensiv einen exzellenten Ruf genießt und bei den Wolves endlich für Wandel sorgen soll.

Sein wichtigster Auftrag: Finch soll es schaffen, ein Team um Towns herum aufzubauen, das dessen einzigartige Stärken in der Offensive ideal ausnutzt. Das klingt gar nicht so kompliziert - aber in Saunders ist nun schon der dritte Coach in nicht einmal sechs Saisons bei dem Versuch gescheitert.

Karl-Anthony Towns wird zu wenig eingesetzt

Nicht, dass die Wolves mit Towns bisher noch nie eine gute Offensive gehabt hätten; in der 17/18er Saison erreichten sie beim Rating sogar mal Platz vier, auch in den Jahren zuvor wurde die Top 10 zumindest angekratzt. Aber gerade im Vergleich zu anderen elitären Bigs wie Embiid oder auch Nikola Jokic hat Towns einen verhältnismäßig kleinen Anteil an der Offensive.

Eine Möglichkeit, um das abzubilden, ist die Usage-Rate, also die Anzahl der genutzten Possessions pro 100 Ballbesitzen, wenn ein Spieler auf dem Court steht ("genutzt" = abgeschlossen entweder via Wurf, Assist oder Ballverlust). Towns hinkt hier insbesondere Embiid seit Jahren hinterher, obwohl er in Sachen Points per 100 Shot Attempts (inklusive Freiwürfen) mit Ausnahme der laufenden Spielzeit immer deutlich höher rangierte als der Kameruner.

Die besten NBA-Bigs im Vergleich bei Usage-Rate und PSA

SpielerJahrUsage-RatePSA
Joel Embiid20/2133,8129,6
19/2032,1117,9
18/1933,0117,9
17/1833,5113,8
Nikola Jokic20/2130,6129,0
19/2028,9121,2
18/1929,6118,2
17/1825,5121,3
Karl-Anthony Towns20/2127,9121,7
19/2027,8130,9
18/1927,0125,2
17/1821,0129,2

Insbesondere der elitäre Distanzwurf ist eine Komponente, die Towns nahezu jedem anderen Big Man der NBA-Geschichte voraushat. Er kann aber auch aufposten, passen, ist mobil genug, um an fast jedem Big vorbeizuziehen. Sein Offensiv-Arsenal weist kaum Schwächen auf, auch wenn er für seine Größe kein elitärer Finisher ist und gerade im Vergleich zu Embiid weniger Shooting Fouls zieht (nun gut: Das gilt für jeden NBA-Spieler).

Seit seinem Rookie-Jahr übertraf Towns in jeder Saison mindestens 60 Prozent True Shooting, das schafft Embiid derzeit zum ersten Mal. Für einen historischen Vergleich: Dirk Nowitzki, der vor ihm beste Big-Man-Shooter überhaupt, hat vier Saisons mit 60+ Prozent hingelegt. Towns überholt ihn in dieser Saison, seiner sechsten.

Es ist keine Übertreibung, zu behaupten, dass in ihm einer der fünf besten Offensivspieler der NBA schlummert. Es ist bisher nur noch keinem Coach gelungen, diesen Spieler permanent aus ihm herauszukitzeln. Finch nimmt gerade den nächsten Versuch vor.

Auch Tom Thibodeau und Saunders vor ihm hatten betont, dass sie Towns zum Fixpunkt der Offensive machen wollten und dass dieser im Normalfall in jedem Angriff mindestens einmal den Ball berühren sollte. Dauerhaft ist das allerdings nie passiert, unter Finch scheint diese Vorgabe nun wirklich zu gelten.

Seit dem 22. Februar steht der neue Coach in Minnesota an der Seitenlinie, seither hat sich Towns' Rolle stellenweise tatsächlich merklich verändert. Er initiiert mehr, er wirft mehr, er hat schlichtweg mehr den Ball. Nur Jokic und Domantas Sabonis verzeichneten seither mehr Front Court Touches. Auch seine Usage-Rate ist zumindest etwas gestiegen und nun auf Career-High-Niveau.

Karl Towns' Zahlen unter Ryan Saunders und Chris Finch

SpieleFront Court TouchesUsage-RateWürfe/SpielAssists/SpielOffensiv-Rating
1145,926,015,23,5111,3
1952,729,119,24,8112,1

Finch will KAT mehr fördern, und das ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn es ein wenig erschreckend ist, dass es jetzt erst dazu kommt. Es reicht aber noch nicht. Selbst seit dem Coaching-Wechsel haben 23 Spieler mehr Plays ihrer Teams genutzt als Towns, darunter sein Teamkollege Edwards.

Teilweise ist das durch den simplen Fakt zu erklären, dass Towns als Big Man etwas mehr auf Anspiele seiner Teamkollegen angewiesen ist - fast alle Spieler mit einer höheren Usage-Rate sind Flügelspieler. Die Wolves hatten gerade in Abwesenheit von Russell fast niemanden, der Towns mal konstant leichte Abschlüsse verschaffen oder wenigstens saubere Entry-Pässe spielen konnte. Gleichzeitig fehlen auch die Leute, um ihm Platz zu verschaffen, wenn er den Ball hat.

