Die Dallas Mavericks gehören aktuell zu den heißesten Teams der Liga, auch weil Spencer Dinwiddie sich seit seinem Trade in überragender Form befindet. Was hat sich seit der Ankunft des Guards verändert - und was bedeutet er für die Zukunft der Mavs?
Die Bewertung eines Trades und seiner einzelnen Komponenten kann sich unheimlich schnell drehen. Ein gutes Beispiel: Als die Dallas Mavericks sich im Februar dafür entschieden, das Experiment Kristaps Porzingis endgültig für gescheitert zu erklären, war die Verwunderung zunächst groß: So wenig brauchte es nur, um das Einhorn aus Dallas loszueisen?
"So wenig", das bedeutete in diesem Fall Spencer Dinwiddie und Davis Bertans, zwei Spieler, die gemeinsam nicht wirklich günstiger sind als Porzingis und sich in Washington beide zuletzt keineswegs empfohlen hatten. Doch nach neun Siegen aus elf Spielen hat sich der Tenor längst gedreht. Zwar trifft Bertans den Dreier in Dallas sogar noch schlechter als vorher, Dinwiddie hingegen ist bisweilen eine Offenbarung.
17,5 Punkte und 4,5 Assists verzeichnet Dinwiddie im Schnitt in Dallas, diese Zahlen erzählen allerdings nur einen Teil der Geschichte. Er ist ein belebender Faktor für eine Offense und (zumeist) für eine Bank, die etwas Leben dringend nötig hatten. Die Art und Weise, wie ihm dies gelingt, dürfte den Mavs kurz- wie auch langfristig zu denken geben.
Spencer Dinwiddie in Dallas: So heiß wie noch nie
Um zunächst das Offensichtliche aus dem Weg zu räumen: Dinwiddie trifft in seiner Karriere 32 Prozent seiner Dreier und hat noch nie in einer Saison 40 Prozent aus der Mitteldistanz getroffen. In Dallas sind es bisher 44 Prozent von Downtown und 49 Prozent aus der Mitteldistanz ... und laut Cleaning the Glass 64 Prozent (!) bei langen Zweiern.
Es braucht keinen Propheten, um vorauszusagen, dass sich diese Zahlen wieder einpendeln werden. Dinwiddie hat zwar mehrfach betont, dass ihm die Struktur der Mavs-Offense zusagt und dass er bessere Würfe bekommt als je zuvor, und gerade im Vergleich zur Situation bei den Wizards wird das stimmen, so heiß wie er aktuell ist indes niemand lange.
Es ist ein spezieller Lauf für Dinwiddie; selbst gegen Boston, in einem seiner bisher weniger effizienten Spiele, versenkte er einen wilden, tiefen Dreier mit der Sirene zur Pause und den Game-Winner, ebenfalls per Dreier. Manchmal läuft es eben.
Stand jetzt ist der Mavs-Dinwiddie einer der effizientesten Guards der Liga (58,9 Prozent eFG!) - das wird er eher nicht bleiben, das würde zumindest nicht zu seiner bisherigen Karriere passen. Das muss er aber auch nicht. Selbst ohne das brandheiße Shooting löst Dinwiddie einige strukturelle Probleme der Mavs-Offense, die diese nun schon seit einer Weile mit sich herumschleppte.
Spencer Dinwiddie: Seine Shooting-Stats seit 2016
Saison | Team | Spiele | Punkte | eFG% | 3FG% |
16/17 | Nets | 59 | 7,3 | 49,8 | 38,5 |
17/18 | Nets | 80 | 12,6 | 47 | 32,9 |
18/19 | Nets | 68 | 16,8 | 52,3 | 34,2 |
19/20 | Nets | 64 | 20,6 | 47,9 | 31,2 |
20/21 | Nets | 3 | 6,7 | 43,8 | 28,6 |
21/22 | Wizards | 44 | 12,6 | 45,1 | 31,4 |
21/22 | Mavericks | 11 | 17,5 | 58,9 | 44,2 |
Dallas Mavericks: Luka-Ball und seine Grenzen
Dallas spielt Luka-Ball, was sicherlich keine schlechte Idee ist. Vor zwei Jahren stellten die Mavs dank der Pick'n'Roll-Brillanz des Slowenen die beste Offense der NBA, vergangene Saison reichte es immerhin noch für einen Top-10-Wert. Problematisch wurde indes zunehmend die Abhängigkeit, die auch einem Kader geschuldet war, in dem abgesehen von Doncic erschreckend wenige Spieler dribbeln konnten.
Das schloss Porzingis mit ein, der zwar einige Qualitäten mitbrachte und -bringt, aber weder für sich selbst noch für andere gute Würfe kreieren konnte. Er taugte so nicht zum Co-Star als zweite Option, unabhängig von seiner Verletzungsanfälligkeit.
Der neue Coach Jason Kidd versuchte während dieser Spielzeit häufiger als sein Vorgänger Rick Carlisle, Porzingis in Szene zu setzen, zu oft geschah dies jedoch zu Lasten eines gewissen Flusses in der Offensive. Das trug mit dazu bei, dass die Mavs in den ersten Saisonmonaten trotz eines der besten Offensivspieler der Liga (der die Saison außer Form eröffnete ...) teilweise unheimlich zähen Basketball spielten.
