Back to the Future

Von Adrian Franke
18. Juli 201614:46
Michael Irvin, Emmitt Smith und Troy Aikman führten Dallas in den 90ern zu drei Titelngetty
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Wieder einmal gehen die Dallas Cowboys mit großen Erwartungen in die neue Saison: Der Super Bowl ist das Ziel, das Fenster mit Tony Romo soll ausgenutzt werden. Doch eine antizyklische Off-Season wirft Fragezeichen auf - und lässt einen Trend hin zur eigenen Vergangenheit erkennen.

"With the Third Pick of the Second Round, the Dallas Cowboys select...Jaylon Smith, Linebacker, Notre Dame." Wenige Picks beim vergangenen Draft wurden derart emotional erlebt wie die Zweitrunden-Wahl der Cowboys. Smith, einer der besten Spieler der Klasse, war für viele Teams infolge einer schweren Knieverletzung ein rotes Tuch. Ein Nervenschaden lässt seine Zukunft komplett offen und es ist möglich, dass Smith nie wieder spielen kann.

Umso emotionaler war die Reaktion des jungen Linebackers, eine Feel-Good-Story ohne jede Frage. Klar scheint allerdings, dass Smith 2016 nicht spielen wird und somit ist er eine riskante Investition in die Zukunft - bestenfalls.

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Folgerichtig wirkte der Pick zumindest äußerst antizyklisch. Tony Romo geht mit großen Schritten auf den Herbst seiner Karriere zu und das jetzige Super-Bowl-Fenster wird, für Romo und für Dallas, nicht mehr allzu lange offen sein. Warum also ein Spieler, der, wenn überhaupt, frühestens 2017 wirklich helfen kann? Warum kein Spieler, der in der Defense sofort Löcher stopft?

Es war nicht der einzige antizyklische Pick, den Dallas in diesem Jahr wagte.

Kein Romo? Keine Party!

Für America's Team gibt es seit Jahren - eigentlich seit Jahrzehnten - im Prinzip nur eine Richtung: Der Super Bowl Titel sollte es schon werden. Umso ramponierter war das eigene Selbstverständnis nach der vergangenen Saison: Nur vier Siege, zwölf Niederlagen und der letzte Platz in einer schwachen NFC East. "Die Tatsache, dass wir nur vier Spiele gewonnen haben - egal, ob mit mir oder ohne mich - bedeutet, dass wir uns steigern müssen", stellte Romo selbst unmissverständlich klar.

Die Haupterkenntnis war simpel. Ohne den Quarterback, der den Großteil des Jahres verletzt verpasst hatte, reicht auch die beste Offensive Line der NFL nicht, um Spiele zu gewinnen. Und so enthüllten die Cowboys ihren Plan im Draft: Die 2014er Saison soll wiederholt und Romo entlastet werden.

Die Renaissance des Run Games: Go Big or go Home!

Rückblick: Vor zwei Jahren stellte Dallas auf dem Rücken eines absolut dominanten Running Games eines der besten Teams der Liga. DeMarco Murray verzeichnete 392 Laufversuche, 80 (!) mehr als der zweitplatzierte LeSean McCoy. Die Cowboys liefen Gegner buchstäblich in Grund und Boden, gewannen in Seattle, schlugen die Giants zwei Mal und gewannen im Endspurt beide Division-Duelle in Philly (38:27) und in Washington (44:17).

Dallas verzeichnete fast 30 Punkte pro Spiel, Romo spielte, gestützt von seiner Rushing-Offense, seine beste Saison und die Schwächen in der Defense wurden durch die dominante Offense maskiert. Ein Rezept, das Dallas reproduzieren will: Im Draft wählten die Cowboys mit dem vierten Pick in der ersten Runde mit Ezekiel Elliott einen Running Back.

Warum ein Running Back?

Man könnte es als antizyklisches Risiko abtun - seit 2009 wurde nur ein Running Back in den Top-5 gedraftet: Trent Richardson 2012. Dallas knüpft hier nicht nur an die 2014er Saison an, ähnlich wie schon in den 90ern mit Troy Aikman, Michael Irvin und Emmitt Smith sowie einer dominanten O-Line soll wieder ein offensives Superstar-Trio dominieren. Doch gilt es, diese Entscheidung stärker zu hinterfragen.

Elliott war ohne Frage der beste Back im Draft. Dem anfälligen und aktuell mal wieder verletzten Darren McFadden allerdings gelangen in der Vorsaison knapp 1100 Rushing-Yards für die Cowboys, und das weitestgehend ohne Romo und Dez Bryant. Defenses wussten also, was kommt. Die Lektion: Dallas hat viele Ressourcen in seine O-Line gesteckt und wird dafür belohnt, daher braucht es keinen absoluten Top-Back dahinter.

Wendet man diesen Schluss auf den Draft an, hätten die Cowboys auch mehrere Runden später einen Jordan Howard, Devontae Booker, C.J. Prosise oder Paul Perkins wählen können. Der Weg für etwa Jalen Ramsey mit dem ersten Pick wäre frei gewesen und Dallas hätte gemeinsam mit Byron Jones plötzlich die eigene Secondary in eine dynamische Bedrohung für gegnerische Offenses umwandeln können. Eine Position, die in der heutigen NFL entschieden wertvoller ist als die Running-Back-Position.

