Durchbricht Watt die Phalanx?

Von Adrian Franke
10. Dezember 201417:00
Schnappt sich wieder mal ein Quarterback die begehrte MVP-Trophäe?getty
Werbung

Seit 2001 war der NFL-MVP bis auf drei Running Backs - Adrian Peterson, LaDanian Tomlinson und Shaun Alexander - stets ein Quarterback. Diese QB- und generelle Offensiv-Dominanz könnte in diesem Jahr durchbrochen werden. Allerdings hat J.J. Watt, der einzige Defensivspieler unter den Top-Ten-Kandidaten, hochkarätige Konkurrenz: SPOX analysiert drei Wochen vor Ende der Regular Season das Rennen um die begehrte MVP-Trophäe.

10. Russell Wilson, QB, Seattle Seahawks

Spätestens seit dem Abgang von Percy Harvin hat Seattle, das in der Offseason auch Golden Tate gehen ließ, keinen potentiellen Nummer-1-Receiver mehr - und auch Harvin selbst enttäuschte zuvor über weite Strecken. Seattle schafft im Schnitt keine 200 Passing-Yards pro Spiel, dennoch verdient sich Wilson seinen Platz in den Top Ten.

Insgesamt sind die Read Option sowie die QB-Runs in diesem Jahr wieder stark aus der Mode gekommen, doch Seattle ermöglicht es Wilson mit weiten WR-Splits, die Read Option durchzuführen, ohne dabei schwere Hits einzustecken. Das ermöglicht Bootlegs und gefährliche Play-Action-Pässe. Darüber hinaus ist seine Improvisationsfähigkeit nahezu unerreicht - und Wilson leistet sich kaum Fehler: Nur Aaron Rodgers hat weniger Interceptions auf dem Konto (3) als Wilson (5), der sich im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich gesteigert hat und in der Offense mehr Verantwortung trägt.

Wenn kein Spieler frei ist, kann Wilson dennoch Raumgewinne erzielen, entweder indem er mit dem Ball läuft, oder indem er sich genügend Zeit verschafft, bis sich schließlich ein Receiver seines Bewachers entledigt hat. Mittlerweile hat sich Seattles Defense wieder gefunden und die Seahawks haben den Division-Sieg in der eigenen Hand. Ohne Wilson wäre der Titelverteidiger aktuell wohl nur noch im Wild-Card-Rennen.

9. Jordy Nelson, WR, Green Bay Packers

"Die Leute unterschätzen Jordys Fähigkeiten immer noch, selbst wenn er direkt vor ihnen steht. Ich weiß nicht, was sie noch von ihm sehen wollen", erklärte Nelsons Ex-Mitspieler Greg Jennings vor einigen Wochen in der "Sports Illustrated". Das dürfte sich aber ändern: 16,2 Yards gelingen Nelson in dieser Saison pro Catch, 97,5 Yards pro Spiel. Gemeinsam mit Randall Cobb bildet er das beste WR-Duo der laufenden Saison und ist sowohl als Deep Threat, als auch bei seinen kurzen Slants nur extrem schwer zu verteidigen.

Darüber hinaus hat kein Wide Receiver in der laufenden Saison mehr Touchdown-Pässe gefangen als Nelson (12). Der 29-jährige Sohn einer Farmerfamilie aus Kansas schafft es immer wieder, sich an der Line of Scrimmage zu befreien und versteht sich mit seinem Quarterback Aaron Rodgers beinahe blind. Dazu kommen Nelsons herausragende Hände: Kaum ein Receiver, der so häufig anvisiert wird wie er, hat eine bessere Drop-Quote - nur 2,5 Prozent seiner Pässe (drei von 78) ließ Nelson bislang fallen.

Zum Vergleich: Demaryius Thomas (5,6 Prozent), Julian Edelman (5,7 Prozent) oder Rob Gronkowski (5,3 Prozent) stehen hier klar hinter ihm. Es hat einige Jahre gedauert, aber spätestens nach dieser Saison sollte Jordy Nelson ligaweit die ihm zustehende Anerkennung als legitimer Nummer-1-Receiver erhalten.

8. Rob Gronkowski, TE, New England Patriots

Seitdem Gronk wieder bei 100 Prozent ist, passenderweise etwa seit dem ersten Spiel nach dem Debakel in Kansas City, sind die Patriots ein anderes Team. Gronkowski ist Tom Bradys wichtigste Waffe und darüber hinaus ein herausragender Blocker im Run Game. Man könnte zweifellos argumentieren, dass Gronkowski, abgesehen von Quarterbacks, die wichtigste Offensiv-Waffe der NFL ist. Gronk macht Brady besser - daran gibt es weder statistisch noch am Bildschirm einen Zweifel.

