Etwas mehr als einen Monat ist die Saison 2021/22 alt und das MVP-Rennen hat bereits ordentlich an Fahrt aufgenommen. Der amtierende Würdenträger spielt eine historisch starke Saison, Kevin Durant den besten Basketball seiner Karriere - und doch spuckt einer allen Konkurrenten in die Suppe.
Kaum war die neue NBA-Saison ein paar Tage alt, schon wurden über die MVP-Chancen der Stars spekuliert. Fast schon traditionell wurden voreilige Schlüsse gezogen und Prognosen angestellt, sodass in manch einem Blog sogar ein Miles Bridges nach einem brandheißen Start in die MVP-Diskussion gehievt wurde. Absolut nichts gegen Bridges, aber das war dann doch etwas überhastet.
Mittlerweile ist jedoch das erste Saisonviertel fast in den Büchern und es kristallisieren sich die ersten "echten" Favoriten auf den Award des wertvollsten Spielers der Saison heraus. Höchste Zeit für den ersten SPOX-Check. Ab sofort werfen wir jeden Monat einen Blick auf das MVP-Rennen.
Der wertvollste Spieler muss dabei nicht zwingend der beste Basketballer der Welt sein, ohnehin hat fast jeder Fan seine eigene Definition, was einen MVP ausmacht. Bei uns spielen sowohl die individuellen Leistungen, als auch der Einfluss auf die komplette Mannschaft und somit der Teamerfolg in die Wertung mit hinein - und ganz ohne Subjektivität kommt man ohnehin nicht aus.
Bevor es an unsere Top 5 geht: Wo ein Ranking, da auch Snubs. Knapp nicht auf die Liste geschafft haben es unter anderem Paul George (Clippers), DeMar DeRozan (Bulls), Chris Paul (Suns), Ja Morant (Grizzlies), Luka Doncic (Mavericks) oder Rudy Gobert (Jazz). Doch wem gebühren Stand jetzt die MVP-Ehren?
PLATZ 5: JIMMY BUTLER (MIAMI HEAT)
Teambilanz: 12-7, Platz 2 in der Eastern Conference
Stats 2021/22: 23,9 Punkte, 5,9 Rebounds, 5,3 Assists und 1,9 Steals bei 52,7 Prozent aus dem Feld und 23,1 Prozent Dreierquote (16 Spiele)
Glückwunsch zum Platz am MVP-Tisch möchte man Butler eigentlich zurufen. Nur wäre das verschenkte Liebesmühe, dem 32-Jährigen scheint diese Ehre vollkommen egal zu sein. "Ich brauche das nicht. Wir brauchen eine Championship, darum mache ich mir Sorgen. All diese individuellen Auszeichnungen können sie behalten", sagte Butler in der vorigen Woche.
Die Aussage könnte auch aus einem Werbeprospekt zur #HeatCulture stammen, man kauft sie Butler aber zweifelsfrei ab. Der Teamerfolg steht bei ihm und seinen Heat-Kollegen an vorderster Stelle, und sie liefern ab. Miami ist nach Siegen das zweitbeste Team im Osten, nach Offensiv-Rating das achtbeste der Liga (111,6 Punkte pro 100 Possessions ohne Garbage Time laut Cleaning the Glass) und nach Defensiv-Rating das fünftbeste (104,7). Und Butler ist derjenige, der den Ton angibt.
Als Two-Way-Spieler übernimmt Butler gerne auch mal den besten Flügelspieler des Gegners, während er Miami auf der anderen Seite des Courts in Sachen Scoring anführt. Dieser Aspekt des Spiels gelingt ihm so gut wie noch nie in seiner Karriere, auch weil er seit der Ankunft von Kyle Lowry weniger Playmaking-Pflichten übernehmen muss.
In dieser Saison hat Butler bereits fünf Partien mit 30+ Punkten gesammelt - genauso viele wie in der kompletten Vorsaison. Seine 23,9 Punkte im Schnitt stellen einen persönlichen Karrierebestwert ein, auch seine True-Shooting Percentage von 62,5 Prozent (obwohl er keine Dreier trifft) sowie sein Player Efficiency Rating (28,4, Platz 3 ligaweit) sind Career-Highs. Als wäre all das noch nicht genug, belegt er teamintern jeweils Rang 2 bei den Rebounds sowie Assists und führt die Heat bei den Steals an (Platz 7 ligaweit). Ob es ihm gefällt oder nicht, Butler gehört auf diese Liste.
PLATZ 4: GIANNIS ANTETOKOUNMPO (MILWAUKEE BUCKS)
Teambilanz: 11-8, Platz 6 in der Eastern Conference
Stats 2021/22: 27,2 Punkte, 11,7 Rebounds, 5,9 Assists und 1,9 Blocks bei 51,0 Prozent aus dem Feld und 27,5 Prozent Dreierquote (18 Spiele)
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Bucks in der Eastern Conference weiter Boden gutmachen und sich nach und nach Richtung Top 3 schieben. Der Teamerfolg ist der einzige Aspekt, der Giannis in diesem Ranking etwas schadet, seine individuellen Zahlen sind auf einem ähnlichen Level wie in seiner ersten MVP-Saison 2018/19, auch wenn die Effizienz noch nicht ganz auf dem dominanten Niveau von damals ist.
