Dirk ungefiltert. Dirk intim. Dirk exklusiv. Im ersten langen Interview nach dem Titel spricht Finals-MVP Dirk Nowitzki über seine Sinnkrise, die Verrücktheiten von Dallas-Mavericks-Besitzer Mark Cuban und Brian "Basketball-Gott" Cardinal.
SPOX: Herr Nowitzki, wie viel Schlaf hatten Sie seit dem Titelgewinn?
Dirk Nowitzki: Hoffentlich komme ich jetzt ein bisschen zum Schlafen, am Donnerstag geht es ja schon weiter mit der Parade. In den letzten Tagen war überhaupt nicht ans Bett zu denken. In Miami sind wir direkt nach dem Spiel, ohne etwas zu essen, mit dem Bus von der Arena in einen Club gefahren. Gefeiert, eine Stunde geschlafen, nach Dallas geflogen und dort den riesigen Empfang mitgemacht. Dann kurz nach Hause und schon ging es wieder los.
LIVE-TICKER am Donnerstag, 18 Uhr: Die Championship Parade der Mavericks in Dallas
SPOX: Wie hat Ihr exzentrischer Klub-Besitzer Mark Cuban gefeiert?
spoxNowitzki: Der Cuban hat die Trophäe überall hingeschleppt. Ich dachte, es wäre etwas zu viel des Guten, das Ding in Miami in den Club mitzunehmen. Immerhin waren wir in Feindesland. Aber wir wurden sehr gut aufgenommen. (lacht)
SPOX: Cuban sorgte mit der Ankündigung für Aufsehen, dass er statt Meisterschafts-Ringen etwas anderes anfertigen lassen möchte. Im Gespräch ist ein Meisterschafts-Armband. Wäre das in Ordnung?
Nowitzki: Das letzte Wort mit Cuban ist noch nicht gesprochen. Er will Armbänder machen lassen, aber der Ring ist ein Klassiker. Wir Spieler haben schon versucht, auf ihn einzureden. Ein Ring ist ein absolutes Muss. Mal sehen, wer sich durchsetzt.
SPOX: Bekamen Sie etwas von der Begeisterung in Deutschland mit?
Nowitzki: Meine Schwester hat mich immer informiert und mir erzählt, was in Deutschland abläuft. In Würzburg war die Hölle los. Meine Eltern sind mit allen Freunden zum Griechen. Am Anfang waren es 30, am Schluss um die 250. Ich freue mich riesig, nach Deutschland zu kommen und die ganzen Fans und die Familie zu sehen. Besonders die Leute, die mich in den 13 Jahren nach jeder Niederlage so unterstützt haben.
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SPOX: Wann kehren Sie nach Deutschland zurück?
Nowitzki: Ich habe noch gar keinen Plan. Am Wochenende werde ich mich mal hinsetzen und mir den Sommer skizzieren. Was alles ansteht mit Training, Sponsoren und so weiter. Vielleicht weiß ich am Wochenende auch schon mehr, was los ist mit der Nationalmannschaft. Klar ist aber auch: Zwei Wochen am Strand müssen drin sein.
SPOX: Bundestrainer Dirk Bauermann äußerte sich sehr zuversichtlich, dass Sie an der Ende August beginnenden EM teilnehmen.
Nowitzki: Das Jahr war verdammt lange und ich habe mich leider auch noch verletzt. Zum Glück muss der Finger nicht operiert werden. Ich werde das alles in den nächsten Wochen entscheiden. Ich weiß nicht einmal genau, wann die EM ist. Bis Sonntag habe ich mich nur auf die eine Sache konzentriert, jetzt will ich erstmal genießen.
SPOX: Nach dem Schlusspfiff von Spiel 6 bei den Heat sind Sie sofort in die Kabine gestürmt, um alleine zu sein. Was geschah dort?
