Scoring-Explosionen und -Rekorde können in der NBA auf sehr unterschiedliche Arten zustande kommen. Es gibt die Partien, in denen ein Team einen Spieler am Ende dazu treibt, seine Zahlen zu jagen, weil es ein Saison-Highlight braucht, es gibt die heiße Hand, manchmal lässt reicht als Grund auch "weil er's kann". So kam der Franchise-Rekord der Celtics zustande.
Als Larry Bird am 12. März 1985 gegen Atlanta 60 Punkte erzielte, geschah dies nur neun Tage, nachdem sein Teamkollege Kevin McHale gegen Detroit mit 56 Punkten den Teamrekord von Bird aus dem Jahr 1983 (53) gebrochen hatte. McHale und Bird waren Kollegen, aber auch Rivalen - Larry Legend wollte zeigen, dass er noch immer der Platzhirsch war, also holte er sich den Rekord zurück.
Der nun geteilte dritte Platz kam wiederum ganz anders zustande. Jayson Tatum ist nicht als Zahlenjäger bekannt, bei seinem bisherigen Career High (41) ließ er sich frühzeitig auswechseln, weil das Spiel entschieden war. Seine 53 Punkte gegen Minnesota gab es aus dem folgenden simplen Grund: Sie waren nötig.
Jayson Tatum rettet Boston gegen Minnesota
"Jeder Sieg ist momentan wichtig für uns", sagte der 23-Jährige, nachdem er diesen in erster Linie selbst eingetütet hatte. Boston erweckte vor allem in Halbzeit eins teilweise nicht den Eindruck, dass diese Erkenntnis vom ganzen Team geteilt wurde. Gegen das schlechteste Team der Western Conference lagen die Celtics nach einem Viertel mit 14 Punkten hinten, zur Pause waren es 9 Zähler.
Tatum hatte in der ersten Halbzeit schon 18 Punkte aufgelegt, diese reichten aber offensichtlich nicht. Also forcierte er die Aktion im Anschluss: Insgesamt traf er in der zweiten Halbzeit und Overtime 11 von 17 Würfen, darunter auch 5/8 von draußen. "Als wir aus der Halbzeit kamen, sah man, dass er es gefühlt hat. Und die anderen haben ihn gut bedient", analysierte Brad Stevens.
Was dem Coach dabei gefallen haben dürfte: Tatum verließ sich nicht nur auf den Jumpshot, wofür er oft kritisiert wird - im Gegenteil versuchte er immer wieder, zum Korb zu kommen, und erarbeitete sich 16 Freiwürfe, ebenfalls ein Karrierebestwert. "Jayson war heute Nacht unglaublich. Verwechselt sein ruhiges Gemüt nicht mit Gleichgültigkeit. Er ist ein Kämpfer", sagte Stevens.
Jayson Tatum: Der Februar ist ein Ausreißer
Diese Ansage dürfte sich insbesondere an die Medienlandschaft in Boston gerichtet haben. Die Celtics spielen eine enttäuschende Saison (erneut: Ein Overtime-Sieg zuhause gegen das schlechteste Team der Western Conference führte zu einer 27-26-Bilanz) und obwohl es dafür allerhand Gründe gibt, die wenig mit ihm zu tun haben (der dünne Kader etwa), wurde Tatum als Aushängeschild des Teams für manche zu einer Art Blitzableiter.
Der frühere Nets-GM und heutige ESPN-Analyst Bobby Marks sinnierte gar darüber, ob man Tatum nicht womöglich traden solle. Zumindest eher als Jaylen Brown, lautete sein Fazit.
Individuell gibt es dabei wenig an Tatum zu kritisieren. Er fiel Corona-infiziert eine Weile aus und gab danach offen zu, dass er auch nach seiner Rückkehr Probleme mit der Atmung hatte. Jay King (The Athletic) sagte es bei Twitter richtig: Der Februar ist in Tatums Saison ein absoluter Ausreißer nach unten gewesen. Ansonsten sah er aus wie der junge Franchise Player, der er für Boston sein soll.
Jayson Tatum: Seine Shooting-Zahlen pro Monat
Monat | Spiele | Punkte | FG% | 3FG% |
Dezember | 5 | 23,6 | 45 | 41,7 |
Januar | 8 | 28,8 | 50,3 | 44,6 |
Februar | 16 | 24 | 39,7 | 31,6 |
März | 13 | 25,3 | 48,1 | 39,8 |
April | 5 | 29,2 | 52,6 | 40,8 |
Marcus Smart lobt Jayson Tatum
Tatum ist auf einem guten Weg, einer der besten Spieler der Liga zu werden, auch weil sein Spiel beständig weiter reift. Das erkannte nach dem Wolves-Spiel auch der ebenfalls bärenstarke Marcus Smart an: "Er hat am Ende die richtigen Entscheidungen getroffen. Es macht dann noch viel mehr Spaß, einem Spieler dieses Kalibers zuzusehen."
Tatum ist ein besserer Passer geworden, er ist genau wie All-Star-Kollege Jaylen Brown ein legitimer Two-Way-Player und das auf der derzeit gefragtesten Position in der NBA. Bei allem berechtigen Ärger über Boston in dieser Spielzeit geriet teilweise in Vergessenheit, dass das noch immer eine sehr positive Ausgangslage für die Zukunft ermöglicht, auch wenn es im Kader etliche Baustellen gibt.
Jayson Tatum: Nur ein Makel bleibt
Nun ist Tatum auch der jüngste 50-Punkte-Scorer in der Geschichte der Celtics, ein Rekord, den ihm weder Bird, noch McHale oder der ein Jahr ältere Brown nehmen können. "Es ist schwer, das in Worte zu fassen. Wenn man mit so jemandem, einem der größten Spieler aller Zeiten, in einer Kategorie genannt wird, ist das eine große Ehre", sagte Tatum. "Ich werde mich immer an diese Nacht erinnern."
Einen Makel hatte das Ganze jedoch: Sein Sohn Deuce war nicht in der Halle, obwohl mittlerweile wieder einige Fans im Bostoner TD Garden zugelassen sind. "Das bedeutet einfach nur, dass ich es eines Tages nochmal machen muss", sagte Tatum dazu. Das klang dann schon etwas mehr nach Larry Bird.