NBA-Kolumne Above the Break: Das Make-or-Break-Team 21/22 - Für diese jungen Spieler wird es ernst

Ole Frerks
14. Oktober 202109:41
Tyrese Maxeygetty
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In gut einer Woche beginnt endlich die neue NBA-Saison - also kehrt auch "Above the Break" zurück! Diesmal blicken wir auf sechs junge Spieler, die in der kommenden Spielzeit ihren Durchbruch feiern und ihren Teams auf die nächste Stufe helfen könnten.

Breakout-Kandidaten gibt es logischerweise bei fast allen Teams, insbesondere bei den schlechten - so gehört sich das ja auch, miese Bilanzen führen schließlich im Normalfall zu hohen Draft-Picks und damit jungen Talenten.

Hier soll es heute jedoch nicht, frei nach Tupac Shakur, um Rosen gehen, die aus dem Beton wachsen könnten (sorry, Darius Garland, Kevin Porter Jr. und Jonathan Isaac), sondern um junge Spieler, die bei ambitionierten Teams vor einem Sprung stehen - und die diesen Teams dabei helfen könnten, ebenfalls einen solchen Sprung hinzulegen.

Diese Spieler stehen einerseits vor einer Chance, andererseits stehen sie auch in der Verantwortung. Sie können mit darüber entscheiden, wo es für ihre Teams kurz- und teilweise auch langfristig hingehen wird.

Tyrese Maxey (Guard, Philadelphia 76ers)

Mehr als genug wurde im Lauf der gesamten Offseason zweifelsohne über Ben Simmons und seinen Wechselwunsch/Streik/Boykott/Erpressungsversuch geschrieben und gesprochen. Nun hat sich der Australier nach langem hin und her doch bei den Sixers gemeldet, die Seifenopfer geht also in die nächste Runde.

Dass Simmons eine langfristige Zukunft in Philly haben wird, ist trotzdem nahezu ausgeschlossen. Noch ist nicht einmal abzusehen, ob er für die Sixers spielen wird oder nicht. Wie Doc Rivers am Mittwoch noch einmal bestätigte, wissen die Sixers dies selbst nicht. Nach wie vor bevorzugen alle Seiten einen Trade, der jederzeit um die Ecke kommen kann.

Früher oder später wird dann womöglich der Spieler einen Teil dieser Aufmerksamkeit bekommen, der Simmons perspektivisch und vielleicht sogar direkt zum Saisonstart in der Starting Five ersetzen könnte. Maxey (20) erlebte ein Rookie-Jahr mit Licht und Schatten, ließ jedoch auch immer wieder sein Potenzial als Verteidiger und Scorer durchblitzen und wirkte auch in den Playoffs keineswegs ängstlich.

Als er bei der Summer League aufkreuzte, zogen ihn die Sixers nach zwei Spielen aus dem Verkehr, weil er dem Geschehen spielerisch "entwachsen" war - oft ist das ein Zeichen, dass ein Spieler vor dem Sprung steht.

Diesen brauchen die Sixers allerdings auch. Maxey spielte als Rookie nur rund 15 Minuten pro Partie, jetzt soll er die Saison auf der schwierigsten Position im Basketball eröffnen - obwohl er vom Naturell her ein Zweier ist. "Er ist kein natürlicher Point Guard. Das ist eine Position, die er erlernen muss", sagte Rivers im Training Camp.

Cleaning the Glass notierte vergangene Saison genau eine Possession, die Maxey als Simmons-Vertreter mit den restlichen Sixers-Startern auf dem Court stand. Das dürfte nun deutlich mehr werden, was auch immer Simmons entscheidet. Das ergibt mit dem jetzigen Kader auch Sinn: Philly hat zwar noch andere Guards, etwa Shake Milton, der in der Preseason auch mal auf der Eins startete, die Upside spricht jedoch relativ eindeutig für den Nr.21-Pick des Vorjahres.

Maxey ist athletisch und schnell, er ist kein überragender, aber zumindest bemühter Playmaker. Er ist noch kein starker Schütze, im Gegensatz zu seinem Vorgänger hält ihn das aber nicht davon ab, Würfe zu nehmen. Als Rookie nahm er exzessive 44 Prozent seiner Würfe aus der Mitteldistanz (90. Perzentil!), schon in der Summer League war aber zu sehen, dass ihm nahegelegt wurde, mehr Abschlüsse weiter nach außen zu verlegen.