Großbaustelle Front Seven

Somit wird Dallas' Pass-Defense noch stärker auf den eigenen Pass-Rush angewiesen sein, ein potentiell enormer Stolperstein auf dem Weg Richtung Playoffs. Chaos-Magnet Greg Hardy erhielt erwartungsgemäß keinen neuen Vertrag, Randy Gregory und DeMarcus Lawrence wurden für die ersten vier Spiele gesperrt. Rookie-DT Maliek Collins brach sich Ende Mai den Fuß und wird wohl die komplette Saisonvorbereitung verpassen.

Rolando McClain macht das Drama in der Front Seven perfekt. Der Linebacker, der in der vergangenen Saison 60 Prozent der Defensiv-Snaps absolvierte, wurde für die ersten zehn Spiele suspendiert. Damit wird Defensive Coordinator Rod Marinelli womöglich bei den Linebackern zu dem Ansatz gezwungen, den er schon lange in der Defensive Line verfolgt: Quantität, Tiefe und Rotation.

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Marinelli steht seit Jahren dafür, seinen Pass-Rush in Wellen zu betreiben und möglichst viel und konstant zu wechseln, damit in der D-Line immer frische Beine auf dem Platz stehen. Ein Konzept, das er zwangsläufig jetzt auch in Dallas anwenden muss - allerdings ohne den einen dominanten Star, der die Aufmerksamkeit des Gegners fordert, wie er ihn früher in Julius Peppers oder Warren Sapp hatte. "Wir müssen es eben als Gemeinschaftsproduktion schaffen", gab jüngst auch Vizepräsident Stephen Jones auf der Team-Homepage zu, "und einen Weg finden, Druck zu erzeugen. Ich denke, das können wir schaffen."

Es ist nicht alles schlecht!

Doch wird all das keine Rolle spielen, wenn Romo nach mehrfachen Schlüsselbeinbrüchen nicht fit bleibt, wenn Dez Bryant nach seiner verletzungsgeplagten 2015er Saison nicht wieder auf 100 Prozent kommt und wenn Elliott den hohen Erwartungen nicht gerecht wird. Die Offense muss dieses Team tragen - wieder einmal.

Aber trotzdem gilt: Nicht alles ist schlecht in Big D. In der Secondary kehrt mit Orlando Scandrick Dallas' bester Cornerback und ein absoluter Leader zurück, nachdem er die vergangene Spielzeit komplett verpasst hatte. Tyrone Crawford, Hoffnungsträger in der Defensive Line, plagte 2015 fast durchgehend eine hartnäckige Schulterverletzung und Multi-Talent Byron Jones darf sich auf seine Rolle als Safety fokussieren. Darüber hinaus gilt es nicht zu vergessen, dass Dallas 2015 pro Spiel nur 1,4 Punkte mehr zuließ als 2014.

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Und ein potentielles Vorbild gibt es gar auch: Die 2006er Indianapolis Colts waren das erste Team - Streik-Spielzeiten ausgeklammert - das den Super Bowl gewonnen hat und dabei unter 30 Sacks geblieben ist. Auch Indy setzte auf die Offense, hinter einer guten O-Line hielt Peyton Manning die Fäden in der Hand, unterstützt von einem dominanten Receiver (Marvin Harrison) und einem guten Rookie-Running-Back (Joseph Addai).

Getrübt wird dieser Vergleich zwar dadurch, dass Indianapolis mit Dwight Freeney und Robert Mathis zwei Elite-Pass-Rusher hatte. Beide aber wurden von Gegnern gut ausgeschaltet und blieben in jener Saison je unter zehn Sacks.

"Das eigene Handwerk perfektionieren"

Hoffnung macht außerdem auch Romo. Für viele ein wandelndes Verletzungsrisiko, konnte der 36-Jährige seit Jahren nicht mehr so früh in eine Saisonvorbereitung einsteigen wie 2016. Die Trainingsaktivitäten begannen zwei Monate nach seiner OP am Schlüsselbein, auch im Minicamp war er dabei.

Während er früher oftmals erst im Training Camp Ende Juli voll einsteigen konnte, schwärmte er jetzt auf der Cowboys-Website von seiner guten Basis und Ausgangslage in diesem Jahr: "Ich habe das Gefühl, dass die Grundlage in dieser Off-Season jeden Tag da ist. Jetzt kann ich Dinge mit der Beinarbeit ausprobieren und an der Technik arbeiten: Das eigene Handwerk perfektionieren."

Über den Sommer arbeitet Romo vor dem Training Camp zudem schon mit Dez Bryant zusammen, was auch die gesundheitliche Prognose für den Receiver positiver erscheinen lässt.

So gibt es für Cowboys-Fans trotz zweifellos vorhandener Probleme Grund zu Optimismus - auch wenn eine mitunter kuriose Off-Season hinter Dallas liegt. Das Experiment, über die Wurzeln der vergangenen Erfolge die eigene Zukunft zu gestalten, ist jedenfalls in vollem Gange.

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