NBA-Kolumne Above the Break: Miese Mavs-Offense? Dieses neue Werkzeug von Luka Doncic lässt hoffen

Ole Frerks
25. Januar 202208:50
SPOXgetty
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Das neue Volume-Play von Luka Doncic, die nächste Entwicklungsstufe von Giannis Antetokounmpo, zwei alte Bigs in neuen Rollen - bei Above the Break blicken wir in dieser Woche auf vier Trends und ihre mögliche Signifikanz.

Das neue Werkzeug von Luka Doncic: Post Ups

Luka Doncic spielt eine etwas eigentümliche Saison: Die nackten Zahlen klingen eigentlich nach MVP-Level (25, 9 und 9 im Schnitt), die Effizienz (Career-Low 53 Prozent True Shooting) tut es ebenso wenig wie die Tatsache, dass er außer Form bei den Mavericks erschien und zu Saisonbeginn vor allem defensiv überhaupt nicht auf der Höhe war.

Man muss ihm dabei ein Stück weit zugutehalten, dass sich seine Rolle unter dem neuen Head Coach Jason Kidd etwas verändert hat. Er gewöhnt sich noch daran, es hilft aktuell nicht, dass er sich nach zuvor Problemen am Knöchel nun mit einer Nackenverletzung herumplagt. Immerhin stimmen mittlerweile die Resultate, vor allem dank ihrer neuerdings exzellenten Defensive haben die Mavs 11 ihrer letzten 13 Spiele gewonnen.

Offensiv kann Dallas (Platz 17 ligaweit), kann Doncic jedoch mehr. Abgesehen davon, dass der Slowene in dieser Spielzeit einfach grauenhaft von der Dreierlinie trifft (29 Prozent!) und es so mies schon aus Prinzip nicht bleiben wird, gibt auch die schwache Effizienz bei Post-Ups einen gewissen Anlass zur Hoffnung.

Kidd mag dieses Play lieber als sein Vorgänger Rick Carlisle (wenn dieser nicht zufällig Dirk Nowitzki in seiner Prime hatte): Die Mavs nahmen über die vergangenen beiden Jahre 4 beziehungsweise 4,8 Prozent ihrer Abschlüsse aus dem Post-Up, in dieser Spielzeit ist der Wert auf 6,4 Prozent gestiegen, nur vier Teams stehen dabei vor ihnen.

Die Tendenz steigt - vor allem bei Doncic. Unter Carlisle setzte der Slowene seinen großen und massigen Körper nur selten im Post ein, vornehmlich dann, wenn er nach einem Switch kleine Gegenspieler vor sich hatte; dies sah man beispielsweise in der Playoff-Serie gegen die Clippers immer wieder, wenn er Patrick Beverley freundlich darauf hinwies, etwas zu klein für ihn zu sein.

Doncic nahm in der vergangenen Spielzeit insgesamt nur 6,6 Prozent seiner Abschlüsse im Post, nutzte diese aber überragend effizient (1,09 Punkte pro Play - 84. Perzentil). In den Playoffs ging der Anteil nach oben und das setzt sich nun fort; in dieser Spielzeit kommen 11,1 Prozent seiner Abschlüsse im Post, im Januar nutzt Doncic sogar fünf Plays pro Spiel via Wurf, Assist oder Turnover.

Es geht dabei auch längst nicht mehr nur gegen kleine Guards; Doncic postet regelmäßig auch mal gegen Spieler wie Nikola Jokic auf, die sogar noch etwas schwerer sind als er. Er profitiert dabei davon, dass Jalen Brunson nun neben ihm startet und auch mal für ihn initiieren kann - er spaziert des Öfteren aber auch einfach selbst in eine Post-Aktion.