Sollte Maxey es schaffen, seinen Dreier und seine Effizienz im Allgemeinen ein wenig nach oben zu schrauben, könnte das ein Game-Changer für ihn und auch für sein Team sein. Im Vergleich zu Simmons fehlt zwar eine Portion Defense und auch Playmaking, insbesondere in Transition, Perimeter-Creation im Halbfeld lieferte der Australier indes kaum. Maxey, der übrigens genau wie Simmons von Rich Paul vertreten wird, könnte das mit der Zeit vielleicht ändern.

Selbst wenn die Sixers Simmons noch loswerden und dabei weitere Optionen für den Backcourt zurückbekommen - und das sollten sie! - könnte der Guard auf lange Sicht ein wichtiger Rotationsspieler in Philly sein. Für den Moment ist er aufgrund der einzigartigen Situation mit Simmons sogar etwas mehr als das.

Die Stats von Tyrese Maxey 2020/21

SpieleMinutenPunkteFG%3FG%AssistsTurnover
Regular Season6115,3846,230,120,7
Playoffs12136,343,933,31,30,4

Tyler Herro (Guard, Miami Heat)

Es ist erst ein gutes Jahr her, dass der Heat-Guard mit seinem Stank Face für einen der legendären Momente der Bubble sorgte - seither gingen anderthalb Saisonvorbereitungen und eine ganze weitere Saison ins Land. Glanzpunkte dieser Art konnte Herro jedoch eher nicht mehr produzieren.

Herro spielte kein katastrophales Jahr, aber er war eben auch nicht auf dem Bubble-Niveau unterwegs oder konnte sich gar steigern. Miami wollte ihm mehr Ballhandling-Pflichten übertragen, auch um Jimmy Butler ein wenig zu entlasten, das funktionierte aber nur bedingt. Herro verteilte mehr Assists, in seinen Minuten ohne Butler verloren die Heat dennoch durchschnittlich mit -9,2 Punkten pro 100 Ballbesitzen.

Auch als Scorer blieb ein Schritt bei Herro in Jahr zwei aus: Er schloss etwas besser am Ring ab, dafür ging die Quote von draußen zurück und er nahm zu viele lange Zweier. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es auch keine Steigerung von der Regular Season zu den Playoffs - im Gegenteil. Herro hatte seinen Anteil daran, als ein völlig überfordertes Miami diesmal von den Bucks an die Wand gespielt wurde.

Nun stellt sich die Frage, wie es in dieser Spielzeit für Herro weitergeht. Mit Kyle Lowry ist ein neuer Playmaker da, der die offensive Abhängigkeit der Heat von Butler reduzieren soll - neben ihm dürfte Herro wieder etwas mehr ohne Ball spielen. Selbst wenn Herro der Sixth Man der Heat wird, was realistisch erscheint, wird er vermutlich zumeist mit wenigstens einem der beiden Stars zusammenspielen. Seiner Effizienz sollte das definitiv helfen.

Lowry (35) ist wiederum sogar noch älter als Butler (32), Herro (21) ist neben dem bereits etablierten All-Star Bam Adebayo (24) fast der einzige Spieler im Kader, der noch signifikant Luft nach oben besitzt. Die Heat müssen hoffen, dass er etwas davon freisetzen kann, denn ihre Bank sieht hinter einer bärenstarken Starting Five ansonsten derzeit ziemlich übel aus.

Miami Heat: Die Depth Chart 21/22

Point GuardShooting GuardSmall ForwardPower ForwardCenter
Kyle LowryJimmy ButlerDuncan RobinsonP.J. TuckerBam Adebayo
Tyler HerroVictor OladipoMax StrusMarkieff MorrisDewayne Dedmon
Gabe Vincent KZ OkpalaOmer Yurtseven

Miami ist stark darin, aus No-Names echte Rotationsspieler zu machen, gut möglich, dass dies den Heat auch in dieser Spielzeit gelingt. Sie haben viel Qualität in der Spitze und geht man davon aus, dass es nicht wieder etliche Corona-Ausfälle gibt wie in der Vorsaison, sollte allein schon Lowrys Ankunft dafür sorgen, dass die Offense deutlich besser wird (vergangene Saison: Platz 19 beim Offensiv-Rating).

