NBA - MVP-Ranking im Dezember: Wenn die besten Stats aller Zeiten doch nicht reichen

Philipp Jakob
28. Dezember 202110:02
Nikola Jokic legt 2021/22 überragende Statistiken auf, dennoch muss er sich im MVP-Rennen aktuell mit Platz 3 zufriedengeben.getty
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Der zweite Monat der NBA-Saison 2021/22 ist fast in den Büchern, höchste Zeit für ein Update im MVP-Rennen. Im SPOX-Ranking der besten Spieler der Saison setzt sich ein Quartett mit Siebenmeilenstiefeln vom Rest der Liga ab.

So viel sei an dieser Stelle schon mal verraten: Bulls- und Jazz-Fans werden von unserem MVP-Ranking im Dezember enttäuscht sein. Trotz der ligaweit drittbesten (Utah) beziehungsweise fünftbesten Bilanz (Chicago) findet sich kein Mann vom Salzsee und auch kein Bulle in der SPOX-Top-5.

Warum? Es gibt da ein schier übermächtiges Quartett, das dem MVP-Rennen enteilt. Zudem nehmen sich Donovan Mitchell in der effizientesten Version seiner selbst und Zonen-Dominator Rudy Gobert bei den Jazz gegenseitig die Stimmen weg. Für Bulls-Star DeMar DeRozan reicht es trotz seiner Clutch-Heldentaten ebenfalls knapp nicht.

Ein paar weitere prominente Namen, die in der Riege der Snubs zumindest einmal erwähnt werden sollten: Trae Young (Hawks), LeBron James (Lakers) oder Joel Embiid scheitern trotz teils individueller Glanzleistungen am fehlenden Teamerfolg und haben im Falle der beiden Letztgenannten im Laufe dieser Saison bereits längere Zeiträume verpasst - auch das spielt in der Bewertung eines MVPs eine wichtige Rolle.

Schließlich geht es in diesem Ranking nicht allein um die Leistungen im Dezember, stattdessen soll diese Liste ein Spiegelbild des aktuellen Stands im MVP-Rennen darstellen. Wenn die Spielzeit also heute enden würde, wer wäre der Most Valuable Player der Saison? Hier kommt die Top 5!

PLATZ 5: CHRIS PAUL (PHOENIX SUNS)

  • Teambilanz: 26-7, Platz 2 in der Western Conference
  • Stats 2021/22: 14,5 Punkte, 4,1 Rebounds, 10,0 Assists und 1,9 Steals bei 48,4 Prozent aus dem Feld und 31,6 Prozent Dreierquote (33 von 33 Suns-Spielen)

In der ersten Ausgabe des SPOX-MVP-Rankings gehörte dieser Platz noch Jimmy Butler, doch seither hat der Heat-Star nur drei weitere Spiele absolviert. Insgesamt hat Butler bereits 15 Spiele und damit knapp 45 Prozent der aktuellen Saison verpasst - das ist zu viel, wenn man im MVP-Rennen mitreden möchte. Stattdessen rutscht der Point God in die Top 5, die Gründe dafür liegen auf der Hand.

Da wäre zum einen die zweitbeste Teambilanz in der Association, nur die Golden State Warriors haben mehr Siege vorzuweisen. Nach einem durchwachsenen Saisonstart (1-3) hat der amtierende West-Champion eine irre Siegesserie von 18 Erfolgen am Stück hingelegt und anschließend trotz einer längeren Verletzungspause von Devin Booker nur sporadisch mit dem Gewinnen aufgehört.

Ohne den Topscorer des Teams steht Phoenix bei 5-2 und da kommt Paul ins Spiel. Nicht nur da, natürlich. Der 36-Jährige agiert schon die komplette Saison auf einem hervorragenden Niveau, verteilt die meisten Vorlagen der Liga (9,9 pro Spiel), setzt Gegnern mit Steals sowie Deflections zu und orchestriert die Suns-Offense (Platz 7 ligaweit laut Cleaning the Glass) als gewohnt brillanter Strippenzieher. Ohne Booker eben noch ein bisschen mehr als vorher.

Ebenfalls erwähnenswert: Paul hat trotz seines fortgeschrittenen Alters noch kein Spiel verpasst und reißt regelmäßig in der Crunchtime die Partie an sich. Die Suns gingen in zwölf von insgesamt 14 Clutch-Spielen als Sieger vom Parkett, CP3 kommt in diesen Situationen auf das ligaweit beste Plus/Minus (+56), trifft 60,9 Prozent seiner Clutch-Würfe und kommt auf 17 Assists bei nur 4 Ballverlusten. Die Suns als Team haben kaum Schwachstellen, der Kopf der Schlange hört auf den Namen Chris Paul.