Dallas musste seine Spiele in der Defensive gewinnen, was schockierenderweise oft klappte. Mittlerweile und spätestens seit dem Trade für Dinwiddie geht es aber auch offensiv in die richtige Richtung. Seit Dinwiddies Ankunft erzielen die Mavs über 116 Punkte pro 100 Ballbesitze, das sind gute 5 Punkte mehr als vorher. Und das scheint kein Zufall zu sein, denn Dallas hat seine Offense gewissermaßen demokratisiert.
Dallas hat auf einmal drei (!!!) Playmaker
Jalen Brunson entpuppte sich im Lauf der Spielzeit als so wertvoll, weil er statt und neben Doncic als weiterer Playmaker fungieren konnte. Mit Dinwiddie haben die Mavs nun sogar drei Spieler, die Würfe kreieren können - unerhört! Kidd lässt seither wenn möglich stets zwei Playmaker auf dem Court, scheut sich aber auch nicht, alle drei Guards gleichzeitig auf den Court zu lassen. Gegen Boston standen sogar alle drei in der Starting Five.
113 Possessions standen die drei bisher gemeinsam auf dem Court, eine kleine Stichprobe auch deshalb, weil Brunson zuletzt einige Spiele verpasste. Die Resultate sind jedoch bereits sehr erfreulich - die Offense bewegt sich auf "Beste aller Zeiten"-Niveau (124!) und defensiv kam man ebenfalls zurecht, obwohl diese Lineups beim Rebound-Duell hoffnungslos unterlegen waren beziehungsweise sind.
Wichtiger als die Zahlen ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch der Eye Test - und dieser zeigt: Es wirkt dynamischer, schwerer auszurechnen, wenn nicht das gesamte Team am Tropf eines Spielers hängt. Und auch im Vergleich zum kleinen, gewieften Brunson bringt Dinwiddie noch einmal andere Qualitäten in die Offense ein.
Spencer Dinwiddie bringt eine neue Dimension
Dinwiddie war vor seinem Kreuzbandriss einer der besten Attacking Guards der Liga, nahm in Brooklyn teilweise fast 40 Prozent seiner Abschlüsse am Ring und setzte seinen bulligen, langen Körper gekonnt ein, um Freiwürfe zu ziehen. In Washington war davon wenig zu sehen, in Dallas hingegen nähert er sich wieder den alten Werten an und zieht aktuell sogar die höchste Freiwurfrate seiner Karriere.
Dinwiddie ist ähnlich wie Brunson gut darin, die Überzahlsituationen auszunutzen, die durch die gegnerische Panik vor Doncic regelmäßig entstehen. Er kann Closeouts attackieren und zum Korb gehen, er kann den Ball weiterbewegen. Er hat den Floater im Repertoire, aber eben auch die Dynamik, um am Ring abzuschließen.
Dinwiddie ist zudem nicht darauf angewiesen, die "Reste" von Doncic zu verwerten. Lediglich 32 Prozent seiner Field Goals geht ein Assist voraus, einen sehr großen Teil seiner Abschlüsse erarbeitet sich Dinwiddie auf die eine oder andere Art selbst. Er generiert in Dallas bisher 1,05 Punkte pro Isolation Play, das ist ein exzellenter Wert.
Das nimmt im Umkehrschluss viel Last von Doncic, der sich nicht aus Zufall in seiner besten Phase der Saison befindet, angefangen mit dem 51-Punkte-Spiel gegen die Clippers am Tag des Porzingis-Trades. Dinwiddie kann selbst als Closer fungieren, wie gesehen beim hitzigen Sieg in Utah, als er 9 seiner 23 Punkte im Schlussviertel markierte, während Doncic von den Jazz immer wieder geblitzt wurde. Auch gegen Boston übernahm er Verantwortung.
Simple Lektion: Es schadet nicht, mehrere Spieler zu haben, die solche Situationen auflösen und die gegnerischen Rotationen konsequent attackieren können. Doncic muss hier ausnahmsweise mal nur den Ball weiterbewegen, da Brunson die Maschinerie angeschmissen hat und Dinwiddie bereitsteht.
Die Mavs befinden sich seit dem Porzingis-Trade prinzipiell inmitten eines Experiments: Wie funktioniert es, wenn zwei eher balldominante Spieler die sekundären Scoring-Optionen neben dem balldominantesten Spieler der Liga sind? Bisher sind die Resultate vielversprechend. Und nun müssen sie interpretiert werden, denn in Dallas stehen potenziell richtungsweisende Zeiten an.