Wie viel jedoch möglich ist und ob man am Ende vielleicht sogar den Ost-Giganten Brooklyn oder Milwaukee in die Suppe spucken kann, wird nicht nur von den Oldies entschieden. Herro hat schon gezeigt, dass er Feuer fangen kann und dann auch in der Postseason mal unstoppable bist. Der nächste Schritt wird sein, konstant darin zu werden.

Talen Horton-Tucker (Guard/Forward, Los Angeles Lakers)

Niemand mag Verletzungen. THT hätte seinen Platz im Make-or-Break-Team sicher gehabt, er hat das Potenzial, zum X-Faktor der Lakers zu werden. Das kann ja noch werden. Gute Besserung an dieser Stelle.

Jordan Poole (Guard, Golden State Warriors)

Konstanz ist auch bei Poole ein wichtiges Thema. "The Microwave" hat bewiesen, dass er heiß laufen kann, es kann indes auch recht leicht in die andere Richtung gehen. Vergangene Saison etwa kehrte er im März brandheiß nach einem Abstecher in der G-League zurück, nur um dann im April komplett abzurauschen. Im Mai verließ er sein Loch hingegen wieder und war zum Ende der Saison bisweilen der wichtigste Unterstützer für Stephen Curry.

Jordan Poole: Seine Statistiken vor und nach der G-League

SpieleMinutenPunkteFG%3FG%Assists
Vor159,65,542,633,30,9
Nach3623,514,743,335,42,4

Die Warriors haben nun ein paar neue Spieler im Kader, früher oder später soll außerdem auch Klay Thompson endlich zurückkehren und seinen rechtmäßigen Platz an Currys Seite einnehmen. Bis dahin soll jedoch Poole starten - und selbst nach Klays Rückkehr wird der 22-Jährige definitiv weiter gebraucht.

Poole kann auf beiden Guard-Positionen eingesetzt werden, seine mittlerweile deutlich kräftigere Statur dürfte ihn auch zu einem besseren Verteidiger machen. Er kann mit dem Ball in der Hand Würfe kreieren, das unterscheidet ihn von einem Großteil der Warriors-Spieler, die nicht Curry mit Nachnamen heißen.

Und er kann jenem Curry Platz verschaffen. Pooles Wurf ist eine Waffe, auch wenn er es bisweilen fast schon übertreibt - fast 60 Prozent seiner Würfe in der vergangenen Saison waren Dreier. In der Preseason, in der er bis dato richtig gut aufspielte, zeigte er ein neues Interesse am Zug zum Korb.

Poole hat die Chance, sich ein für allemal in Golden State festzuspielen - zumal es auch bei ihm bereits um den nächsten Vertrag geht. "Er hat die Chance, vor allem in Klays Abwesenheit, wirklich einen Eindruck zu hinterlassen", sagte Draymond Green zu The Athletic. "Es besteht die Möglichkeit für eine Vertragsverlängerung. Deswegen weiß ich, worum es für ihn geht und was für einen Druck das bedeutet. Ich erwarte von ihm, dass er einen großen Schritt macht."

Die Warriors würden das sicherlich gerne sehen. Mit den Splash Brothers hofft man in Golden State auf die Rückkehr zum Contender-Status, das ist allerdings keineswegs eine ausgemachte Sache. Und es wird Unterstützung brauchen. Poole ist dafür ein besserer Kandidat als die Lottery-Picks Jonathan Kuminga, Moses Moody und auch James Wiseman.

Jaren Jackson Jr. (Forward/Center, Memphis Grizzlies)

Triple J ist eigentlich schon ein Stück weiter als der Rest der hier aufgeführten Spieler. Er war der Nr.4-Pick 2018, wurde nahezu sofort als neues Einhorn in der Liga aufgenommen und in seiner zweiten Saison als kongenialer Big-Man-Partner für Ja Morant gefeiert.

