Die Transaktionen:
Der Trade von Jeff Teague bestimmte tagelang die Schlagzeilen in Georgia. Schon zur Deadline im Februar war klar, dass die Verantwortlichen im Aufbau alles auf eine Karte setzen müssen. In der Offseason fiel die Entscheidung: Diese Karte heißt Dennis Schröder.
Für eine Koexistenz waren beide Point Guards zu gut - das Potenzial von Schröder, der letzte Saison erneut einen Sprung gemacht hatte, überzeugte das Management. Teague wurde per Umweg über die Utah Jazz gegen Taurean Prince (12. Pick im Draft) zu den Indiana Pacers getradet.
Priorität in der Offseason hatte zudem der neue Vertrag von Kent Bazemore. Mit 70 Millionen Dollar für vier Jahre fällt dieser recht üppig aus, eine angemessene Erhöhung nach seiner Breakout-Saison war aber nötig, um den 27-jährigen Flügelspieler zu halten.
Neuer Mann unter dem Brett in Atlanta ist Dwight Howard. Der dreifache Defensive Player of the Year lässt die Bärte in Houston zurück und kommt zurück in seine Heimatstadt. 70,5 Millionen Dollar lassen sich die Hawks Howards Dienste für die nächsten drei Jahre kosten. Al Horford konnte damit nicht mehr gehalten werden und unterschrieb bei den Boston Celtics.
Als Rookies kommen DeAndre Bembry und Isaia Cordinier neu ins Team. Der Abgang von Kirk Hinrich tut niemandem weh. Mike Budenholzer bediente sich zudem einmal mehr in Europa und holte Ex-Bayern-Star Malcolm Delaney zurück in die Staaten.
Der US-Amerikaner spielte eine fantastische Saison für Lokomotiv Kuban aus Russland und wurde ins All-Euroleague First Team gewählt. Gemeinsam mit Jarrett Jack, der nach seinem Kreuzbandriss aus Brooklyn kam, gibt er den Backup von Schröder auf der Eins.
Die Strategie:
Speed. Das ist die große Stärke von Schröder. Nun ist es auch die Stärke der Hawks. Mit der neuen Ausrichtung geht Mike Budenholzer ein wenig weg von der Ballzirkulation der Spurs-Schule.
Durch den Tausch Howard für Horford hat der Braunschweiger erstmals in seiner NBA-Karriere einen starken Pick-and-Roll-Spieler an der Seite. Das klassische Two-Man-Game wird daher an Bedeutung gewinnen und Schröders Drive Ausgangspunkt der Offense sein.
Im Setplay sollen Alleskönner Paul Millsap, Scharfschütze Kyle Korver oder Slasher Bazemore von den Räumen profitieren, die Schröder schafft. Mit ihm und Bazemore können zudem in fast jedem Fastbreak einfache Punkte generiert werden.
Von der Bank kommt mit Delaney ein Spieler, der wie Schröder Zug zum Korb mitbringt. Sollte doch mal ein wenig Veteranen-Erfahrung gebraucht werden, kann Jack die Zügel in die Hand nehmen.
Die Team-Defense war in den letzten Jahren eine Vorzeige-Abteilung in Atlanta. Durch die Beweglichkeit der großen Spieler konnten die Hawks viel aushelfen und Durchbrüche immer wieder gemeinsam stoppen.
Mit Howard steht nun ein klassischer Rim Protector unterm Korb, der das Verteidigungskonzept komplett verändert. Da der 2,11-Riese seine Zone kaum verlässt, wird nun die Defensivarbeit gegen wurfstarke Big Men zur Gemeinschaftsaufgabe Nummer eins.
Die Schwachstellen:
Vor zwei Jahren legten die Hawks eine Fabelsaison hin und fuhren 60 Siege ein - das Problem am Ende: In einem Kollektiv von starken Spielern fehlte der Go-To-Guy. Das hat sich bis heute nicht geändert. Howards Rücken hat zwar zuletzt in Houston weniger Probleme bereitet, doch er ist längst nicht mehr der Spieler, der er vor fünf Jahren war.