PLATZ 4: GIANNIS ANTETOKOUNMPO (MILWAUKEE BUCKS)

  • Teambilanz: 22-13, Platz 3 in der Eastern Conference
  • Stats 2021/22: 27,4 Punkte, 11,6 Rebounds, 5,8 Assists und 1,6 Blocks bei 53,0 Prozent aus dem Feld und 27,5 Prozent Dreierquote (in 27 von 35 Bucks-Spielen)

Bei allem Respekt für CP3: Zwischen der Top 4 und dem Rest der Liga klafft im diesjährigen MVP-Ranking eine gewaltige Lücke. Die Gründe dafür lassen sich ganz gut am Beispiel Giannis Antetokounmpo erläutern.

Neben seiner starken Defense ist der zweifache MVP drauf und dran, zum vierten Mal in Folge Saisonstatistiken von mindestens 27 Punkten, 11 Rebounds und 5 Assists pro Spiel aufzulegen. Das gab es vor Giannis überhaupt nur fünfmal (Wilt Chamberlain 2x, Kareem Abdul-Jabbar, Elgin Baylor und Oscar Robertson). Und der Grieche macht es einfach viermal in Folge. Und landet mit so einer Saison trotzdem nicht mal unter den ersten drei MVP-Favoriten!

Das Rennen an der Spitze ist natürlich unfassbar eng. Ein Berechnungsmodell von basketball-reference.com - der NBA MVP Award Tracker - sieht Antetokounmpo sogar auf Platz eins mit Siegchancen von 19 Prozent, allerdings liegen die ersten vier Kandidaten unfassbar eng beieinander.

NBA: Die aktuellen Chancen auf den MVP Award nach basketball-reference.com

PlatzNameTeamMVP-Chancen
1.Giannis AntetokounmpoMilwaukee Bucks18,6 Prozent
2.Stephen CurryGolden State Warriors18,3 Prozent
3.Kevin DurantBrooklyn Nets17,7 Prozent
4.Nikola JokicDenver Nuggets16,2 Prozent
5.Rudy GobertUtah Jazz8,9 Prozent
6.James HardenBrooklyn Nets7,2 Prozent
7.Chris PaulPhoenix Suns5,6 Prozent

Was Giannis aktuell vom Vorpreschen in die Top 3 abhält, ist die Zwangspause von fünf Spielen, die der 27-Jährige Corona-bedingt zuletzt einlegen musste. Währenddessen hat die Top 3 - mit Abstrichen - ihre jeweiligen Teams weiter getragen und zusätzliche Argumente gesammelt. Zudem hat Giannis in Person von Khris Middleton und Jrue Holiday mehr Hilfe an seiner Seite als so manch seiner Konkurrenten.

In einem so engen MVP-Rennen spielt die Verfügbarkeit eines Spielers eine wichtige Rolle, Stand jetzt ist sie prozentual gesehen in der Top 4 bei Giannis am niedrigsten. Im Laufe der Saison kann sich das aber natürlich schnell ändern. Dank seiner historischen Dominanz klopft der Greek Freak schon jetzt laut an der Tür zur Top 3.

PLATZ 3: NIKOLA JOKIC (DENVER NUGGETS)

  • Teambilanz: 16-16, Platz 5 in der Western Conference
  • Stats 2021/22: 25,9 Punkte, 13,8 Rebounds, 7,2 Assists und 1,3 Steals bei 56,5 Prozent aus dem Feld und 36,4 Prozent Dreierquote (in 27 von 32 Nuggets-Spielen)

Wo die Beschreibung "historische Dominanz" auftaucht, ist auch der Name Nikola Jokic nicht weit. Die MVP-Argumente für den Joker wurden schon an anderer Stelle dargelegt, einmal etwas emotionaler von Zach Lowe im Live-Fernsehen, einmal etwas sachlicher vom Kollegen Ole Frerks.

Die Kurzfassung: Jokic spielt noch besser als in seiner MVP-Saison, führt die Liga in allmöglichen Advanced Stats an (beispielsweise mit dem besten PER aller Zeiten von 32,7), punktet mit einer absurden Effizienz (63,8 Prozent True Shooting) und nimmt die ersatzgeschwächten Nuggets tagein, tagaus Huckepack.

Mit dem 26-Jährigen auf dem Court legt Denver ein Net-Rating von +9,7 auf, ohne ihn sind es -16,1. Diese Differenz von mehr als 25 Punkten pro 100 Possessions ist die mit Abstand größte in der Liga. Für manch einen entspricht genau das der Definition des "wertvollsten" Spielers der Liga, schließlich ist sein Team ohne ihn chancenlos.