Dass die Bucks zwischenzeitlich bei einer Bilanz von 6-8 standen, ist keineswegs die Schuld von Antetokounmpo. Die Verletzungssorgen seiner Co-Starter wie Khris Middlezon (8 von 19 Spielen verpasst), Jrue Holiday (6) oder Brook Lopez (18) spielten durchaus eine Rolle. Giannis wehrt sich trotzdem mit gewohnt brachialer "Freakiness". Mit ihm auf dem Court legen die Bucks ein Net-Rating von +14,0 auf - ohne ihn: -18,9! Bei keinem Spieler aus der MVP-Top-5 ist die Differenz größer.
Durch den Ausfall von Lopez kommt auf Giannis zudem eine noch größere Verantwortung als Ringbeschützer in der Defense zu, die er mit Bravour meistert - zugegeben, das ist keine große Überraschung. In Ringnähe treffen Antetokounmpos Gegner nur 45,7 Prozent ihrer Versuche, der Durchschnitt liegt bei 60,3 Prozent. Der 26-Jährige bewegt sich damit in den Gefilden eines Rudy Gobert.
Seit der Rückkehr von Middleton und Holiday hat der amtierende Champion übrigens fünf Spiele in Folge gewonnen, in denen der Greek Freak im Schnitt 29 Punkte, 12,6 Rebounds, 5,8 Assists und 2,4 Blocks auflegte. Gar nicht mal so schlecht. Mit Giannis ist auch in dieser Saison im MVP-Rennen zu rechnen, gut möglich, dass er in den kommenden Wochen genau wie die Bucks im Osten in diesem Ranking klettern wird.
PLATZ 3: NIKOLA JOKIC (DENVER NUGGETS)
Teambilanz: 9-9, Platz 9 in der Western Conference
Stats 2021/22: 26,4 Punkte, 13,6 Rebounds, 6,4 Assists und 1,2 Steals bei 59,3 Prozent aus dem Feld und 41,0 Prozent Dreierquote (14 Spiele)
Eine Siegquote von gerade einmal 50 Prozent und trotzdem Platz 3 im MVP-Ranking? Da muss Nikola Jokic schon eine gewaltige individuelle Duftmarke hingelegt haben, um das zu rechtfertigen. Genau das ist der Fall. Der Titelverteidiger ist der Darling der Advanced Stats, er führt die Liga mit großem Abstand beim Box Plus/Minus an, bei VORP (Value over Replacement Player), bei Win Shares pro 48 Minuten oder beim PER.
Dazu ein kleiner historischer Abstecher: Das höchste Player Efficiency Rating aller Zeiten in einer Saison legte Antetokounmpo 2019/20 auf. Sein Wert damals: 31,9. Jokic' Wert nach den ersten knapp eineinhalb Monaten in der laufenden Spielzeit: 35,3! Klar, PER ist keine perfekte Statistik, aber das ist absurd.
Und dennoch reicht es nicht für die Spitze im MVP-Ranking. Trotz irrer Counting Stats (kein anderer Spieler kommt in der aktuellen Saison auf mindestens 25 Punkte und 12 Rebounds pro Spiel), trotz unübertroffener Effizienz (Career-High 66,8 Prozent True Shooting, der beste Wert unter allen Spieler mit mindestens 20 Punkten pro Spiel), trotz tatsächlicher guter Defense. Gegen eine höhere Platzierung spricht am Ende eben doch der fehlende Teamerfolg.
Ähnlich wie bei Giannis muss auch hier festgehalten werden: Die überschaubare Bilanz von neun Siegen zu neun Niederlagen liegt nicht am Joker (die On/Off-Zahlen: +12,6 Net-Rating mit Jokic zu -17,3 ohne ihn). Stattdessen leiden die Nuggets unter den Ausfällen von Jamal Murray (Kreuzbandriss), Michael Porter Jr. (Rückenprobleme) und nun auch P.J. Dozier (Kreuzbandriss).
Als Jokic die vergangenen drei Spiele mit Problemen am Handgelenk pausieren musste, verlor Denver direkt alle drei Partien, darunter zwei Blowout-Pleiten gegen die Suns und Blazers. Dass er die Nuggets zuvor im Alleingang auf Playoff-Kurs hielt, muss ihm hoch angerechnet werden. Die Teambilanz könnte für den Serben dennoch eine zu große Hürde auf dem Weg zum MVP-Repeat sein.