Nowitzki: Es war wie 2008 nach der Olympia-Qualifikation in Athen mit der Nationalmannschaft. Ich musste alleine sein. Ich war total leer und happy nach zwei Monaten Playoffs auf dem höchsten Niveau. Natürlich habe ich etwas geheult, aber nach ein paar Minuten ging es wieder. Ich dachte, es wird noch heftiger. In Athen war ich 30 Minuten nicht ansprechbar.
SPOX: Was ging in Ihnen vor?
Nowitzki: Ich hatte keine Ahnung, was sich abspielt. Es ist schwer zu beschreiben, wenn man so viel harte Arbeit reinsteckt und man es endlich schafft. In dem Moment kam alles raus, was ich in den letzten 13 Jahren erlebt habe. Ich werde noch ein paar Wochen brauchen, um es zu realisieren. Ich glaube es immer noch nicht ganz.
SPOX: Sie traten in den Playoffs so konzentriert wie nie auf. Stimmte der Eindruck?
Nowitzki: In den letzten Wochen habe ich es mir gar nicht erlaubt, daran zu denken, dass wir das Ding holen. Ich wollte immer im Moment leben. Deswegen hatte ich am Schluss nur noch ganz wenig Kontakt mit den Leuten, weil ich so fokussiert war. Ich bin nicht mehr weg gegangen und blieb nur noch zu Hause.
SPOX: Weil Sie es endlich den Kritikern beweisen wollten?
Nowitzki: Es war nie meine Motivation, den Kritikern den Mund zu stopfen. Vielmehr wollte ich es mir selbst beweisen. Aber natürlich tut es auch gut zu zeigen, dass es klappt. Vor allem den Leuten, die gemeint haben, dass ich nie einen Titel gewinnen werde oder dass ich keine Mannschaft führen könnte.
SPOX: Die US-Medien überschlagen sich vor Lob.
Nowitzki: Es ist eigentlich nebensächlich, ob ich hier in den USA mehr angesehen werde oder nicht. Eigentlich war alles andere nebensächlich außer der eine große Traum, das Ding in der Hand zu halten. Ich wollte nur einmal in der besten Mannschaft der Welt spielen.
SPOX: Zu Beginn Ihrer Karriere ahnte niemand, wohin die Reise gehen könnte.
Nowitzki: Die erste NBA-Saison war mein schwerstes Jahr. Mein Englisch war nicht besonders gut und für mich war alles neu. Es war wichtig, dass ich Leute wie Steve Nash und Michael Finley um mich hatte, die mir alles gezeigt haben. Wie man sich in der Liga etabliert. Wie man professionell mit Medien und Sponsoren umgeht. Sie haben mich auf den richtigen Weg geführt.
SPOX: Hinter Ihnen liegen entbehrungsreiche 13 NBA-Jahre. Hatten Sie jemals Zweifel, ob sich all der Aufwand, all das Extratraining mit Ihrem Mentor Holger Geschwindner lohnt?
Nowitzki: Viele Leute haben mir gesagt, dass ich doch verrückt wäre, weil ich mich jeden Sommer mit dem Holger in die Rattelsdorfer Halle gestellt und irgendwelche Froschsprünge gemacht habe. Vor fünf Jahren, nach der Finals-Niederlage, habe ich mir auch gedacht: Warum machst du das alles? Was machst du hier eigentlich jeden Sommer bei 40 Grad? Aber wenn ich jetzt zurückschaue, weiß ich, dass es die Mühe wert war. Die Froschsprünge, das Training mit der Bleiweste, einfach alles.
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SPOX: Besteht die Gefahr, dass die Motivation nachlässt?
Nowitzki: Wenn man sein Ziel erreicht hat, ist man erstmal fertig. Aber ich kenne mich zu gut. Ich weiß, dass die Lust nach dem Basketball nach einer kleinen Pause gleich wieder zurückkommen wird. Als Sportler vermisst man einfach den Wettbewerb und die Kameradschaft. Nach ein paar Wochen wird die Sehnsucht immer größer und dann geht es wieder los. Von daher: Nein, meine Motivation wird sich durch den Erfolg nicht verändern. Nächste Saison geht es darum, den Titel zu verteidigen. Vielleicht können wir auch mal in der eigenen Halle die Meisterschaft feiern. Das wäre das i-Tüpfelchen.