Seine große Stärke ist dabei seine Vielseitigkeit. Wenn der Tight End auf dem Platz steht, kann ein Run Play kommen, Gronk kann als Ablenkung für einen Slot-Receiver fungieren - oder aber selbst im Slot agieren oder einen weiten Pass fangen. Und hat er den Ball erst mal, ist er kaum zu tackeln - wie jüngst gegen die Colts eindrucksvoll zu sehen.

"Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das geschafft habe. Ich bin über fünf Leute oder so drübergerannt", grinste Gronk anschließend. Nimmt man Gronkowski aus dem Spiel, sind die Patriots kein Super-Bowl-Mitfavorit mehr, weshalb er auf dieser Liste nicht fehlen darf. Seit Week 5 ist er der dominante Tight End der NFL sowie einer der insgesamt besten Passfänger der Liga.

7. Andrew Luck, QB, Indianapolis Colts

Luck führt die Liga nicht nur in Passing-Yards (4.305) sowie gemeinsam mit Peyton Manning in Passing-TDs (36) an, er trägt die Colts, wie schon in seinen ersten beiden Jahren in der NFL, fast im Alleingang. Spätestens seit der Verletzung von Ahmad Bradshaw hat Indianapolis kein gefährliches Run Game mehr, auch die Defense ist trotz einer signifikanten Steigerung im Vergleich zum Vorjahr noch immer durchaus anfällig.

Zudem spielte Lucks WR-Corps, abgesehen von T.Y. Hilton, im Laufe der Saison extrem inkonstant und Reggie Wayne schlägt sich zudem mit einer Trizepsverletzung herum. Der QB überzeugt mit seiner unglaublichen Ruhe im Spiel sowie seiner Nervenstärke im Schlussviertel - in Cleveland gelang ihm am Sonntag ein weiteres beeindruckendes Comeback im letzten Spielabschnitt.

Für die Top Five reicht es für Luck aus einem einfachen Grund noch nicht: Er leistet sich noch immer zu viele Turnover. 13 Interceptions sowie sechs verlorene Fumbles sind schlicht zu viel, um zur absoluten Elite zu gehören. Luck geht, im Gegensatz zu Wilson, oft zu hohe Risiken ein und wirft etwa in Double Coverage - auch wenn dem 25-Jährigen davon abgesehen nicht mehr viel zu den absoluten Meistern des Fachs fehlt.

6. DeMarco Murray, RB, Dallas Cowboys

Geht man nach den reinen Running-Leistungen, muss man Murray im MVP-Rennen berücksichtigen. Der 26-Jährige kann die 2.000-Yard-Marke noch immer knacken: Aktuell steht er bei 1.606 Yards sowie starken fünf Yards pro Versuch. Murray, und nicht mehr das Passspiel um Tony Romo und Dez Bryant, ist der Fokus der Cowboys-Offensive. Er hat fast 400 Rushing-Yards mehr auf dem Konto als sein erster Verfolger Le'Veon Bell. Murray ist es somit auch zu verdanken, dass Dallas' Defense viel Erholungszeit an der Seitenlinie bekommt.

Als sich Tom Brady und Aaron Rodgers noch in der Findungsphase der laufenden Saison befanden, war Murray, unterstützt von der besten Run-Blocking-O-Line dieser Saison, daher über mehrere Wochen der MVP-Topkandidat - und das, obwohl er sich in den ersten acht Spielen fünf Fumbles leistete. Obwohl Murray nach wie vor hart läuft und der Hauptgrund dafür ist, dass die Cowboys noch Playoff-Hoffnungen und endlich mal wieder eine Saison mit positiver Bilanz vorzuweisen haben, gibt es zwei einfache Gründe dafür, dass er aus der Top-5 gefallen ist.

Zum einen waren andere Spieler in der zweiten Saisonhälfte schlicht dominanter und beeindruckender, auch wenn Murray nicht wirklich nachgelassen hat. Zum anderen hat er den Luxus, im Gegensatz etwa zu Adrian Peterson in seiner MVP-Saison, selten gegen 8-Men-Fronts anzurennen, da der Gegner Romo respektieren muss. Als der gegen Arizona ausfiel und die Cardinals die Box zustellten, war Murray kein wirklicher Faktor.

Seite 1: Wilson, Luck, Gronk: Platz 10 bis 6

Seite 2: Manning, Rodgers, Watt: Platz 5 bis 1

5. Peyton Manning, QB, Denver Broncos

Mannings durchwachsene Leistungen in den vergangenen Wochen sorgen dafür, dass er trotz seines herausragenden Saisonstarts in der MVP-Rangliste etwas durchgereicht wird. Mannings Würfe wirkten in den vergangenen Wochen teilweise auffallend unpräzise und der 38-Jährige scheint nicht genügend Power in seine weiten Pässe stecken zu können. Doch passend dazu haben die Broncos mit C.J. Anderson endlich ein Run Game gefunden - so konnte Manning entlastet werden.