Die historisch besten PER-Saisons und die Führenden in 2021/22
PER-Leaders in 2021/22 | Die historisch besten PER-Saisons | |||||
Platz | Name | PER | Platz | Name | PER | |
1 | Nikola Jokic (DEN) | 35,3 | 1 | Nikola Jokic (21/22, DEN) | 35,3 | |
2 | Giannis Antetokounmpo (MIL) | 31,2 | 2 | Giannis Antetokounmpo (19/20, MIL) | 31,9 | |
3 | Jimmy Butler (MIA) | 28,4 | 3 | Wilt Chamberlain (62/63, SFW) | 31,8 | |
4 | Montrezl Harrell (WAS) | 27,9 | 4 | Wilt CHamberlain (61/62, PHW) | 31,7 | |
5 | Stephen Curry ((GSW) | 27,5 | 5 | LeBron James (08/09, CLE) | 31,7 |
PLATZ 2: KEVIN DURANT (BROOKLYN NETS)
Teambilanz: 14-5, Platz 1 in der Eastern Conference
Stats 2021/22: 28,1 Punkte, 7,6 Rebounds und 5,3 Assists bei 55,6 Prozent aus dem Feld und 39,8 Prozent Dreierquote (18 Spiele)
Kevin Durants MVP-Argumente bündeln sich in einer Frage: Wie soll man diesen Typen nur stoppen? Der Slim Reaper wirkt wie aus einem Videospiel in die Basketball-Arenen Nordamerikas importiert. Wer würde bei MyPlayer in 2K nicht gerne einen 2,08-Meter-Mann mit unfassbar weichem Handgelenk, Ballhandling-Skills und Defense für sich erstellen.
Diese Kombination macht den Versuch, eine Verteidigungslinie gegen KD aufzustellen, fast schon unfair. Durant fühlt sich mit jedem Wurf aus jeder Situation und von jeder Position wohl, einen schlechten Abschluss gibt es für ihn nicht. Die Zahlen untermauern dies. Sein True-Shooting-Wert von 65,5 Prozent ist der zweitbeste seiner Karriere (unter allen Volume-Scorern ist nur Jokic effizienter) - und das bei 28,1 Punkten pro Spiel.
Knapp zweieinhalb Jahre nach einer potenziell Karriere-gefährdenden Verletzung spielt Durant den besten Basketball seiner Laufbahn. Die Nets brauchen das derzeit auch von ihm. Ohne Impfskeptiker Kyrie Irving und mit einem James Harden weit weg vom James Harden der Vorjahre fallen derzeit zwei Gründe für manch einen MVP-Wähler weg, KD für ein mit Superstars gespicktes Team zu bestrafen.
Der zweimalige MVP und viermalige Scoring-Champ könnte schon bald seine Vitrine auf beiden Ebenen erweitern, wäre da nicht ein ehemaliger Teamkollege, der ihm in die Suppe spuckt. Dieser bereitete Brooklyn im direkten Aufeinandertreffen der beiden aktuellen MVP-Favoriten Kopfzerbrechen. Unter anderem deshalb heißt es aktuell: Vorteil Stephen Curry. Das Fernduell Durant vs. Curry wird in den kommenden Monaten aber noch viel Freude bereiten.
PLATZ 1: STEPHEN CURRY (GOLDEN STATE WARRIORS)
Teambilanz: 16-2, Platz 1 in der Western Conference
Stats 2021/22: 28,2 Punkte, 5,8 Rebounds, 6,8 Assists und 1,6 Steals bei 46,0 Prozent aus dem Feld und 41,8 Prozent Dreierquote (17 Spiele)
Die Sixers wussten, dass sie in Schwierigkeiten sind, als gegen Ende des dritten Viertels des zu dem Zeitpunkt noch knappen Duells mit den Warriors Stephen Curry erst einen Stepback-Dreier durch die Reuse hämmerte und dann ... nun ja ... tanzartige Bewegungen ausführte. 12 Minuten später hatten die Warriors das Adjektiv knapp gestrichen und stattdessen den nächsten Blowout in der Tasche. Und Curry tanzt wahrscheinlich immer noch.
Mit mittlerweile 33 Jahren hat der Chefkoch nichts seiner Gefährlichkeit eingebüßt. Stattdessen regnet es "MVP"-Sprechhöre bei Auswärtsspielen - darunter ausgerechnet in Durants Wohnzimmer -, es winkt der nächste Scoring-Titel (aktuell beträgt Currys Vorsprung auf KD allerdings nur 0,1 Punkte) und alle Welt zittert wieder vor den Warriors, wie zu besten "Strength in Numbers"-Zeiten.
Die größte Stärke der Dubs ist natürlich Curry, dessen Einfluss auf den Erfolg seines Teams weit über das schnöde Scoring hinausgeht. Zwar sind seine Zahlen ein Ticken schlechter als in der Vorsaison, doch dafür stimmt 2021/22 der Teamerfolg. Dank eines verbesserten Supporting Casts, dank Draymond Green in DPOY- und dank Curry in MVP-Form war Golden State das dominante Team der ersten Saisonwochen.
Kleiner Fun Fact am Rande: Trotz all dieser Lobpreisungen und vier Spielen mit 9+ Dreiern allein in dieser Saison (nur Patty Mills hat sonst noch eins) wäre Currys aktuelle Dreierquote von 41,8 Prozent die zweitschlechteste seiner Karriere über eine komplette Spielzeit gesehen (die fünf Spiele in 2019/20 zählen wir mal nicht mit). So verrückt es klingt, aber der zweimalige MVP hat zumindest statistisch gesehen beim Dreier noch etwas Luft nach oben. Keine gute Nachricht für die 29 Konkurrenten.
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