Bei den Rockets war Howard mit seiner Rolle nie so richtig zufrieden, seine Forderungen und Attitüden haben sich negativ auf die Stimmung im Locker Room ausgewirkt. Etabliert Budenholzer nicht von Anfang an eine klare und von allen akzeptierte Hackordnung, könnte Superman zum Problem werden.
Schröders ist defensiv besser als Teague, doch nun bekommt er es zum ersten Mal über lange Strecken eines Spiels mit Gegenspielern wir Kyrie Irving, Russell Westbrook, Chris Paul oder Stephen Curry zu tun. Ob er da in der Verteidigung seinen Mann stehen kann und seine Durchschlagskraft ob des zusätzlichen Kraftaufwands keinen Schaden nimmt, muss er erst noch zeigen.
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Der Hoffnungsträger:
Unabhängig davon schenken die Hawks Schröder großes Vertrauen. Der 23-jährige Deutsche hat das Potenzial, sich weiter zu steigern und Atlanta in dieser Entwicklung mitzuziehen. Als Starting Point Guard hat er nun auch die Möglichkeit, es auszuschöpfen.
Der Verbleib in Atlanta hat fast nur Positives für Schröder. Auch wenn er als Starter weiter ins Rampenlicht rückt - in einer anderen Stadt stünde er unter deutlich größerem Druck. In Atlanta kennt man seine Stärken und hat sich bewusst für ihn als Baustein der Zukunft entschieden.
Die Ankunft von Howard wird Schröder helfen, seine Abschlüsse am Ring zu bekommen. Es wird viel davon abhängen, ob Schröder eine gute Balance zwischen dem eigenen Abschluss und dem Kreieren für die Mitspieler findet. Neben der Spielübersicht muss er seinen Wurf stabilisieren, denn mit jedem getroffenen Jumper steigt der Wert seiner Schnelligkeit.
Zwei andere Spieler dürften den Hawks zudem Hoffnung machen: Thabo Sefolosha kam nach langer Verletzungspause Ende der Saison wieder auf seinem alten Spielniveau an, Kyle Korver brennt trotz seiner inzwischen 35 Jahresringe nach seiner Seuchensaison auf Wiedergutmachung. Und seine Treffer zählen bekanntlich drei Punkte.
Das Fazit:
A chip and a chair. Mehr braucht man beim Poker nicht, um den ganz großen Pott zu gewinnen. Das Potenzial hat Schröder bereits gezeigt, nun hat er nach seiner Beförderung auch den Platz in der Starting Five - und damit die Chance, richtig einzuschlagen.
Die Hawks setzen ihr Geld nicht nur auf Schröder, sondern mit der Verpflichtung von Howard auch auf eine Abkehr vom System der vergangenen zwei Jahre.
Es wird spannend zu sehen sein, ob die Hawks die Anpassung ihrer Identität hinbekommen. Doch der grundsätzliche Ansatz ist richtig. Nach zwei Playoff-Klatschen gegen die Cleveland Cavaliers in Folge musste sich etwas ändern im Staate Georgia.
Coach Budenholzer steht vor einigen neuen Herausforderungen. Das nötige Feingefühl im Umgang mit Problemfall Howard wird eine davon sein, ebenso wie Geduld mit Schröder. Nicht jede Entscheidung, die #DS17 in Zukunft treffen wird, kann richtig sein.
Doch in der Position zu sein, wichtige Fehler machen zu können, bedeutet gleichzeitig, dass Schröder in der Crunchtime auf dem Feld stehen wird. Dann, wenn es um alles geht. Dennis ist ein Zocker und er wird Verantwortung tragen. Und wenn er sein Blatt richtig ausspielt, hat er die Chance, Atlanta zum Sieg verhelfen. Dann hätte sich das Risiko der Hawks langfristig gelohnt.
Die Note: 3+