Das Resultat: Mannings Serie aufeinanderfolgender Spiele mit eigenem TD-Pass endete gegen Buffalo am vergangenen Sonntag nach 51 Spielen - drei Spiele fehlten ihm, um den Rekord von Drew Brees zu knacken. Dass sich die Zahlen aus Sicht des Routiniers, der hinter einer der statistisch besten Pass-Blocking-O-Line werfen darf, noch immer beeindruckend lesen (3.910 YDS, 36 TDs, 11 INTs) steht außer Frage - wenngleich die Turnover für Manning durchaus ungewöhnlich sind.

Klar ist aber auch: Gegen die Chiefs hatte Manning vor zwei Wochen seine schlechteste Completion Percentage (50 Prozent) seit fünf Jahren und gegen die Bills sein schlechtestes QB-Rating seit sechs Jahren (56.9). Doch für den fünffachen MVP dürfte es an diesem Punkt seiner Karriere ohnehin nur noch um den zweiten Ring gehen - selbst wenn er selbst dabei nicht im Fokus stehen würde. SPOX

4. Le'Veon Bell, RB, Pittsburgh Steelers

Vor allem in der zweiten Saisonhälfte hat Bell ordentlich die MVP-Werbetrommel gerührt. Der 22-Jährige ist der Hauptgrund dafür, dass die Steelers noch ernsthafte Playoff-Chancen haben - 1.924 Scrimmage-Yards sowie acht Touchdowns stehen insgesamt zu Buche. Bell läuft extrem hart und ist außerdem die Absicherung im Passspiel für Quarterback Ben Roethlisberger. Die einfache Formel in Steel City: Wenn Pittsburghs Offense strauchelt, kann sie sich auf Bell verlassen.

Gegen die Bengals etwa erhielt er den letzten Drive vor der Halbzeit mit einem sensationellen Move gegen Wallace Gilberry aufrecht. Über die letzten drei Spiele verzeichnete Bell je über 200 Yards from Scrimmage, eine Marke, die zuvor nur der große Walter Payton erreicht hatte. Gegen Atlanta könnte der Rekord also endgültig fallen. "Als O-Line liebst du einen solchen Running Back. Er wartet auf die Blocks und sieht das Feld super. Er lässt Gegner dumm aussehen und macht es uns wirklich leicht", lobte Steelers-Center Maurkice Pouncey jüngst.

Dabei hat Bell zwar wie Murray eine der besten O-Lines zur Verfügung (Top-4 was Run-Blocking angeht), allerdings ist er, verglichen mit dem Cowboys-RB, als Passempfänger noch deutlich gefährlicher - und hat darüber hinaus in der laufenden Saison noch keinen einzigen Fumble auf seinem Konto. Somit konnte sich Bell über die vergangenen Wochen vor Murray katapultieren.

3. Tom Brady, QB, New England Patriots

Zehn Wochen in der NFL sind mehr als nur eine Ewigkeit. Rückblick gefällig? In Week 4 wurden die New England Patriots am Montagabend in Kansas City mit 41:14 verprügelt und Tom Brady stand nach seinem durchwachsenen Saisonstart in der Kritik - Pats-Coach Bill Belichick wurde anschließend auf einer PK sogar gefragt, ob die QB-Position intern diskutiert werde. Fehlende Waffen, eine schwache O-Line und Bradys beginnender Abstieg aus der Elite wurden medial ausgiebig thematisiert.

Es scheint, als wäre das zwei Jahre her. Aus deutlich weniger Offensiv-Talent als etwa Peyton Manning oder Aaron Rodgers hat Brady enorm viel gemacht, und das obwohl seine O-Line noch immer ihre Probleme hat und er sich auf keinen Elite-WR verlassen kann. Brady steht bei 3.560 Yards, 30 Touchdowns und sieben Interceptions. Vor allem sein Feuer und seine Leidenschaft für das Spiel sind dabei ungebrochen.

Noch immer ist kaum ein Quarterback so gut darin, seine Mitspieler an der Seitenlinie während eines Spiels neu einzustellen, wie Brady. Zuletzt zu bewundern am Sonntagabend in San Diego, als Brady mehrfach offensichtlich "Fuck" brüllte. "Ich wünschte, ich hätte da manchmal eine bessere Wortwahl. Aber nichts drückt meine Emotionen in dem Moment besser aus als dieses Wort", grinste Brady anschließend, nur um hinzuzufügen: "Natürlich verwende ich es nicht zuhause."

