NFL

Dr. Jekyll and Mr. Hyde

Von Adrian Franke
Jameis Winston gilt beim Draft als mutmaßlicher Nummer-1-Pick
© getty

Der beste Quarterback des Drafts ist gleichzeitig eine der größten Wundertüten. Jameis Winston gilt trotz mehrerer Fehltritte als mutmaßlicher Nummer-1-Pick am Freitag (ab 1:30 Uhr im LIVE-TICKER), der schwerwiegendste Vorfall wirft aber einen großen Schatten auf den 21-Jährigen - und auf seine Schule. Es ist die Geschichte eines cleveren Jungen aus Alabama, der kurz vor der Perfektion stand und jetzt trotzdem Hilfe braucht.

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Es war wahrlich keine rühmliche Szene. Florida State lag im Rose Bowl gegen Oregon mit 20:39 zurück, kurz vor Ende des dritten Viertels mussten die Seminoles das Fourth Down ausspielen. Winston versuchte Zeit zu gewinnen und wich mehreren Pass-Rushern aus, verlor aber die Balance und fiel auf den Rücken. Dabei rutschte ihm der Ball aus der Hand und Oregons Tony Washington trug das Ei in die Endzone. Game Over.

Nachdem Winston sein Team in der ersten Hälfte noch im Spiel gehalten hatte, lief im dritten Viertel überhaupt nichts mehr und anschließend blieb ihm mit Blick auf seinen kuriosen Fumble nur die späte Einsicht: "Ich wollte da einfach noch was rausholen. Ich hätte früher werfen sollen, es war einfach Pech. Ich hätte nie gedacht, dass ich ausrutsche und den Ball rückwärts werfe. Aber so ist Football - es war einfach verrückt."

Winstons Magie bleibt aus

Bis zu jener verhängnisvollen Szene hatten die Seminoles-Fans noch auf die schon gewohnte Winston-Magie gehofft. Es war bereits das vierte Mal in der laufenden Saison, dass Florida State nach Oregons Touchdown spät in der ersten Hälfte zum 18:6 einen zweistelligen Rückstand aufholen musste. Doch dann drehte Winston auf: Innerhalb von eineinhalb Minuten marschierte FSU das Feld runter und verkürzte auf 18:13.

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In der zweiten Halbzeit erwiesen sich die Ducks schlicht als zu schnell und zu effizient, 59:20 hieß es am Ende. Obwohl Oregon auch im ersten Durchgang schon übermächtig schien, schenkte Winston allein den Fans Hoffnung. Zu oft hatte er schon spät im Spiel Rückstände, an denen er selbst auch manchmal nicht schuldlos war, gedreht und mit seinem Siegeswillen das Team mitgerissen.

Dieses Mal aber sollte es nicht reichen. Gegen Oregon setzte es die erste und einzige Niederlage, die Jameis Winston in seiner College-Football-Karriere einstecken musste.

Pro-Style, Vorbereitung - Picks

Schon aus der High School, wo er auch Baseball spielte, kam Winston als viel gelobter, ausgezeichneter Top-Recruit nach Florida. Bei den Seminoles machte er in einer Pro-Style Offense den nächsten Schritt. Winston geht konstant durch seine Reads, hat ein gutes Gespür für die Pocket und den Pass-Rush und steckte konstant extrem viel Zeit ins Videostudium und die Vorbereitung auf den nächsten Gegner.

Doch wie schon gegen Oregon war Winston in seiner kompletten letzten College-Saison alles andere als fehlerfrei. Insgesamt 18 Picks leistete er sich, allein sechs davon gegen Underneath-Defender bei kurzen Pässen, was Fragen zu seiner Vision aufbrachte. Gleichzeitig hatte er auch Pech bei mehreren abgefälschten Bällen und musste die Offense alleine tragen: Das Running Game der Seminoles stürzte im Vergleich zum Vorjahr vom 28. auf den 98. Platz in der landesweiten Wertung ab.

Aber auch Winston selbst brachte sein Team mit konstanten Fehlentscheidungen und erzwungenen Pässen immer wieder in schwierige Situationen. Zu häufig war er zu leichtsinnig, und musste sein Team so immer wieder Spiele drehen - was ihm allerdings dann auch zumeist gelang.

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Doch ohnehin waren es nicht seine Fehler auf dem Platz, die vor dem Draft für Diskussionsstoff sorgen. Es waren vielmehr die deutlich gravierenderen Fehltritte neben dem Gridiron.

Unrühmliche Aussetzer

Bei einem Luftpistolen-Duell zwischen mehreren Spielern, unter anderem wohl auch Winston, gingen 13 Fensterscheiben zu Bruch. Im Juli 2013, vor seiner ersten Saison als Starter bei FSU, klaute er Cola in einem Burger King - indem er am Free-Refill-Automaten mit einem Ketchup-Becher Getränke holte. Der erste schwerwiegendere Vorfall ereignete sich auf dem Campus: Weil er einen obszönen Ruf losließ, wurde er für das Spiel gegen Clemson suspendiert.

"Ich war mit meinen Freunden unterwegs und habe ein Internet-Meme zitiert. Es war einfach etwas, das die Leute sagen. Aber ich wollte die Aufmerksamkeit und habe es laut gerufen", erklärte er anschließend kleinlaut: "Es gab einige Lacher, ich weiß, dass es kindisch war, aber ich habe es getan. Das war dumm." Winston erschien trotzdem in voller Montur und wurde von Coach Jimbo Fisher prompt wieder in die Kabine geschickt.

Im April 2014 gab es dann auch eine Anzeige: Winston hatte Krabbenbeine im Wert von 32 Dollar gestohlen. Nachdem seine ursprüngliche Version war, dass er das Bezahlen vergessen hätte, behauptet er inzwischen, er hätte sie als Uni-Star über einen Freund umsonst bekommen. FSU ermittelt.

Das große Fragezeichen

All diese Vorfälle zeichnen bereits ein gewisses Bild, doch der mit Abstand alarmierendste Vorfall ereignete sich bereits 2012 - und wirft bis heute einen Schatten auf Winstons herausragende College-Karriere. Am 7. Dezember 2012 wurde die FSU-Studentin Erica Kinsman bei der Polizei vorstellig und berichtete, dass sie vergewaltigt worden sei. Zunächst bleiben die Untersuchungen noch unter dem Radar, bis knapp ein Jahr später erstmals Winstons Name auftauchte.

Es begann eine merkwürdige Phase halbherziger Entwicklungen. Winstons Begleiter aus der Nacht gaben, mutmaßlich nach einem Gespräch mit dessen Anwalt, eine nahezu identische Aussage ab. Demnach sei eine blonde, nicht alkoholisierte Frau freiwillig mitgekommen und dann mit Winston in dessen Zimmer verschwunden. Staatsanwalt William Meggs verkündete kurz darauf, dass er nicht genügend Beweise habe, um ihn der Vergewaltigung anzuklagen und dass es Fehler in den Polizeiermittlungen gegeben habe.

So gab es den ersten Polizeibericht erst zwei Monate nach dem Vorfall, dabei wurde weder versucht, Winstons Begleiter zu finden, noch die Überwachungsvideos der Bar zu untersuchen. Keine vier Wochen nachdem Winstons Name als Verdächtiger an die Öffentlichkeit gekommen war, schien das Thema auch schon wieder vom Tisch. Er gewann wenig später die Heisman Trophy nach einer, auf dem Platz, ohne Zweifel herausragenden Saison und führte Florida State zur National Championship.

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