- Kurzfristig: Es ist nicht mehr lang bis zu den Playoffs und derzeit spielt im Westen kaum ein Team besser als Dallas. Ein Contender sind die Mavs eigentlich nicht, gleichzeitig hat sich die Befürchtung, ohne Porzingis könnte die Upside des Teams gesunken sein, bisher zumindest nicht bewahrheitet. Es ist wohl Matchup-abhängig: Unter den ersten sechs im Westen sind die Teams unheimlich nah beieinander (sollten Phoenix und Golden State gesund in die Playoffs gehen, stehen sie über dem Rest), schon vergangene Saison brauchte es eine Meisterleistung von Kawhi Leonard, um Doncic' erste gewonnene Playoff-Serie zu verhindern. Nun hat der Slowene am Ende von Spielen mehr Hilfe und die Mavs-Defense ist deutlich besser geworden. Auch die Bigs Dwight Powell und Maxi Kleber sind mittlerweile viel besser darin, den Ball nach Double-Teams gegen Doncic aus dem Short-Roll schnell weiterzuspielen, um den Ball zum offenen Schützen zu bringen, die Automatismen greifen immer besser. Klappt es diesmal mit der zweiten Runde?
- Etwas weniger kurzfristig: Brunsons Free Agency steht an und einige Stimmen wurden bereits laut, dass dieser nun entbehrlich sei, weil Dinwiddie (Vertrag unter Team-Kontrolle bis 2024) schließlich da (und einen Kopf größer) ist. Das mutet etwas kurzsichtig an - wie gesagt: Es schadet nicht, MEHRERE Spieler zu haben, die dribbeln, passen und werfen können. Es ist nach wie vor ziemlich wahrscheinlich, dass die Mavs Brunson halten werden, wenn er nicht irgendwo ein komplett unmoralisches Angebot erhält.
- Mittel- bis langfristig: Hier wird es dann schon aufregender. Die Frage, wie die Mavs ihr Team in den kommenden Jahren rund um Doncic aufbauen, ist schließlich eine der spannendsten überhaupt in der Liga - zumal es bestens bekannt ist, dass in Dallas nicht unbedingt "klein" gedacht wird. Folglich ist eine Brunson/Dinwiddie-Kombination auch nicht der "Co-Star", mit dem Doncic seine Prime eröffnen soll. Aber vielleicht lässt sich aus der aktuellen Phase dennoch etwas ableiten in Bezug auf das Spielerprofil, das die Mavs neben Doncic gebrauchen können.
Wie erreichen die Mavs die nächste Stufe?
Es ergibt Sinn, einen Spieler wie Doncic zu "melken", ihm also mehr Kontrolle über die Offense zu geben als gewöhnlichen Stars. Die Mavs tun das: Drei Jahre in Folge rangiert Doncic nun im 100. Perzentil in Sachen Usage, es gab also de facto niemanden, der mehr Plays seines Teams nutzte als er. Lediglich James Harden und Russell Westbrook hatten mal jeweils eine Saison mit einer höheren Usage als Luka aktuell (42 Prozent).
Die beiden Ex-MVPs dürfen indes auch als abschreckende Beispiele gelten, da sie zeigen: Heliozentrischer Basketball und eindimensionaler Basketball können bisweilen nah beieinander liegen. Superstars mit so großer Kontrolle können einen hohen Floor garantieren, mit einem fitten Luka in seiner Prime wird Dallas selten unter 50 Spiele pro Saison gewinnen - aber es gibt dann eben auch noch eine weitere Stufe.
In den Playoffs, auf dem höchsten Niveau gegen die besten Verteidigungen, ist Flexibilität angesagt, sowohl defensiv als auch offensiv. Playmaking ist Trumpf, gerade in der heutigen Liga mit kaum noch definierten Positionen. Wer sich konstant Würfe erarbeiten und als "Exit-Strategie" auftreten kann, ist Gold wert und kein titelreifes Team kommt in der Regel mit nur einem Spieler dieser Art aus (die 2011er Mavs waren die bisher letzte Ausnahme).
Spencer Dinwiddie ist nicht die Lösung - aber ein Ansatz
Brunson ist zu klein und in den Playoffs zu angreifbar für eine Nummer zwei, Dinwiddie ist zu streaky - aber beide zeigen aktuell, welche Skills neben einem Superstar wie Doncic wertvoll sind. Sie deuten sozusagen an, wie der Archetyp Co-Star neben Doncic aussehen könnte.
Ein (sekundärer) Playmaking Wing, der defensiv switchable genug ist, um in Kidds präferierte Systeme zu passen, und vorne die Schnelligkeit und Athletik mitbringt, um den Fastbreak-verweigernden Mavs (rennt doch mal!) auch mal leichte Punkte zu verschaffen - das wär's!
Logischerweise lassen sich die Spieler, die dieses Profil in etwa erfüllen, in der Liga an wenigen Händen abzählen, und jedes ambitionierte Team will sie haben. Es hat allerdings auch niemand behauptet, dass es leicht wird, den idealen Co-Star zu finden.
Die Mavs erhoffen sich durch den Porzingis-Trade mehr Flexibilität in Bezug auf weitere Moves, auch weil sie dessen riesiges Gehalt in zwei kleinere Gehaltsposten aufteilen konnten. Für die Überbrückung haben sie in Dinwiddie darüber hinaus einen Spieler bekommen, der sie in der Postseason direkt einen Schritt weiterbringen könnte.
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