Brummer vs. Brummer - wer gewinnt?nba.com/stats

Die Effizienz ist auch hier bei weitem noch nicht auf dem Niveau der Vorjahre - die Mavs generieren 0,9 Punkte aus Doncic-Post-Ups, gleichauf mit seinem Teamkollegen Kristaps Porzingis. Es hilft teilweise nicht, wie die Mavs den Court um ihn herum breit machen beziehungsweise wie sie das nicht schaffen, bisweilen verfehlt er auch einfach machbare Würfe.

Es zeigt sich jedoch regelmäßig, welches Potenzial in diesen Aktionen steckt. Doncic hat den Körper, den Touch, die Fußarbeit und die Übersicht, um ein Monster aus dem Post zu werden. Fast immer bindet er hier einen zweiten Gegenspieler - umso wichtiger ist es, dass die Teamkollegen die Situation um ihn herum richtig lesen.

Porzingis nutzt die Aufmerksamkeit, die Doncic auf sich zieht.nba.com/stats

Das funktioniert noch längst nicht immer und die Tatsache, dass außer Brunson und Josh Green nicht allzu viele Mavs dazu in der Lage sind, bei solchen Überzahlsituationen mit dem Ball in der Hand konsequent zu attackieren, ist nicht ideal, um das Potenzial zu maximieren. Bezeichnend: Selbst im 10-2-Januar haben die Mavs bloß die 23.-beste Offense der NBA.

Und trotzdem ... es steckt mehr in dieser Truppe. Schon durch eine bloße Steigerung von Doncic zurück auf seine normale Effizienz könnte dazu führen, dass das Team aus einigen sinnvollen Ansätzen noch deutlich mehr herausholt. Kombiniert mit der immer besseren Defense könnten die Mavs dann tatsächlich ein gefährliches Team werden.

Kevin Love: Zurück aus dem Fegefeuer

Die überraschend erfolgreiche Saison der Cavaliers, die ihr Siege-Over aus Las Vegas von vor der Saison jetzt schon übertroffen haben, hat viele Gesichter, angefangen mit den beiden (zumindest verdienten) All-Stars Darius Garland und Jarrett Allen sowie Rookie of the Year-Favorit Evan Mobley. J.B. Bickerstaff ist als Coach logischerweise auch zu nennen.

Auch Kevin Love muss hier jedoch mit erwähnt werden. Das letzte Verbindungsstück der Cavs zu ihrer einzigen Meistersaison 2016 hat schwierige Jahre hinter sich, in denen er seine Frustration über die jüngeren Teamkollegen mehr als einmal öffentlich demonstrierte. Er galt als Trade-, dann sogar als Buyout-Kandidat. Jetzt kann man ihn stattdessen zu den heißesten Konkurrenten von Tyler Herro um den Award des besten Bankspielers mitzählen.

Love übertrifft zum ersten Mal seit seiner letzten All-Star-Saison (17/18) 40 Prozent von der Dreierlinie und blüht in seiner limitierten Rolle auf - 14 Punkte erzielt er in bloß 21 Minuten auf dem Court. Sein Per-36-Minuten-Scoring ist sogar auf dem höchsten Level seit Minnesota-Zeiten (23,4 Punkte).

Der 33-Jährige spielt zudem mit einer Spielfreude, die man so seit vielen Jahren nicht mehr von ihm sehen konnte. Love nennt eins der besten Pump-Fakes der Liga sein Eigen. Regelmäßig lässt er einen, manchmal sogar mehrere Verteidiger ins Leere fliegen, ohne dabei einen Zentimeter von seiner Position abzuweichen.

Wie viele Verteidiger hat Love schon genau so ins Leere fliegen lassen?nba.com/stats

Er bewegt sich clever abseits des Balles, spielt bisweilen überragende Pässe und ist immer noch in der Lage, Mismatches im Post zu bestrafen. Es ist kein Zufall, dass die eher durchschnittliche Offensive der Cavs um 3,3 Punkte pro 100 Ballbesitze besser wird, wenn er auf dem Court steht.

