Die Miami Dolphinshaben das Ruder nach dem Trainerwechsel fulminant herumgerissen und sind plötzlich wieder im Wildcard-Rennen der AFC. Doch jetzt wartet die erste echte Bewährungsprobe für den neuen Head Coach Dan Campbell: Die New England Patriots in einer kurzen Woche am Donnerstagabend. Wie stark sind die neuen Dolphins wirklich?
Den Oklahoma Drill gibt es seit Jahrzehnten. Coaches nutzen ihn immer wieder gerne, um eine Trainingseinheit etwas zu würzen und das eigene Team aggressiv zu halten. Zwei Spieler stellen sich dabei komplett in Pads etwa einen Meter voneinander entfernt auf und nach dem Pfiff gilt es, den Gegner aus dem Weg zu räumen. Wenig Finesse, viel rohe Kraft und jede Menge Adrenalin - das ist der Oklahoma Drill. Miamis Ex-Coach Joe Philbin war kein großer Fan dieser Übung. Sein Nachfolger Dan Campbell installierte sie an seinem ersten Tag.
"Ich will Spieler sehen, die sich miteinander mit allem was sie haben messen. Dafür haben die Spieler diese Pads an. Sie müssen lernen, die wieder zu benutzen. Ich sage niemandem, dass er sich prügeln soll. Aber wenn die Jungs ein bisschen heiß laufen, kann das mal vorkommen", erklärte Campbell nach seinem ersten Training.
Es war eine Botschaft, die ankam. "Allein die Energie und der Hunger, den er mitbringt, sollten unser Team in positiver Art und Weise beeinflussen", war sich Defensive Back Reshad Jones schnell sicher und Linebacker Chris McCain fügte vor einigen Tagen hinzu: "Für Coach Campbell würde ich durch eine Wand rennen. Egal ob Ziegelsteine oder Zement. Durch alles."
It's (finally) Miller-Time
Man mag von dem Einfluss neuer Motivation und eines neuen internen Feuers halten, was man will. Unbestreitbar ist aber, dass Campbell durch das Drehen an einigen Schrauben auch auf dem Platz schnelle Veränderungen erreicht hat. Offensiv trägt das primär einen Namen: Lamar Miller.
Für viele Experten ging Miller als ein potentieller Top-Running-Back in die neue Saison, und das zurecht: Der 24-Jährige verzeichnete in der Vorsaison in einem extrem effizienten Running Game 1.099 Rushing-Yards sowie 5,1 Yards pro Run-Versuch. Umso überraschender war Philbins sparsamer Umgang mit seinem Back und dem Running Game insgesamt. Ganze 9,3 Rushing-Versuche verzeichnete Miller über die ersten vier Spiele, ehe Philbin seinen Hut nehmen musste.
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Unter Campbell gestaltete sich das in den beiden bisherigen Partien deutlich anders: 16,5 Rushing-Versuche pro Spiel, 144 Rushing-Yards pro Spiel - macht unglaubliche 8,7 Yards pro Run-Versuch. Es war die Erfolgsformel für die dominanten Siege gegen Tennessee und Houston.
"Die Offensive Line hat über die vergangenen beiden Wochen herausragend gespielt", gab sich Miller, der inzwischen wieder wie in der Vorsaison das Feld und seine Blocks extrem gut liest, bescheiden und schob zumindest einen kleinen Seitenhieb gegen Philbin hinterher: "Ich war einfach geduldig. Wir haben im Moment schlicht und ergreifend Spaß und die Coaches geben mir die Chance, Plays zu machen."
Härte und Spaß
Es sind diese beiden Dinge, die man im Moment von jedem Spieler aus Miami hört: Toughness und Spaß. Beides hat Campbell innerhalb weniger Wochen offenbar zurückgebracht und der zum Interims-Head-Coach beförderte Ex-Tight-Ends-Coach betonte bereits nach seinem Einstandssieg über die Titans: "Die Jungs haben das so dringend gebraucht. Jetzt hat jeder Spaß und spielt hart und es fühlt sich wieder ein bisschen so an, als wäre man ein Kind."
Quarterback Ryan Tannehill, mit der Hilfe eines starken Running Games ebenfalls wieder deutlich effektiver, bestätigte: "Dans Enthusiasmus, genau wie seine Energie und Leidenschaft für das Spiel, sind unglaublich ansteckend. Das hat sich auf das ganze Team übertragen und genau so haben wir zuletzt gespielt. Wir haben kein neues Scheme, aber wir haben eine neue Einstellung."
Das lässt sich zweifellos auch über die Defense sagen. Die erhielt, im Gegensatz zur Offense, im Zuge der Philbin-Entlassung auch einen neuen Coordinator - Kevin Coyle wurde durch Lou Anarumo ersetzt und so sind defensiv durchaus auch grundsätzlichere Veränderungen festzustellen: Das Scheme wurde deutlich vereinfacht, die Stars in der Defensive Line (Ndamukong Suh und der endlich wirklich fitte Cameron Wake) haben klare Aufgaben. Dadurch können sie schneller spielen und bekommen die Chance, einen größeren Einfluss auf das Spiel zu haben.
"Eine neue Saison hat begonnen"
Und doch gilt es trotz des aktuellen Höhenflugs rund um South Beach, realistisch zu bleiben - immerhin hätte sich ein neuer Head Coach kaum einen angenehmeren Start ausmalen können: Nach der Bye Week warteten mit Tennessee und Houston zwei der aktuell schwächsten Teams der Liga. Die wurden zwar, zusammengerechnet, mit 82:36 abgefertigt und Linebacker Kelvin Sheppard betonte: "Wir haben das Gefühl, dass eine neue Saison begonnen hat. Wir alle sind Feuer und Flamme für unseren neuen Coach."
