Für manche Aufgaben gibt es wenige Spieler, die so geeignet sind wie er. Gegen Miami etwa hatte er einen massiven Anteil daran, dass die Off-Ball-Aktionen für Schützen wie Max Strus kaum dauerhaft ein Faktor waren. White ist sehr gut darin, seinen Gegenspieler nicht zu verlieren, er schlängelt sich wie wenige Spieler sonst um Blöcke und hat die Länge, um des Öfteren dann auch noch den Schützen zu blocken.
Diese Qualität macht ihn auch gegen die Warriors und ihre kleinen Guards sehr wertvoll, das hat sich bereits in den ersten beiden Spielen der Finals gezeigt. Golden State ist das beste Off-Ball-Team der NBA und nur im Verbund zu verteidigen, White nimmt dabei jedoch eine Schlüsselrolle ein. Dass etwa Jordan Poole bis dato nicht den gewohnten Einfluss hat, ist zum Teil auch Whites Verdienst. Er ist zudem der beste Curry-Verteidiger, was nicht heißt, dass er Curry abmelden kann - aber er kann ihn immerhin arbeiten lassen.
Die ersten beiden Spiele haben jedoch auch gezeigt: White ist auch offensiv ein entscheidender Faktor - im guten wie im schlechten Sinn. Und das hat nicht zuletzt mit dem defensiven Ansatz der Warriors zu tun.
Derrick White: Der FVV-Bump ist real
In Spiel 1 ließen die Dubs ihn offen stehen, da sie wohl nicht an den VanVleet-Bump glaubten. White bestrafte das sofort: Fünf seiner acht Dreier fielen rein, womit er einen Trend fortsetzte. Vor der Geburt seines Sohnes Hendrix traf er in diesen Playoffs in 15 Spielen zehn Dreier, seither waren es 13 über vier Spiele bei weit über 40 Prozent vom Perimeter.
Der Wurf ist indes nicht die (einzig) entscheidende Komponente, wichtiger ist eigentlich Whites allgemeine Aggressivität. Er neigt manchmal zum Zögern - das darf gegen die Warriors jedoch nicht sein. Die Warriors-Defense basiert auf viel Hilfe und vielen Rotationen, deswegen müssen Entscheidungen entsprechend schnell - und sauber - getroffen werden. Point Five eben.
White ist nach Jayson Tatum und Jaylen Brown der Celtic mit den meisten Drives. Gegen Miami war es nicht selten er, der einer stagnierenden Offense wieder Überraschungsmomente verlieh, indem er zum Korb ging und einen Floater loswurde, seinen Lieblingswurf (30 Prozent seiner Würfe kommen aus der kurzen Mitteldistanz). Das brauchen die Celtics auch gegen Golden State unbedingt.
Die Warriors haben auf Whites Explosion im ersten Spiel reagiert. Zwar zeigte sich vor allem Draymond Green nach außen davon überzeugt, dass die getroffenen Würfe von White, Al Horford und Marcus Smart Ausrutscher waren, die Defense in Spiel 2 sah dennoch anders aus. Offene Würfe wurden kaum noch verschenkt, es gab ziemlich aggressive Closeouts.
Teilweise sogar zu aggressiv. White zeigte mehr als einmal eigentlich die richtige Reaktion, ließ seinen Verteidiger per Pumpfake stehen und ging zum Korb - er traf dann jedoch nichts, auch keine Korbleger. Es war symptomatisch für das gesamte Celtics-Team: Die Dreierquote war okay (15/37 3FG), aus dem Zweipunktbereich ging überhaupt nichts (15/43).
Boston hat nach zwei Spielen überhaupt nur 37 Zweier getroffen, das ist ein Negativrekord über zwei Partien in den Finals. White hatte wenigstens Abschlüsse in Korbnähe, genau wie Tatum (2/10 Zweier) und Brown (2/8) traf er jedoch miserabel (2/9). Dabei hatte das oft gar nicht mit Ringschutz zu tun, stattdessen wurden machbare Würfe vergeben.
Boston Celtics: Small-Ball als (einziges) Rezept?
White ist traditionell kein großartiger Finisher. Es kann jedoch sein, dass die Celtics in dieser Serie genau das von ihm brauchen - dass er Lücken nicht nur reißt, sondern auch konsequent ausnutzt, durch eigene Abschlüsse oder per Ableger. Das ist mitentscheidend dafür, dass die kleinen Lineups funktionieren, die Golden State im ersten Spiel so wehtaten.
Boston ist in dieser Serie womöglich auf Small-Ball angewiesen, nachdem die Celtics in den bisherigen Playoffs oft mit zwei Bigs dominierten. Robert Williams' laterale Geschwindigkeit ist nach den Verletzungen so eingeschränkt, dass seine Rotationen oft einen Ticken zu langsam sind, auch wenn er in Korbnähe weiter ein massiver Störfaktor ist.
Für Grant Williams gibt es physisch nur bedingt ein passendes Matchup. Und Daniel Theis ist verloren, wenn er gleichzeitig mit Curry auf dem Court steht und dieser seine Drop Coverage gezielt attackieren kann. Horford ist die Ausnahme als Switch-Verteidiger mit gutem Wurf, aber selbst er war im zweiten Spiel kein Faktor.
Es kommt hinzu, dass die Lineups mit zwei Bigs einfach nicht genug Spacing bieten und es den Warriors so ermöglichen, den Weg zum Korb konsequent zu verstopfen. Green ist als Help-Defender sowieso nichts anderes als ein Genie - man muss es ihm nicht noch zusätzlich leicht machen, indem man den Court durch das eigene Setup schrumpft.
Ein letztes Beispiel: Horford steht im Dunker Spot, auf der anderen Seite ist Williams als Roll-Man ebenfalls quasi im Weg. Tatums Pass ist auch schlecht, aber warum ermöglichen es die Celtics den Dubs, ihre drei besten Verteidiger quasi direkt in seinen Weg zu stellen?
Derrick White: Vielleicht das finale Puzzleteil
Es wäre insofern verständlich, wenn die Rolle von White im weiteren Verlauf der Serie sogar noch größer wird, dessen Minuten ohnehin bisher in jeder Serie sukzessive nach oben gingen. Wenn beide Teams klein spielen, haben die Celtics Vorteile in Sachen Länge und Athletik, selbst nach der Rückkehr des in Spiel 2 starken Gary Payton II. Sie müssen diese Vorteile nur konsequent ausspielen, keine Möglichkeiten liegen lassen.
White ist das finale Puzzleteil auf dem Weg dorthin - also im Prinzip genau das, was sich ein gutes Team erhofft, wenn es zur Trade Deadline einen Deal einfädelt, um womöglich den nächsten Schritt zu machen, vielleicht sogar Meister zu werden.
Die Celtics sind mit White weiter gekommen als je zuvor mit dem aktuellen Kern - der Deal hat sich jetzt schon längst ausgezahlt und eine Eins verdient, um im Stil der rapiden Trade-Reaktionen zu bleiben. Es geht jetzt nur noch um das Sternchen.