Dallas Clark ist ein Entertainer. Das wird sofort klar, als er auf der Fanmeile der NFL im Herzen Londons auf die Bühne kommt - eine gute Wahl der NFL. Die Liga hat Spieler und Vereinslegenden der Jaguars und Colts nach England gebracht, um den Sport zu promoten und Einblicke zu geben in etwas, das dem einen oder anderen Zuschauer doch noch ein bisschen fremd ist.
Clark repräsentiert natürlich die Colts: Kein anderer Tight End hat in der Geschichte der Franchise mit dem Horseshoe so viele Pässe gefangen (427) und Touchdowns erzielt (46) wie die Nummer 44. Er macht sofort klar, wem er das zu verdanken hat: Peyton Manning, mit dem er Super Bowl XLI gegen die Chicago Bears gewonnen hat. Was es mit dessen vielen Gesten und Ansagen an der Line of Scrimmage auf sich habe, will der Moderator wissen. Das sei fast alles nur Show gewesen, meint Clark verschmitzt. Und überhaupt: Offensivspieler seien generell cleverer als Verteidiger.
Eine knappe Viertelstunde geht das so weiter. Nach seinem Auftritt macht er noch ein paar Fotos mit Fans und schreibt Autogramme, bevor er sich Zeit für das spontane Interview nimmt. Viel Zeit bleibt leider nicht mehr: "Wir müssen herausfinden, wie wir noch nach Hause kommen. Ich glaube, mein Fahrer ist schon weg ..."
Vorschau Week 6: "Wie in einem brennenden Haus"
SPOX: Dallas Clark, Hand aufs Herz: Hätten Sie gerne einmal hier in London gespielt, mit der anstrengenden Reise und dem ganzen Drumherum?
Dallas Clark: Absolut. Auf jeden Fall. Wir haben einmal in Tokio gespielt, das war also ein ähnlicher Trip, wenn auch noch ein bisschen weiter entfernt. Es ist großartig, in ein anderes Land zu kommen und vor leidenschaftlichen Fans zu spielen, die nicht unbedingt ein Heimteam haben, das sie anfeuern. Und trotzdem sind sie voll dabei, kennen den Sport und sind voll bei der Sache - vor solchen Fans will man doch spielen! Man will den Sport weitertragen und ihn noch populärer machen. Es ist eine Ehre für die Colts und die Jaguars, hier zu sein. Ich weiß, dass sie das Bestmögliche daraus machen.
SPOX: Sie waren neun Jahre bei den Colts, haben acht davon mit Peyton Manning zusammen gespielt. Können Sie uns eine Sache über ihn erzählen, die man sonst nicht hört? Etwas, das die Leute nicht wissen?
Clark: (überlegt) Es hat eigentlich nie viel über ihn gegeben, das nicht sehr gut dokumentiert worden ist. Er war das Gesicht der Liga, er war einer der fünf besten Spieler und auf der ganzen Welt bekannt. Es fällt mir schwer, da noch etwas auszugraben.
SPOX: Und wenn Sie einen Aspekt herausheben müssten?
Clark: Seine Leidenschaft und sein Ehrgeiz für den Sport sind Dinge, worüber man gar nicht genug reden kann. Er ist definitiv einer der Spieler, die den Sport auf einen ganz neuen Level gehoben haben.
SPOX: Sie beide haben die Colts im Frühjahr mehr oder weniger zur gleichen Zeit verlassen. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass, hätte er nicht diese Operationen am Nacken gehabt, Sie beide noch dort spielen würden? Sie sind ja auch erst 37 und noch ziemlich fit.
Clark: Naja, so ist das eben: Es ist ein harter Sport. Man versucht, das Beste daraus zu machen und alles mitzunehmen. Am Ende will man stolz auf das Erreichte sein und nichts bereuen. Ich glaube nicht, dass er etwas bereut, und ich ebenfalls nicht. Wie groß auch immer das eigene Fenster ist, man macht das Beste draus.
SPOX: Haben Sie jemals mit Fans darüber gestritten, ob er der beste Quarterback oder gar der beste Spieler aller Zeiten ist?
Clark: Nein, ich habe immer versucht, Diskussionen mit Fans zu vermeiden. Aber für mich ist er es, ganz klar. Natürlich bin ich nicht unvoreingenommen. Aber ich glaube nicht, dass es jemals einen Spieler geben wird, der so gut ist wie er. Jemanden, der einen solchen Einfluss auf den Sport haben wird, wie er ihn hatte. Er hat die Position des Quarterbacks auf ein Level gehoben, dass in meinen Augen unerreichbar bleiben wird.
SPOX: Wie sieht es mit Diskussionen unter den Spielern aus? Veteranen im Locker Room, die sagen: "Ich habe mit Spieler X und Spieler Y gespielt, und X ist deutlich besser." Kommt das vor?
Clark: (lacht) Nicht sehr oft, aber manchmal schon ... in der Umkleidekabine wird über alles Mögliche gesprochen. Das ist das Schöne daran, dort zu sein: Man weiß vorher nie, worüber als Nächstes diskutiert wird - es ist eine gesetzesfreie Zone. Natürlich gibt es da auch Diskussionen über Spieler. Man hat unterschiedliche Perspektiven, weil man unterschiedliche Erfahrungen gemacht hat, wie es war, gegen gewisse Spieler zu spielen. Da sagt einer: "Hey, ich habe gegen ihn gespielt und er war der härteste Gegner, den ich je hatte." Aber ein anderer Spieler hat vielleicht eine ganz andere Meinung. Das macht den Sport so großartig, weil man immer für die eigene Meinung eintreten kann.
Das SPOX-Panel vor Week 6: "Nie gedacht, dass sich Prescott so gut macht"
SPOX: Gibt es derzeit einen Tight End in der Liga, bei dem Sie sagen würden: Er ist quasi die Evolution Ihrer Spielweise?
Clark: Hm ... nicht unbedingt eine Evolution, aber: Gronkowski von den Patriots. Er ist einfach eine Naturgewalt. Seine Größe, seine Kraft. Er hat eine unheimliche Präsenz, er strahlt durch seine athletischen Fähigkeiten die pure Dominanz aus. Er kann einfach jeden Verteidiger, der ihm gegenübersteht, überwinden. Er verursacht jede Menge Probleme und ist für die Offense eine große Hilfe.
SPOX: Ich habe auf der Bühne gehört, dass Sie gesagt haben, Defensivspieler seien nicht so klug sind wie Offensivspieler. Ich weiß aber auch, dass Sie ursprünglich als Defensivspieler angefangen haben: Auf dem College waren Sie zuerst Linebacker.
Clark: (lacht) Ich bin klüger geworden.
SPOX: Dabei bleiben Sie?
Clark: Ja. Ich habe dazugelernt. Wir alle machen Fehler. Es geht darum, diese Fehler zu überwinden. Ich habe meinen Fehler eingesehen und überwunden. Aber ich sehe, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. (lacht)
SPOX: Tja, man versucht sein Bestes. Letzte Frage: Wer holt dieses Jahr den Titel?
Clark: Hm, die Patriots müssen derzeit der große Favorit sein, sie stehen bei 3-0 (mittlerweile bei 4-1, Anm. d. Red), und das ohne Brady. Das ist schon eine deutliche Ansage. Sie haben ihr System und die ganze Organisation wird einfach so gut geführt und so gut gecoacht. Wenn Brady erst einmal zurückkehrt, werden sie schwer zu schlagen sein. Bisher läuft es bei ihnen sehr gut.