Der Week-7-Hangover: Wenn Leidenschaft viel Leiden schafft
Aber der erste echte Härtetest wartet im dritten Spiel unter Campbell: Die Patriots auswärts, und das bereits am Donnerstagabend. Die kurze Vorbereitung ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, hat doch das physische Training maßgebliche Bedeutung für den neuen Coach. In der kurzen Woche wird das nicht möglich sein, wie Campbell laut dem MMQB bestätigte: "Wir werden in dieser Woche nicht physisch arbeiten. Bei so einer kurzen Vorbereitungszeit ist es entscheidend, dass man sich erholt und dass man mental arbeitet."
Gleichzeitig schraubt er die Erwartungshaltung an sich selbst und sein Team aber ganz bewusst nicht zurück: "Wir brauchen diesen Sieg unbedingt und wir sind in der Lage, dieses Team zu schlagen. Das wird natürlich nicht leicht, denn es geht gegen Tom Brady und den großen Bill Belichick. Leicht ist es gegen die nie."
Die gut geölte Patriots-Maschine
Tatsächlich könnte die Herausforderung für dieses bis in die Haarspitzen motivierte Dolphins-Team nicht größer sein, denn New England hat bewiesen, wie brutal effizient das Team die Waffen eines Gegners neutralisieren kann. Das wurde gegen die Buffalo Bills sowie zuletzt gegen die New York Jets deutlich und es gibt keinen Grund, anzunehmen, warum die Pats das nicht auch gegen den dritten Division-Gegner schaffen sollten.
Wie auch Buffalo und New York kommen die Jets defensiv primär über ihre starke Defensive Line, doch so dieser Patriots-Offense beizukommen ist leichter gesagt als getan. Zwar gehört New Englands angeschlagene Offensive-Line statistisch in Pass Protection zum unteren Mittelfeld der NFL. Doch das auf einen unglaublich schnellen Release aufbauende Passing Game kann eine gegnerische D-Line schlicht und ergreifend aus dem Spiel nehmen - der Pass-Rush kommt einfach nicht an Brady, ehe der Ball weg ist.
NFL-Defenses unter der Lupe: Der Weg des größten Widerstandes
Miamis Linebacker und Defensive Backs könnten so ebenfalls mit Rob Gronkowski, Julian Edelman und dem wiedererstarkten Danny Amendola überfordert sein, während New England, das außerdem vermutlich Running Back Dion Lewis zurückerhält umgekehrt eine der besten Front Seven in der NFL aufs Feld schickt. Hier liegt im Duell mit Miamis Running Game der nächste Schlüssel zum Spiel.
"Ich denke, die Dolphins haben ihr Spiel insgesamt vereinfacht", analysierte Belichick, dessen Team seine letzten fünf Thursday-Night-Games gewonnen hat: "Es scheint, als hätten sie deutlich weniger verschiedene Calls und machen weniger verschiedene Dinge - die aber dafür besser. Sie spielen schneller und aggressiver."
Die Mutter aller Standortbestimmungen
So ist es für Miami in jedem Fall die Mutter aller Standortbestimmungen gegen das aktuell beste Team der Liga und für Campbell und Co. die Chance, die eigenen Umstellungen auf und abseits des Platzes der ultimativen Prüfung zu unterziehen.
Der Oklahoma-Drill war dabei nicht die einzige kleine, interne Neuerung, die Campbell einführte. Die altbekannten und kaum noch beachteten Motivationsposter an den Wänden im Dolphins-Gelände wurden entfernt, in der Kabine sitzen seit Week 5 die Positionsgruppen (also Offensive Linemen, Linebacker, Receiver und so weiter) zusammen.
All das soll das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und Campbell hat bemerkenswert schnell eine Veränderung der Einstellung und der Herangehensweise bewirkt. Doch eines ist klar: Härte und Spaß alleine werden gegen diese Patriots nicht reichen. Und so bleibt abzuwarten, wo Miami wirklich steht.
Das SPOX-NFL-Tippspiel, Week 8:
Florian Regelmann | Stefan Petri | Adrian Franke | Marcus Blumberg | Bastian Strobl | |
Dolphins @Patriots | Patriots | Patriots | Patriots | Patriots | Patriots |
Lions @Chiefs | Chiefs | Chiefs | Lions | Chiefs | Lions |
Buccaneers @Falcons | Falcons | Falcons | Falcons | Falcons | Falcons |
Cardinals @Browns | Cardinals | Cardinals | Cardinals | Cardinals | Cardinals |
49ers @Rams | Rams | Rams | Rams | Rams | 49ers |
Giants @Saints | Giants | Giants | Giants | Saints | Saints |
Vikings @Bears | Vikings | Vikings | Vikings | Vikings | Vikings |
Chargers @Ravens | Ravens | Chargers | Ravens | Chargers | Chargers |
Bengals @Steelers | Steelers | Bengals | Bengals | Bengals | Bengals |
Titans @Texans | Texans | Texans | Texans | Texans | Texans |
Jets @Raiders | Jets | Jets | Jets | Jets | Jets |
Seahawks @Cowboys | Seahawks | Seahawks | Seahawks | Seahawks | Seahawks |
Packers @Broncos | Packers | Packers | Broncos | Packers | Packers |
Colts @Panthers | Panthers | Panthers | Panthers | Panthers | Panthers |
Bye: Bills, Jaguars, Eagles, Redskins | |||||
Letzte Woche: | 10-4 | 9-5 | 9-5 | 8-6 | 7-7 |
Insgesamt | 74-31 | 63-42 | 69-36 | 57-48 | 59-46 |