Breakout-Kandidaten gibt es logischerweise bei fast allen Teams, insbesondere bei den schlechten - so gehört sich das ja auch, miese Bilanzen führen schließlich im Normalfall zu hohen Draft-Picks und damit jungen Talenten.
Hier soll es heute jedoch nicht, frei nach Tupac Shakur, um Rosen gehen, die aus dem Beton wachsen könnten (sorry, Darius Garland, Kevin Porter Jr. und Jonathan Isaac), sondern um junge Spieler, die bei ambitionierten Teams vor einem Sprung stehen - und die diesen Teams dabei helfen könnten, ebenfalls einen solchen Sprung hinzulegen.
Diese Spieler stehen einerseits vor einer Chance, andererseits stehen sie auch in der Verantwortung. Sie können mit darüber entscheiden, wo es für ihre Teams kurz- und teilweise auch langfristig hingehen wird.
Tyrese Maxey (Guard, Philadelphia 76ers)
Mehr als genug wurde im Lauf der gesamten Offseason zweifelsohne über Ben Simmons und seinen Wechselwunsch/Streik/Boykott/Erpressungsversuch geschrieben und gesprochen. Nun hat sich der Australier nach langem hin und her doch bei den Sixers gemeldet, die Seifenopfer geht also in die nächste Runde.
Dass Simmons eine langfristige Zukunft in Philly haben wird, ist trotzdem nahezu ausgeschlossen. Noch ist nicht einmal abzusehen, ob er für die Sixers spielen wird oder nicht. Wie Doc Rivers am Mittwoch noch einmal bestätigte, wissen die Sixers dies selbst nicht. Nach wie vor bevorzugen alle Seiten einen Trade, der jederzeit um die Ecke kommen kann.
Früher oder später wird dann womöglich der Spieler einen Teil dieser Aufmerksamkeit bekommen, der Simmons perspektivisch und vielleicht sogar direkt zum Saisonstart in der Starting Five ersetzen könnte. Maxey (20) erlebte ein Rookie-Jahr mit Licht und Schatten, ließ jedoch auch immer wieder sein Potenzial als Verteidiger und Scorer durchblitzen und wirkte auch in den Playoffs keineswegs ängstlich.
Als er bei der Summer League aufkreuzte, zogen ihn die Sixers nach zwei Spielen aus dem Verkehr, weil er dem Geschehen spielerisch "entwachsen" war - oft ist das ein Zeichen, dass ein Spieler vor dem Sprung steht.
Diesen brauchen die Sixers allerdings auch. Maxey spielte als Rookie nur rund 15 Minuten pro Partie, jetzt soll er die Saison auf der schwierigsten Position im Basketball eröffnen - obwohl er vom Naturell her ein Zweier ist. "Er ist kein natürlicher Point Guard. Das ist eine Position, die er erlernen muss", sagte Rivers im Training Camp.
Cleaning the Glass notierte vergangene Saison genau eine Possession, die Maxey als Simmons-Vertreter mit den restlichen Sixers-Startern auf dem Court stand. Das dürfte nun deutlich mehr werden, was auch immer Simmons entscheidet. Das ergibt mit dem jetzigen Kader auch Sinn: Philly hat zwar noch andere Guards, etwa Shake Milton, der in der Preseason auch mal auf der Eins startete, die Upside spricht jedoch relativ eindeutig für den Nr.21-Pick des Vorjahres.
Maxey ist athletisch und schnell, er ist kein überragender, aber zumindest bemühter Playmaker. Er ist noch kein starker Schütze, im Gegensatz zu seinem Vorgänger hält ihn das aber nicht davon ab, Würfe zu nehmen. Als Rookie nahm er exzessive 44 Prozent seiner Würfe aus der Mitteldistanz (90. Perzentil!), schon in der Summer League war aber zu sehen, dass ihm nahegelegt wurde, mehr Abschlüsse weiter nach außen zu verlegen.
Sollte Maxey es schaffen, seinen Dreier und seine Effizienz im Allgemeinen ein wenig nach oben zu schrauben, könnte das ein Game-Changer für ihn und auch für sein Team sein. Im Vergleich zu Simmons fehlt zwar eine Portion Defense und auch Playmaking, insbesondere in Transition, Perimeter-Creation im Halbfeld lieferte der Australier indes kaum. Maxey, der übrigens genau wie Simmons von Rich Paul vertreten wird, könnte das mit der Zeit vielleicht ändern.