Es hat jedoch seine Gründe, dass Jackson nicht wie andere Mitglieder seines Draft-Jahrgangs (Luka Doncic, Trae Young, Shai Gilgeous-Alexander, Michael Porter Jr.) längst eine monströse vorzeitige Vertragsverlängerung unterschrieben hat. Jahr drei war ein Seuchenjahr für Jackson, der erst gegen Ende der Regular Season von seinem Meniskusriss aus der Bubble zurückkehrte und bis in die Playoffs hinein nicht wirklich seinen Rhythmus fand.

Vor Jahr vier stellt sich nun also die Frage: Was genau haben die Grizzlies eigentlich an Jackson? Viel hat sich bei ihm bisher nur theoretisch abgespielt: In der Theorie ist er ein ultra-mobiler Ringbeschützer, eine echte Waffe in der Defense, in der Praxis ist er bis dato viel zu foulanfällig und als Rebounder deutlich zu schwach, um als alleiniger Big seines Teams zu funktionieren.

Memphis setzte Jackson bisher überwiegend als Forward neben Jonas Valanciunas ein, der nun für Steven Adams fortgeschickt wurde. Mit Jackson als Center hatten die Grizz in keinem seiner bisherigen Jahre ein positives Net-Rating (vergangene Saison war es richtig düster: -17,6!). Dabei sollte die Fünf langfristig eigentlich die Position sein, auf der er seinem Team am meisten helfen sollte.

Offensiv ist immerhin schon absehbar, wie das funktionieren kann. Jacksons bisher bester NBA-Skill ist sein Distanzwurf: Fast 40 Prozent traf er in Jahr zwei bei 6,5 Versuchen pro Spiel, das ist sensationell für einen jungen Big Man - und es schafft Platz für die Drives von Morant.

Es bleibt zu hoffen, dass Jackson diese Präzision in seiner vierten Saison wiederfindet, und dass er auch defensiv wieder Schritte in die richtige Richtung macht. Diese Saison wird vermutlich darüber entscheiden, ob er in Memphis als legitimer Co-Star für Morant oder als dessen "Gehilfe" angesehen wird. Um viel Geld geht es natürlich auch noch.

Die Statistiken von Jaren Jackson Jr. in der NBA

SaisonSpielePunkteFG%3FG%ReboundsBlocksFouls
18/195813,850,635,94,71,43,8
19/205717,446,939,44,61,64,1
20/211114,442,428,35,61,63,8

Robert Williams (Center, Boston Celtics)

Williams und seinen potenziellen Wert hatten wir hier bereits im April thematisiert. Seither verlief sein Weg ereignisreich: Der Time Lord verletzte sich prompt, verpasste in der Regular Season 12 der letzten 17 Celtics-Spiele und kam auch gegen Brooklyn in den Playoffs nur in drei von fünf Spielen zum Einsatz. Trotzdem hinterließ er noch ein Ausrufezeichen: In Spiel 1 gegen die Nets kratzte Williams mit 11 Punkten, 9 Rebounds und 9 Blocks in 23 Minuten - von der Bank kommend - an einem ungewöhnlichen Triple-Double.

In der Offseason holten die Celtics mit Al Horford einen Altbekannten zurück, dennoch ist Williams der Schlüsselspieler auf der Fünf. Er bekam mit einem Vierjahresvertrag über 54 Millionen Dollar das Vertrauen ausgesprochen, in der Preseason startete er neben Horford, der zumindest vorerst wieder auf Power Forward gerückt ist.

Williams soll zum zukünftigen Kern der Celtics gehören, seinen Platz an der Seite von Jayson Tatum, Jaylen Brown und Marcus Smart einnehmen. Das Talent dafür besitzt er, das ist mittlerweile offenkundig. Völlig unklar hingegen ist, ob sein Körper einer höheren Belastung auf Dauer standhält.

Williams stand in der vergangenen Saison für rund 70 Prozent der Spiele zur Verfügung, das ist schon mit Abstand sein bisheriger Karrierebestwert gewesen. Ein einziges Mal spielte er in seinen bisher 113 (Regular Season-)Spielen für die Celtics mehr als 30 Minuten.

Kurzfristig kann Boston Ausfälle des 23-Jährigen kompensieren, dafür sorgt Horford. Der Oldie ist idealerweise jedoch eher ein Platzhalter, kein fester Bestandteil der weiterführenden Planungen und womöglich sogar ein Trade-Kandidat. Die entscheidende Frage ist, ob Williams ihn tatsächlich entbehrlich machen wird.