NBA: Der Trade von DeMar DeRozan in der Analyse - Die Chicago Bulls machen ihre zuvor gute Offseason kaputt

Ole Frerks
04. August 202107:59
Passen DeMar DeRozan und Zach LaVine nebeneinander? Das wird sich in der kommenden Saison zeigen.getty
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Die Chicago Bulls haben auch am zweiten Tag der Free Agency für eine der größten Transaktionen gesorgt - diese machte allerdings stutzig. Der Trade von DeMar DeRozan hat einen eindeutigen Gewinner.

Schon vor der Free Agency galt DeMar DeRozan als einer der besten verfügbaren Spieler auf dem Markt und insbesondere als einer der größten Namen - seine bisher letzte von vier Teilnahmen am All-Star Game liegt zwar schon einige Jahre zurück, dennoch ist der 31-Jährige vor allem offensiv weiter ein wertvoller Spieler.

Gleichzeitig galt es als sehr wahrscheinlich, dass seine Zeit bei den Spurs nach zwei Jahren vorbei sein würde. Das ist nun passiert - DeRozan ist ein weiterer und der vielleicht größte Dominostein beim Rebuild der Spurs, die am zweiten Tag der Free Agency auch die langjährigen Veteranen Patty Mills (Richtung Brooklyn) und Rudy Gay (Richtung Utah) verabschiedeten.

DeRozan wurde per Sign-and-Trade nach Chicago geschickt, wo er einen neuen, komplett garantierten Dreijahresvertrag über 85 Millionen Dollar unterschrieb. Im Gegensatz zu den Abgängen von Mills und Gay bekam San Antonio bei dieser Transaktion sogar einiges zurück.

Spurs und Bulls: Der Trade im Detail

TeamBekommt
Chicago BullsDeMar DeRozan
San Antonio SpursThaddeus Young, Al-Farouq Aminu, Erstrundenpick (2025 o. 2026), zwei künftige Zweitrundenpicks

Der Trade aus Sicht der Spurs

Im Prinzip kann man den Spurs hier nur gratulieren. Es hätte gerade zu diesem Preis wenig Sinn ergeben, DeRozan weiter zu halten, auch wenn die finanziellen Möglichkeiten da gewesen wären. San Antonio hat einige interessante Talente, ist aber nicht gut genug besetzt, um in den kommenden Jahren im Westen oben mitzuspielen.

In einer solchen mittelmäßigen Situation ist es nicht ratsam, alternde Stars üppig zu bezahlen, weshalb man DeRozan ohne großes Zähneknirschen hätte ziehen lassen können. Nun gab es aber auch noch veritable Assets zurück - insbesondere die drei (!) Picks stechen ins Auge. Und es könnten sogar noch mehr werden, je nachdem, wie die Spurs mit Thaddeus Young umgehen wollen.

Der Forward spielte vergangene Saison lange wie ein potenzieller Sixth Man of the Year, bevor er nach dem Trade für Nikola Vucevic mehr in die Starting Five rückte. Auf einer Pro-Minute-Basis lässt sich dafür argumentieren, dass er seinem Team einen vergleichbaren oder sogar größeren Mehrwert einbrachte als DeRozan.

San Antonio könnte Thaddeus Young für weitere Assets traden

Bezieht man die Verträge mit ein, fällt diese Argumentation sogar eindeutiger aus. Young spielt auf einem auslaufenden Vertrag und verdient 14,2 Mio. Dollar, DeRozan verdient nun durchschnittlich fast 30 Mio. Dollar jährlich, bis er 34 Jahre alt ist.

Young sollte damit ohne Probleme tradebar sein, wenn die Spurs diesen Weg einschlagen wollen, und könnte ihnen während dieser Spielzeit noch weiteres Draft-Kapital einbringen. Noch vor der Trade Deadline im vergangenen Jahr meldeten etliche Contender Interesse am vielseitigen "Thagic Johnson" an, das dürfte auch in dieser Saison wieder passieren.

San Antonio traf noch am Dienstag mit der teuren Verpflichtung von Doug McDermott (3 Jahre, 42 Mio. Dollar) eine etwas eigentümliche Entscheidung, die eigentlich nicht nach einem Rebuild aussah, alle anderen Transaktionen ihrer bisherigen Free Agency deuten aber auf einen Neuaufbau hin: Jock Landale und Zach Collins sind in erster Linie Projekte, wenngleich Collins ebenfalls recht teuer bezahlt wurde.

Die Veteranen sind dafür nun fast alle weg, und früher oder später musste das wohl passieren. Chicago hat den Spurs für ihren Rebuild nun Starthilfe gegeben.