Selbst wenn die Sixers Simmons noch loswerden und dabei weitere Optionen für den Backcourt zurückbekommen - und das sollten sie! - könnte der Guard auf lange Sicht ein wichtiger Rotationsspieler in Philly sein. Für den Moment ist er aufgrund der einzigartigen Situation mit Simmons sogar etwas mehr als das.
Die Stats von Tyrese Maxey 2020/21
Spiele | Minuten | Punkte | FG% | 3FG% | Assists | Turnover | |
Regular Season | 61 | 15,3 | 8 | 46,2 | 30,1 | 2 | 0,7 |
Playoffs | 12 | 13 | 6,3 | 43,9 | 33,3 | 1,3 | 0,4 |
Tyler Herro (Guard, Miami Heat)
Es ist erst ein gutes Jahr her, dass der Heat-Guard mit seinem Stank Face für einen der legendären Momente der Bubble sorgte - seither gingen anderthalb Saisonvorbereitungen und eine ganze weitere Saison ins Land. Glanzpunkte dieser Art konnte Herro jedoch eher nicht mehr produzieren.
Herro spielte kein katastrophales Jahr, aber er war eben auch nicht auf dem Bubble-Niveau unterwegs oder konnte sich gar steigern. Miami wollte ihm mehr Ballhandling-Pflichten übertragen, auch um Jimmy Butler ein wenig zu entlasten, das funktionierte aber nur bedingt. Herro verteilte mehr Assists, in seinen Minuten ohne Butler verloren die Heat dennoch durchschnittlich mit -9,2 Punkten pro 100 Ballbesitzen.
Auch als Scorer blieb ein Schritt bei Herro in Jahr zwei aus: Er schloss etwas besser am Ring ab, dafür ging die Quote von draußen zurück und er nahm zu viele lange Zweier. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es auch keine Steigerung von der Regular Season zu den Playoffs - im Gegenteil. Herro hatte seinen Anteil daran, als ein völlig überfordertes Miami diesmal von den Bucks an die Wand gespielt wurde.
Nun stellt sich die Frage, wie es in dieser Spielzeit für Herro weitergeht. Mit Kyle Lowry ist ein neuer Playmaker da, der die offensive Abhängigkeit der Heat von Butler reduzieren soll - neben ihm dürfte Herro wieder etwas mehr ohne Ball spielen. Selbst wenn Herro der Sixth Man der Heat wird, was realistisch erscheint, wird er vermutlich zumeist mit wenigstens einem der beiden Stars zusammenspielen. Seiner Effizienz sollte das definitiv helfen.
Lowry (35) ist wiederum sogar noch älter als Butler (32), Herro (21) ist neben dem bereits etablierten All-Star Bam Adebayo (24) fast der einzige Spieler im Kader, der noch signifikant Luft nach oben besitzt. Die Heat müssen hoffen, dass er etwas davon freisetzen kann, denn ihre Bank sieht hinter einer bärenstarken Starting Five ansonsten derzeit ziemlich übel aus.
Miami Heat: Die Depth Chart 21/22
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
Kyle Lowry | Jimmy Butler | Duncan Robinson | P.J. Tucker | Bam Adebayo |
Tyler Herro | Victor Oladipo | Max Strus | Markieff Morris | Dewayne Dedmon |
Gabe Vincent | KZ Okpala | Omer Yurtseven |
Miami ist stark darin, aus No-Names echte Rotationsspieler zu machen, gut möglich, dass dies den Heat auch in dieser Spielzeit gelingt. Sie haben viel Qualität in der Spitze und geht man davon aus, dass es nicht wieder etliche Corona-Ausfälle gibt wie in der Vorsaison, sollte allein schon Lowrys Ankunft dafür sorgen, dass die Offense deutlich besser wird (vergangene Saison: Platz 19 beim Offensiv-Rating).
Wie viel jedoch möglich ist und ob man am Ende vielleicht sogar den Ost-Giganten Brooklyn oder Milwaukee in die Suppe spucken kann, wird nicht nur von den Oldies entschieden. Herro hat schon gezeigt, dass er Feuer fangen kann und dann auch in der Postseason mal unstoppable bist. Der nächste Schritt wird sein, konstant darin zu werden.
Talen Horton-Tucker (Guard/Forward, Los Angeles Lakers)
Niemand mag Verletzungen. THT hätte seinen Platz im Make-or-Break-Team sicher gehabt, er hat das Potenzial, zum X-Faktor der Lakers zu werden. Das kann ja noch werden. Gute Besserung an dieser Stelle.