Erinnert sich noch jemand an das Cavs-Ball-Movement der letzten Jahre? Wir auch nicht.nba.com/stats

Defensiv opfert Cleveland mit Love zwar etwas, allerdings fungiert er eben auch als Backup für zwei der besten Big-Verteidiger der Liga. Und er bleibt trotz seiner Limitationen ein engagierter Teamverteidiger, der immerhin jede Menge Rebounds einsammelt.

Love leistet kurzum seinen Beitrag, ist auch als Mentor und einer der wenigen Veteranen im Team ein klar positiver Faktor. Bei all den positiven Entwicklungen in Cleveland ist diese Tatsache eine der größeren Überraschungen.

Der nächste Schritt in der Giannis-Evolution

Giannis Antetokounmpo wird nicht müde zu betonen, dass er Kevin Durant für den besten Spieler der Welt hält. Dabei gehört er selbst mindestens rein in diese Konversation, wenn nicht an ihre Spitze. Angesichts der schlechten Bilanz der Nuggets, der Formkrise von Stephen Curry und der Verletzung von Durant hat der Grieche überdies gute Karten auf einen weiteren, seinen dritten MVP-Award.

Giannis verbringt mehr Spielzeit denn je auf der Center-Position und ist in Abwesenheit von Brook Lopez sogar noch wichtiger in der Defense, er ist gleichzeitig einer der besten Roamer und Ringbeschützer der Liga. Zudem bleibt er auch offensiv unstoppable, obwohl seine Quoten etwas niedriger sind als in vergangenen Jahren. Seine Abschlüsse werden nicht leichter, die durchschnittliche Entfernung seiner Abschlüsse vom Korb ist höher als in jedem Jahr seit seiner Rookie-Saison.

Doch Giannis entwickelt sich nicht nur als Scorer. Sein Passing Game ist auf einem neuen Level, obwohl seine Assistzahl (6 pro Spiel) das kaum widerspiegelt - bereits zweimal stand er bei 5,9 im Schnitt, es ist also ein denkbar knappes Career-High. Doch wenn man Giannis' Art von Pässen sieht, zeigt sich ein größerer Unterschied.

In der Vergangenheit bekam Giannis seine Assists simpel gesagt oft deshalb, weil er sehr viel den Ball hatte und als Scorer gefürchtet wurde - er konnte einfache Reads machen, wenn er gedoppelt wurde, war deshalb aber noch nicht gleich ein guter Passer. In dieser Spielzeit liest er das Geschehen besser denn je, eine Tendenz, die sich ja auch schon während der vergangenen Playoffs erkennen ließ.

Giannis spielt bei weitem nicht mehr nur die offensichtlichen Pässe; er scannt das gesamte Feld wesentlich schneller und kann die Defense besser manipulieren. Seine Pässe sind anspruchsvoller, präziser. Kein Spieler hat laut PBP Stats mehr Dreier vorbereitet als er. Auch das Komfortlevel wächst, wie solche Dimes zeigen.

nba.com/stats

Oder solche ...

Das ist dann wohl diese nba.com/stats

"Motherfuckers didn't know I could pass", sagte Antetokounmpo schon kurz nach den Finals zu The Athletic. Mittlerweile sollten sie es wissen.

Selbst wenn die Zahlen es nicht komplett reflektieren, Giannis hat als Passer eine neue Stufe erreicht. Und damit auch als Spieler. Der 26-Jährige bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der Liga und ist der Hauptgrund, weshalb Milwaukee trotz einer bisher zerfahrenen Saison ohne jeden Zweifel zu den heißen Titelanwärtern gezählt werden muss.

Und das beste Midseason-Signing ist ...

Es ist ja nicht so, dass es bei den Suns nicht ohnehin schon prächtig laufen würde: Die (mittlerweile deutlich) beste Bilanz der Liga, als einziges Team offensiv wie defensiv in der Top 5, mit guten Aussichten auf einen zweiten tiefen Playoff-Run - die bisher beste Midseason-Verstärkung haben sie sich auch noch geholt.