Nur ist die wichtigste Statistik im Sport bislang unerwähnt geblieben und das sind nun mal die Siege. Gegen Jokic als Back-to-Back-MVP spricht derzeit allein die Teambilanz, Denver liegt mit einer ausgeglichenen Erfolgsquote (16-16) auf Platz 6 im Westen. Genau dieser Punkt setzt die ersten beiden Stars in diesem Ranking von Jokic ab.

PLATZ 2: KEVIN DURANT (BROOKLYN NETS)

  • Teambilanz: 23-9, Platz 1 in der Eastern Conference
  • Stats 2021/22: 29,7 Punkte, 7,9 Rebounds, 5,9 Assists und 0,9 Blocks bei 52,3 Prozent aus dem Feld und 38,2 Prozent Dreierquote (in 27 von 31 Nets-Spielen)

Als Stephen Curry und die Warriors im November zu Gast im Barclays Center waren, musste KD noch mit anhören, wie es in der heimischen Arena MVP-Rufe für den Gegner regnete. Genugtuung gab es spätestens Mitte Dezember, als diese Sprechchöre nun eben Durant galten, während er die Nets im Alleingang zum Heimsieg gegen Philadelphia ballerte.

Alleingang war in den vergangenen Wochen das Stichwort, das Durants MVP-Argumente noch stichhaltiger machte. Das oftmals negativ besetzte Wort steht in diesem Fall für größte Hochachtung. Gegen die Sixers musste Brooklyn ohne acht Spieler auskommen, Durant startete an der Seite von Patty Mills, David Duke Jr., Blake Griffin und Nicolas Claxton. Das schreit nicht unbedingt nach Top-Team.

Dank Durant sind es die Nets aber eben doch. Aufgrund der Corona-Sorgen, die Brooklyn in den vergangenen Wochen erfasst haben, hat KD in seinen vergangenen zehn Einsätzen im Schnitt 40,6 Minuten abgespult und dabei über 30 Zähler bei immer noch außerirdischen True-Shooting-Werten (58,2 Prozent in diesem Zeitraum im Vergleich zu 62,6 Prozent über die komplette Saison) aufgelegt.

In Abwesenheit von Kyrie Irving, mit den Schwierigkeiten von James Harden und der Verletzung von Joe Harris hält KD die Fahne der Nets trotz allem weiter hoch und Brooklyn auf Platz eins im Osten. Zumindest hat er das, bis die Corona-Welle auch ihn erwischte. Drei Nets-Spiele mussten bereits verschoben werden, drei weitere hat Durant verpasst, es könnten noch mehr folgen.

PLATZ 1: STEPHEN CURRY (GOLDEN STATE WARRIORS)

  • Teambilanz: 27-6, Platz 1 in der Western Conference
  • Stats 2021/22: 27,9 Punkte, 5,3 Rebounds, 5,9 Assists und 1,6 Steals bei 43,5 Prozent aus dem Feld und 39,9 Prozent Dreierquote (in 31 von 33 Warriors-Spielen)

Der Chefkoch hat die vergangene Woche genutzt, um sich seine Spitzenposition wieder zurückzuerobern. Zwischenzeitlich sah es tatsächlich so aus, als ob KD ihn von Platz eins verdrängen könnte, doch Curry bleibt Ende Dezember der MVP der bisherigen Saison.

Denn während Durant seit knapp eineinhalb Wochen nicht mehr gespielt hat, befreite sich der Warriors-Star aus seinem Mini-"Slump", wenn man es so nennen möchte. Auf dem Weg zu seinem Dreier-Rekord wollte er es Mitte des Monats etwas zu sehr erzwingen, was sich in den Quoten widerspiegelte (38,4 Prozent FG über fünf Spiele). Ohnehin sind seine Wurfquoten der einzige Kritikpunkt - und zwar auf einem ganz hohen Niveau -, wenn man sie mit seinen bisherigen Karrierewerten vergleicht.

Ansonsten ist der 33-Jährige das Gesicht des besten Teams der Liga. Er reiht sich bei den besten On/Off-Zahlen (+21,7 Differenz) nur hinter Jokic und Fred VanVleet ein, versetzt Defenses mit Ball sowie ohne in Angst und Schrecken, schafft dadurch immense Freiräume für die Kollegen, spielt gute Defense, hat bislang nur zwei Spiele verpasst und antwortete auf seinen "Slump" mit 36,3 Punkten in drei Partien - natürlich alles Siege, auch im Spitzenspiel gegen die Suns am Christmas Day.

Das Narrativ stärkt ebenfalls Curry den Rücken: Die gefallene Dynastie, die sich angeführt vom Franchise-Star sowie mit Hilfe von DPOY-Kandidat Draymond Green in der Riege der Titelanwärter zurückmeldet - und das ohne den kongenialen Backcourt-Partner Klay Thompson. Auch solche weiche Faktoren können am Ende des Jahres einen Ausschlag bei dem ein oder anderen Voter geben.