Der Trade aus Sicht der Bulls

Noch am Montag (US-Zeit) galt Chicago als einer der frühen Gewinner der Free Agency, hatte man mit Lonzo Ball und auch Alex Caruso doch (vor allem defensive) Needs adressiert und Spieler geholt, die auch vom Alter her zum existierenden Kern um Zach LaVine passten. Diesen Status haben sie einen Tag später dann prompt wieder verloren.

Blenden wir für den Moment die abgegebenen Assets aus - es ist diskutabel, dass DeRozan als Spielertyp überhaupt zu den Bulls passt. Seinen größten Wert hatte er bei den Spurs vergangene Saison als großer Playmaker und als Decison-Maker am Ende enger Spiele. Seine 6,9 Assists pro 36 Minuten waren ein Karrierebestwert, oft agierte er als primärer Playmaker bei den Spurs.

Es würde verwundern, hätte er in der Offense von Coach Billy Donovan die gleichen Spielanteile. Ball gibt den Spalding vor allem im Halbfeld bereitwillig ab, LaVine und auch Vucevic sind es aber ebenso gewohnt, die Kugel viel in der Hand zu halten und zu initiieren. Es schadet zwar nie, viele Playmaker und damit viele Optionen zu haben, aber gerade bei DeRozan sinkt der Impact merklich, wenn er den Ball nicht selbst in der Hand hat.

Der Grund ist einer, der ihn schon nahezu die gesamte Karriere über begleitet: DeRozan wirft ungern von draußen, zumeist macht er es auch schlichtweg nicht gut. Die Bulls haben theoretisch gutes Spacing und werden DeRozan Driving Lanes bieten, damit dieser seine Stärken als Freiwurfmaschine zum Einsatz bringen kann, trotzdem wird es eine Herausforderung, die Touches in der Offense zwischen ihm und den anderen Ballhandlern "aufzuteilen".

Können die Bulls mit DeRozan defensiv funktionieren?

Und dann ist da noch der andere Teil des Courts. DeRozans Teams verteidigen traditionell schlechter, wenn er auf dem Court steht, oft sogar ziemlich deutlich. LaVine ist nicht für seine Defense bekannt, auch wenn er vergangene Saison Fortschritte machte. Vucevic ist bemüht, aber fußlahm. Das sind drei Starter und drei der vier Topverdiener im Kader.

Ball, Caruso und Sophomore Patrick Williams (perspektivisch) sind gute Verteidiger, doch auch mit ihnen wird es schwer werden, um die "Big 3" herum eine wenigstens durchschnittliche Defense zu konstruieren. Zumal der Frontcourt nach den Abgängen von Young, Aminu und Daniel Theis sehr ausgedünnt daherkommt. Bei Restricted Free Agent Lauri Markkanen steht die Entscheidung noch aus, verteidigen kann der Finne allerdings ohnehin nicht.

Chicagos Offseason ist noch nicht beendet und es gibt noch Möglichkeiten, den Kader aufzufüllen, etwa mit einem Markkanen-Sign-and-Trade (das wäre ein Hattrick!) oder indem man die Caruso- und Theis-Verträge zu einem doppelten Sign-and-Trade umfunktioniert. Das würde Ressourcen freischaufeln, um noch etwas Balance in den Kader zu bringen.

Chicago verschenkte ohne Not seine Flexibilität

Womit wir beim entscheidenden Stichwort sind: Ressourcen. Die Bulls haben nach dem Vucevic-Trade nun erneut ohne große Not Assets in einen guten, nicht überragenden (und nicht gut ins Team passenden) Ü30er investiert und wie ein Team operiert, das nicht etwa Lottery-Stammgast ist, sondern kurz vor dem Angriff auf die Spitze steht.

Eine gewisse Ungeduld ist bei den Bulls nach etlichen schwachen Jahren verständlich, doch das Resultat ist nun: Chicago wird vielleicht mal wieder die Playoffs erreichen, hat aber wohl keinen realistischen Weg zu einem echten Top-Team. Was auch daran liegt, dass man bis 2026 voraussichtlich nur zwei Erstrundenpicks haben wird. Die Flexibilität, die Chicago derzeit eigentlich haben sollte, wurde an die Magic und nun an San Antonio verschenkt.

Der vorläufige Kader der Chicago Bulls

Point GuardShooting GuardSmall ForwardPower ForwardCenter
Lonzo BallZach LaVineDeMar DeRozanPatrick WilliamsNikola Vucevic
Alex CarusoCoby White Troy Brown Jr.
Devon DotsonAyo Dosunmu