Damit dürfte tatsächlich niemand gerechnet haben, als Bismack Biyombo am 1. Januar einen 10-Tages-Vertrag in Phoenix unterschrieb, nachdem der Kongolese in der Offseason nirgendwo einen Vertrag erhalten hatte. Doch Biyombo überzeugte vom Start weg so sehr, dass die Suns ihm im Anschluss an die zehn Tage prompt einen Vertrag für den Rest der Saison aushändigten.

Die Zahlen sind bis dato bemerkenswert: Biyombo hat eine On/Off-Differenz von +17 (!), die mit Abstand höchste in Phoenix. In seinen Minuten erlauben die Suns mickrige 97,3 Punkte pro 100 Ballbesitzen, mehr als 6 Punkte weniger als die liga-beste Defense der Golden State Warriors.

So dominant wird es nicht bleiben, Suns-Gegner treffen in den Biyombo-Minuten momentan nur 14 Prozent ihrer Eckendreier, das ist nicht haltbar und liegt auch nicht in seinem primären Aufgabengebiet. Als Ringbeschützer macht Biyombo seine Sache jedoch tatsächlich gut, wie gewohnt in seiner Karriere. Die Überraschung findet indes auf der anderen Seite des Courts statt.

Biyombo hatte sich über die Jahre einen Ruf als offensiv arg limitierter Defensivcenter redlich verdient - nie erzielte er mehr als 7,4 Punkte pro Spiel, war fast immer ineffizient, obwohl er nahezu jeden seiner Abschlüsse am Ring nahm. Biyombo war nicht zuletzt für seine Betonhände bekannt. Einmal in seiner Karriere kam er auf 21 Punkte, 2018 in Diensten der Orlando Magic.

Das hat sich nun verändert. Biyombo legte gegen Indiana erneut 21 auf, gegen San Antonio und New Orleans (und nun Utah) gab es 17 beziehungsweise zweimal 16. Vier der besten zehn Scoring-Games seiner Karriere (immerhin schon 711 Spiele) hatte der Center in seinen bisher neun Einsätzen für Phoenix! Er kommt auf 10,8 Punkte bei 70,2 Prozent aus dem Feld, beides mit großem Abstand Career-Highs.

Die Karriere-Stats von Bismack Biyombo

SpielePunkteFG%ReboundsBlocksAssists
Karriere7115,2536,21,30,6
Phoenix910,870,27,61,21,3

Wie ist das möglich? Wie schon viele Bigs vor ihm profitiert Biyombo ungemein von der Anwesenheit Chris Pauls; der Point God setzt ihn immer wieder stark im Pick'n'Roll ein, mit seiner physischen Dynamik bringt er eine Komponente in die Suns-Offense, die vor allem während der Abwesenheit von Deandre Ayton und JaVale McGee fehlte.

Biyombo setzt gute Screens und bringt jede Menge Energie mit, als Dunker sowie auch als Offensiv-Rebounder - momentan sammelt er komplett alberne 17 Prozent der Fehlwürfe seines Teams wieder ein und stopft sie liebend gerne selbst in den Korb. Gegen Indiana verteilte er gar selbst 5 Assists, teilweise sehenswert aus dem Short Roll, und stellte auch damit einen Karrierebestwert ein.

Suns-Coach Monty Williams hat eine komplizierte Entscheidung vor sich, wenn Ayton zurückkehrt. Dieser wird natürlich seinen Platz als Starter wieder einnehmen, für den Backup-Spot gibt es mit Biyombo und dem ebenfalls sehr soliden McGee nun zwei gute Optionen.

An der aktuellen Siegesserie hat Biyombo in jedem Fall einen (unerwartet) sehr großen Anteil. "Es ist eine Schande, dass er nicht in der Liga war. Er gibt dir alles, was er hat", schwärmte Paul kürzlich.