Minnesota nimmt zwar viele Dreier, abgesehen von Beasley und Russell müssen neben Towns aber wenige ihre Spieler "gefürchtet" werden. Abseits des Balles findet wenig Bewegung etwa durch Cuts statt, weshalb Defensiven sich gut auf Towns konzentrieren können. Als Folge wird dieser vor allem im Post sehr häufig gedoppelt, woraufhin er laut Synergy Sports in zwei Dritteln aller Fälle mit einem Pass reagiert. Er leistet sich dabei auch deutlich weniger Ballverluste als beispielsweise Embiid.

Karl-Anthony Towns findet den freien Schützen aus dem Post heraus.nba.com/stats

Das Problem? Die Teamkollegen müssen dann irgendetwas aus diesen Anspielen machen, und daran scheitert es oft. Über die vergangenen beiden Saisons haben seine Mitspieler von den Dreiern, die sie mit Towns auf dem Court genommen haben, bloß 34 Prozent getroffen - obwohl aufgrund der Double-Teams etliche davon völlig offen waren. Das ist eine miserable Ausbeute und bedingt dann eben auch eine niedrigere Usage-Rate.

Dass Towns neuerdings regelmäßig solche Pässe raushaut, macht dennoch Hoffnung und zeigt, dass diese Pass-Fähigkeit in Zukunft sogar noch wichtiger werden könnte, wenn das Team um ihn herum etwas besser zu ihm passt.

Minnesota bangt um den Erstrundenpick

Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Russell ist unlängst zurückgekehrt und mit ihm haben die Wolves die Kings geschlagen. Über die letzten Wochen gab es zudem Siege über die Knicks, Pelicans, Blazers, Rockets und sogar die Suns, als Towns und Edwards beide die 40 Punkte übertrafen. Der Playoff-Zug ist natürlich trotzdem längst abgefahren.

Die Wolves können einerseits zurecht darauf hoffen, dass sie in der kommenden Saison schon allein dadurch besser sein werden, dass ihre besten Spieler etwas häufiger gemeinsam auf dem Court stehen und dass die Abhängigkeit von Towns so vielleicht etwas reduziert werden kann (aktuell sind die Wolves ohne ihn um fast 11 Punkte pro 100 Ballbesitze schlechter als mit ihm). Darauf ausruhen können sie sich aber nicht, dafür liegt noch zu viel im Argen. Zunächst einmal müssen sie am 22. Juni mal wieder Glück haben.

An diesem Tag findet die Draft Lottery statt, die seit 2014 zwei Nr.1-Picks nach Minnesota brachte, sowie einen dritten in Andrew Wiggins, der allerdings per Trade aus Cleveland kam. Besagter Wiggins ist wiederum der Grund, warum die Wolves jetzt hoffen müssen. Vergangene Saison gaben sie Wiggins sowie einen Draft-Pick ab, um Russell zu bekommen.

Besagter Pick ist nun lediglich Top-3-geschützt. Das bedeutet, dass sie selbst mit der aktuell schlechtesten Bilanz der NBA eine fast 60-prozentige Chance haben, diesen Pick an Golden State zu verlieren. Das wäre der Super-GAU für ein Team, das dünn besetzt ist, keine Free Agents anzieht und eigentlich auf fast jeder Position noch Bedarf für Verstärkungen hat.

Karl-Anthony Towns wird ungeduldig

Der Russell-Trade kam in erster Linie deshalb zustande, weil der Point Guard und Towns seit Jahren gut befreundet sind und das Front Office seinen Star damit zufrieden stellen wollte. Bisher hat sich das nicht ausgezahlt, es könnte aber noch schlimmer kommen. Allzu viel Spielraum haben die Wolves nämlich nicht, wenn ihnen mit diesem Pick das wichtigste Asset verloren geht.

Towns wirkte zuletzt zunehmend ungeduldig, wobei er sich dabei angenehm selbstkritisch äußerte: "Ich hatte genug Zeit, um Fehler zu machen und sozusagen nach Zahlen zu jagen. Diese Scheiße ist vorbei", sagte er nach einer Niederlage gegen Memphis. "Ich muss mich in der Hinsicht nicht mehr beweisen. Ich muss nun zeigen: Kann ich gewinnen? Das ist der nächste Schritt."

Sein Ruf beschäftigt ihn, was wohl auch bei der Aktion mit Embiid eine Rolle spielte. "Ich schaue mir den Statistikbogen an. 'Oh, großartig, wundervoll, 30 und 16.' Aber wir haben verloren. Also ist mir das scheißegal. Am Ende des Tages wird mein Ruf immer noch mein Ruf bleiben. Es gibt nur einen Weg, dieses Narrativ zu verändern, und zwar indem man es besiegt", sagte Towns.

Das klang nicht nach jemandem, der kurz davor ist, seinen Abgang zu einer kompetenteren Franchise zu forcieren. Den Wolves muss aber bewusst sein, dass die Uhr tickt. Ein Talent wie Towns kann auf Dauer nicht damit zufrieden sein, nur für einen kurzen Moment pro Saison mal in einer Konversation mit Embiid aufzutauchen.