2. J.J. Watt, DE, Houston Texans

Dass Watt der mit Abstand beste Verteidiger der Liga ist, dürfte niemand auch nur ansatzweise in Frage stellen - und somit nimmer er hier eine Art "Best-of-the-Rest"-Stellung ein. Seit Lawrence Taylor 1986 hat kein Defensiv-Spieler mehr den MVP-Award gewonnen. Es ist einfach brutal schwer, in der heutigen NFL defensiv einen vergleichbaren Einfluss auf das Spiel zu haben wie ein Quarterback - auch wenn Watt großen Anteil daran hat, dass die Texans schon jetzt mehr als dreimal so viele Siege wie in der Vorsaison auf dem Konto haben.

Gleichzeitig bleibt festzuhalten: Fünf Touchdowns hat Watt insgesamt schon auf dem Konto, drei davon per Catch als Tight End in der Offense. Kein Wunder: In der High School war er ein All-State-TE. Klar ist außerdem: Watt wird nicht um Stimmen betteln: "Wenn die Leute für mich stimmen, ist das toll. Aber ich werde keine Werbung für mich machen gehen oder darum bitten. Ich will mir den Titel verdienen. Meine Leistungen auf dem Platz sind das, was zählen sollte." Diese sprechen zweifellos für sich: 14,5 Sacks, 41 QB-Hits, 20 Tackles for Loss und drei erzwungene Fumbles - Watt ist trotz Sonderbewachung der Gegner der mit Abstand dominanteste Verteidiger der Liga.

Er ist kaum konstant zu blocken und hat maßgeblichen Einfluss auf die komplette gegnerische Offense sowie deren Game Plan, zumal Houston ihn längst überall an der Line aufbietet und seine enorme Vielseitigkeit so nutzt. Gleichzeitig wird Watt, im Gegensatz etwa zu Aaron Rodgers, der Team-Aspekt im MVP-Rennen zum Hindernis. Egal, wie dominant er Woche für Woche auftritt - Houstons Defense insgesamt ist bestenfalls mittelmäßig und der Defensive End allein kann das nicht ändern.

1. Aaron Rodgers, QB, Green Bay Packers

Der Most Valuable Player, also der wertvollste Spieler, muss in einem absoluten Teamsport ein Spieler sein, dessen Ausfall für sein Team unersetzlich ist und der sein Team maßgeblich zum Erfolg führt. Im Football ist die Quarterback-Position hierfür schlicht prädestiniert, was ein Rückblick auf die MVPs der vergangenen Jahre bestätigt - und deshalb bekommt Rodgers hier den Vorzug vor Watt. A-Rod ist schlicht der unersetzbarste Spieler der Liga und aktuell auch der beste Quarterback der NFL.

Ohne Rodgers stünde Green Bay zweifellos nicht an der Spitze der NFC North und wäre kein Titelkandidat - die Defense konnte Atlanta am Montag jedenfalls nicht bezwingen. Was Rodgers mit dem Ball in der Hand macht, Verteidigern ausweicht und Woche für Woche an spektakulären Plays raus haut, ist schlicht unglaublich - vor allem zuhause: Im Lambeau Field hat er nunmehr saisonübergreifend 396 Pässe und 34 TD-Pässe ohne Interception geworfen, insgesamt steht er bei 35 TDs und nur drei Picks in dieser Saison. Zudem ist er enorm beweglich - fast die Hälfte seiner Runs erzielten ein neues First Down.

Rodgers spielt auf der wichtigsten Position im Football aktuell die vielleicht beste Saison aller Zeiten, auch wenn die Zahlen Peyton Mannings Vorjahresleistung wohl nicht erreichen werden. Dennoch zur Einordnung: Als Rodgers 2011 den MVP-Award gewann, hatte er ein Passer Rating von 122.5 (4.643 YDS, 45 TDs, 6 INTs), es war bislang das beste Saison-Passer-Rating in der Geschichte der NFL.

Diese Marke könnte in diesem Jahr fallen - die Packers treffen noch auf Buffalo, Tampa Bay und Detroit, Rodgers steht aktuel bei einem Rating von 119.0. Oder, um es in den Worten von Packers-Coach Mike McCarthy zu sagen: "Ich habe noch nie einen Quarterback auf diesem Level spielen sehen. Seine Verantwortung ist höher als je zuvor und für mich sind auch seine Leistungen besser als jemals zuvor."

Knapp hinter den Top Ten: Philip Rivers, Antonio Brown, Arian Foster, Justin Houston, Von Miller

Seite 1: Wilson, Luck, Gronk: Platz 10 bis 6

Seite 2: Manning, Rodgers, Watt: Platz 5 bis 1

Die NFL im Überblick