SPOX: Sie wirken wieder abgeklärt und ruhig. Ausgerechnet in Spiel 6 jedoch zeigten Sie ihre schwächste Leistung - weil Sie nervös waren?
Nowitzki: Nein, nervös war ich nicht. Ich hatte schon früher schlechte Spiele. Aber die Mannschaft hat mir geschlossen gesagt: 'Dirk, du bist zu gut, um die Dinger weiter zu verhauen. Mach' weiter und spiel dein Spiel.' Ich hatte zur Pause eine Wurfquote von 1/12 und wir lagen trotzdem vorne. Ich wusste, dass wir eine starke Bank besitzen und dass ich mich auf die Mitspieler verlassen kann. Das war nicht immer so. Deswegen war diese Saison so speziell.
SPOX: Was war der Knackpunkt der Saison?
Nowitzki: Spiel 4 in Portland, als wir eine 23-Punkte-Führung hergegeben haben. Viele sagten nach der Niederlage, dass es die alten Mavericks seien und dass wir nicht da sind, wenn es darauf ankommt. Im Nachhinein betrachtet war es sehr wichtig, dass wir im Anschluss ein Team-Meeting abgehalten haben. Wir gewannen Spiel 5 und bekamen alles aus den Köpfen. Es war ein riesiger Knackpunkt, dass wir uns erholt haben, auch emotional. Danach ging es steil nach oben.
SPOX: Wie gelang der Sweep gegen Titelverteidiger Los Angeles Lakers?
Nowitzki: Erst klauen wir den Lakers gleich in Spiel 1 den Heimvorteil. Dann gewinnen wir auch noch Spiel 2 und der Punkt war gekommen, als wir gesagt haben: Es kann ein gutes Jahr werden. Als wir auch noch Spiel 3 für uns entschieden, war es, als ob ein Schneeball entstanden wäre, der einen schneebedeckten Berg runterrollt und immer größer wird.
SPOX: Nach dem Weiterkommen gegen Oklahoma City stand das Finale an. Gegen die favorisierten Miami Heat.
Nowitzki: Wer hätte das gedacht? Besonders, als sich Caron Butler Anfang des Jahres so schwer verletzt hatte. Es ist der absolute Wahnsinn. Wir haben LeBron James über die Serie hinweg gut verteidigt. Dwyane Wade fing sehr, sehr stark an, aber auch ihn haben wir in den Griff bekommen.
SPOX: Eine kleine, aber nicht unwichtige Rolle spielte Ihr Backup Brian Cardinal. Haben Sie ihm mehr zugetraut als die Öffentlichkeit?
Nowitzki: Ich bin ein riesiger Fan von ihm. Er hat teilweise zwei Monate überhaupt nicht gespielt, kommt rein und gibt alles für uns. Er konnte ein ganzes Spiel drehen. Dazu ist er immer gut gelaunt, immer der Erste im Training und generell ein absoluter Profi. Eine größere Unterstützung von der Bank kann man sich nicht vorstellen. Einen solchen Rollenspieler wünscht sich jeder in der Mannschaft. In meinen 13 NBA-Jahren ist er einer meiner besten Teamkollegen.
SPOX: Die alles überstrahlende Figur war jedoch Finals-MVP Dirk Nowitzki. Was geschieht mit der Trophäe?
Nowitzki: Sie liegt gerade in meinem Haus in Dallas, aber ich muss sie erstmal wieder zur NBA schicken, weil mein Name und das Jahr eingraviert werden müssen. Daraufhin wird sie versendet, wohin ich möchte. Richtig entschieden habe ich mich noch nicht, aber ich denke, ich gebe die Adresse meiner Eltern an. Meine Mutter hebt alles von mir auf und sie will bestimmt auch diese Trophäe.
Dallas vs. Miami: Die Finals auf einen Blick