Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Es ist eine dieser Redewendungen, die man in seinem Leben immer wieder hört. Und manchmal mag man sie vielleicht nicht mehr hören. Dabei ist sie so wahr.
Wir befinden uns zu Beginn der zweiten Hälfte in Super Bowl XLIV, die Indianapolis Colts führen gegen die New Orleans Saints mit 10:6 und Peyton Manning wartet an der Seitenlinie darauf, dass er den Ball bekommt.
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Onside-Kick bringt die Wende
Er bekommt ihn aber nicht. Er bekommt ihn nicht, weil ein Coach die Entscheidung seines Lebens trifft: Sean Payton. Der Saints-Coach weiß genau, dass die Gefahr groß ist, dass Manning die Colts im ersten Drive übers Feld zum Touchdown führt. Die Folge wäre ein 6:17-Rückstand, der fast schon das Ende bedeuten würde.
Also entscheidet sich Payton dazu, einen Onside-Kick zu probieren. Einen kurzen Kick von mindestens zehn Yards, bei dem das eigene Team die Chance hat, den Ball selbst wieder zu fangen. Bei dem aber auch das Risiko besteht, dass der Gegner in hervorragender Feldposition seinen Angriff startet, wenn der Versuch schief geht. Payton riskiert es, obwohl die Erfolgsrate gering ist, obwohl er in der ersten Hälfte mit einer mutigen Entscheidung schon einmal auf die Nase gefallen ist und obwohl er weiß, dass er zum größten Depp von Amerika gekürt wird, wenn es schief geht. Es ist ihm aber egal.
Denn Payton hat das Gespür für die Situation und er hat erkannt: Jetzt ist unser Moment. Jetzt drehen wir das Spiel. Auf fast magische Weise landet der Ball dann auch in den Händen von Ersatz-Safety Chris Reis und nicht bei einem Colts-Spieler. Die Saints haben den Ball - und der Rest ist Geschichte.
Colts schnell klar in Führung
Bis zu diesem Zeitpunkt war in Miami praktisch alles für die Colts gelaufen. Nach einem 38-Yard-Field-Goal von Matt Stover und einem 19-Yard-Pass von Peyton Manning auf Pierre Garcon führte Indianapolis nach den ersten 15 Minuten mit 10:0. New Orleans schien auf verlorenem Posten.
Im zweiten Viertel marschierten die Saints zwar immer wieder bis weit in die Hälfte der Colts, aber alles, was am Ende heraussprang, waren zwei Field Goals von einem bemerkenswert sicheren Garrett Hartley (46 Yards, 44 Yards). Negativer Höhepunkt für die Saints: Einmal schafften sie es selbst im vierten Versuch nicht, das fehlende Yard zum Touchdown zu überbrücken und blieben ganz ohne Punkte.
Es musste also eine besondere Aktion her, um das Momentum auf seine Seite zu bekommen. Und durch den erfolgreichen Onside-Kick gelang genau das. Ein 16-Yard-Pass von Drew Brees auf Pierre Thomas sorgte für die erste Führung der Saints, die Colts konterten allerdings postwendend durch einen 4-Yard-TD-Run von Running Back Joseph Addai.
Im Anschluss verkürzte Hartley noch im dritten Viertel mit einem 47-Yard-Field-Goal auf 16:17. Mit dieser knappen Führung für die Colts ging es ins dramatische Schlussviertel. Vom erwarteten Shootout waren beide Teams weit entfernt.
Mannings fataler Fehler
Was dann folgte, war eine Demonstration der Stärke der Saints. Zuerst zwang die Defense Indianapolis zu einem 51-Yard-Field-Goal-Versuch, den Stover auch prompt links an den Stangen vorbei setzte.
Danach übernahm Brees das Kommando. Der Spielmacher machte gegen die Colts-Defense, was er wollte, er brachte in dieser Phase jeden Pass an den Mann und warf knapp sechs Minuten vor Schluss einen 2-Yard-TD-Pass auf Tight End Jeremy Shockey.
Dank eines erfolgreichen Videobeweises gelang auch die Two-Point-Conversion, New Orleans lag plötzlich mit sieben Punkten vorne. Dennoch blieb für Peyton Manning noch genug Zeit, um die Partie auszugleichen und eine Verlängerung zu erzwingen.
Drei Minuten vor Schluss näherten sich die Colts immer mehr der Endzone der Saints, doch dann traf Manning eine fatale Fehlentscheidung, die er für den Rest seines Lebens bereuen wird. Er warf einen Pass, der er niemals hätte werfen dürfen.
"Wir sind das Team der Welt"
Er wollte den Ball auf der linken Seite zu Wide Receiver Reggie Wayne bringen und in eine Lücke hineinpressen, aber Cornerback Tracy Porter hatte den Braten längst gerochen. Porter fing den Pass ab und trug das Ei fast über das gesamte Feld zum Touchdown zurück in die Endzone der Colts. Es stand 31:17 für die Saints, das Spiel war gelaufen.
Bezeichnenderweise war es die Saints-Defense, die das Spiel dann auch endgültig beendete, als sie die Colts in der letzten Minute beim vierten Versucht stoppte. Spätestens jetzt hatte die Feier auf der Bourbon Street in New Orleans begonnen.
"Wir haben immer an uns geglaubt und wir wussten, dass wir eine ganze Stadt und vielleicht ein ganzes Land hinter uns hatten. Was soll ich sagen? Ich habe immer versucht, mir vorzustellen, wie dieser Moment wohl sein würde, und ich muss sagen, es ist noch besser als erwartet", sagte Brees. Und Linebacker Scott Fujita ergänzte: "Das war größer als nur ein Spiel für die Saints. Wir sind das Team der ganzen Welt."
Brees zum MVP gewählt
Mit Ausnahme von Indianapolis jubelt nach diesem märchenhaften Triumph wohl tatsächlich die ganze Welt mit den Saints. Vor vier Jahren stand fast die ganze Stadt nach Hurricane Katrina unter Wasser, die Saints hatten kein Zuhause, die Menschen keine Zukunft - jetzt sind alle zusammen Champions.
Brees, der mit 32 vollständigen Pässen den Super-Bowl-Rekord von Tom Brady einstellte, wurde nach dem Spiel verdient zum MVP gewählt und New Orleans ist völlig verdient der neue Meister der NFL.
Weil es ein außergewöhnliches Team hat, mit einem außergewöhnlichen Quarterback und einem außergewöhnlichen Coach, der weiß, wann man außergewöhnliche Entscheidungen treffen muss. Es stimmt eben: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.