"Spieler beschweren sich direkt bei uns"

Von Adrian Franke
24. August 201709:03
Auch NFL-Stars legen Wert auf ihre Madden-Ratingsgetty
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Es ist endlich so weit: Das neue Madden NFL kommt raus! Am Freitag ist der offizielle Release-Termin und SPOX gibt Football-Fans im Vorfeld die volle Dröhnung! Neben eines Gewinnspiels, bei dem drei Madden-Spiele verlost werden, sowie eines ausführlichen Einsteiger-Guides gibt es heute ein exklusives Interview mit Madden-Producer Seann Graddy. Der spricht über die berüchtigten Ratings, Spieler-Beschwerden und gibt seine Tipps für Neulinge ab.

SPOX: Der Release des neuen Maddens NFL 18 steht unmittelbar bevor - vermutlich für Sie gerade eine stressige Zeit, oder?

Seann Graddy: Das ist immer eine spannende Zeit, auf jeden Fall. Wenn wir dann unsere finale Version abgeben haben, ist die Vorfreude auf den Release natürlich groß.

SPOX: In Deutschland hat Madden nicht immer den einfachsten Stand, Football wird zwar zunehmend populär, mit dem Einstieg in die Videospiel-Variante tun sich viele Football-Neulinge aber schwer. Haben Sie generelle Tipps für Neueinsteiger, die das Spiel ausprobieren wollen?

Graddy: Der vermutlich wichtigste Tipp, den ich geben kann - und das ist immer schwierig, weil die Leute am liebsten sofort voll einsteigen und einfach spielen und das Spiel währenddessen lernen wollen - ist dieser: Es gibt den "Skills Trainer"-Modus, in dem man die grundlegenden Mechanismen erlernt, die es braucht, um Madden zu spielen. Also die Basics: Welche Knöpfe was bewirken, aber auch, was die grundlegenden Football-Konzepte sind, die man kennen sollte, beispielsweise wie man die Coverage liest und darauf reagiert. Football ist ein komplexes Spiel, keine Frage, aber mit dem Skills Trainer kann man sich konstant hocharbeiten und verbessern.

SPOX: Und wenn man die Grundzüge drin hat, wie sollte für Einsteiger danach der nächste Schritt aussehen?

Graddy: Wenn man diese ersten Basics gelernt hat, würde ich dazu raten, noch etwas Zeit in den normalen Trainings-Modus zu investieren. Da kann man einzelne Plays bis ins Detail studieren, indem man sie immer wieder spielt, oder aber sie auch gegen verschiedene Defense-Formationen ausprobieren. Und umgekehrt kann man natürlich auch Defensiv-Konzepte gegen Offensiv-Plays testen. So lernt man, was jeder Spieler auf dem Platz bei bestimmten Plays macht.

SPOX: Schauen wir auf Madden 18: Gibt es bestimmte Teams, die vielleicht besonders einsteigerfreundlich sind? Und wenn ja: Warum?

Graddy: Das ist jetzt vielleicht keine Überraschung, aber meine erste Empfehlung wären da die New England Patriots. Tom Brady ist ein sehr akkurater Quarterback, mit Gronkowski haben die Patriots einen der besten Tight Ends im Spiel und sie haben tolle Receiver. Ansonsten fallen mir noch die Seattle Seahawks ein: Russell Wilson ist im Passspiel ebenfalls sehr akkurat, darüber hinaus kommt seine Athletik auch im Spiel durch - man kann also mit ihm auch gelegentlich laufen.

SPOX: Mein erster Instinkt früher war es häufig, mir die besten Offensive Lines zu suchen und dann eines dieser Teams zu spielen...

Graddy: ...das macht es generell leichter die Offense zu spielen, ein guter Tipp!

SPOX: Danke! Das knüpft auch gleich an meine nächste Frage an: Macht es für Madden-Rookies mehr Sinn, sich direkt in Coverages und das Passspiel rein zu arbeiten, oder sollte man sich vielleicht zuerst auf das Run Game konzentrieren?

Graddy: Das Run Game ist zunächst sicher einfacher - hier konzentriert man sich eher schon auf individuelle Moves, die man mit dem Running Back machen kann. Aber das "richtige" Running Game ist dann natürlich auch komplexer, denn man muss wissen, in welche Lücke der Running Back laufen soll, wie das Blocking-Scheme aussieht und all diese Dinge. Trotzdem ist es vermutlich einfacher, sich offensiv über das Run Game heranzutasten und das gilt ganz besonders für Madden 18: Wir haben Wert darauf gelegt, das Run Game spaßiger und intuitiver zu machen. Aber auf der anderen Seite muss man natürlich auch festhalten: Die Leute lieben es, den Ball zu werfen. Das gilt ja auch für die NFL, die eine "Passing League" ist, wie man so schön sagt. Ich würde also mit dem Run Game starten, um ein Gefühl dafür und auch für die Offensive Line zu entwickeln - aber in aller Regel zieht es die Leute dann doch zum Passspiel.

SPOX: Wie kann man sich die Madden-Veränderungen beim Run Game denn vorstellen? Also was ist anders als in den vergangenen Jahren?

Graddy: Wir haben an den Blocking-Schemes gearbeitet, also etwa bei Pitch-Runs nach außen oder bei Pulling-Linemen - sprich Run-Plays, bei denen sich Linemen mehrere Yards zur Seite bewegen, ehe sie einen Gegner blocken. Hierbei werden die Linemen jetzt intelligenter blocken, so sollen sich mehr Lücken für den Running Back öffnen. Vielleicht generell noch zum Spielerlebnis: Wir haben in diesem Jahr drei Spiel-Stile eingebaut, aus denen der Spieler wählen kann: Kompetitiv, Simulation und Arcade. Im Arcade-Modus ist das Spiel generell viel "offener", es gibt mehr Big-Play-Catches und mehr durchbrochene Tackles. Mehr einfach zugängliche Offense also, wenn man so will - in gewisser Weise ein "Fun"-Modus. Die anderen beiden Modi sind realistischer und machen vermutlich mehr Spaß, wenn man generell ein besseres Verständnis für das Spiel entwickelt hat.

SPOX: Ein anderer Punkt, der jedes Jahr für großes Aufsehen sorgt, sind die Player Ratings, die Spielerbewertungen. Wie genau kann man sich diesen Prozess vorstellen? Wie entstehen die Ratings? Wo fängt man da überhaupt an, wenn man einen Spieler bewerten will?

Graddy: Wir haben eine ganze Menge an Daten, die wir bei den Player Ratings nutzen, um auf verschiedene Statistiken zuzugreifen. Tatsächlich aber handelt es sich nur um ein kleines Team hier bei uns, das sich darum kümmert. Dabei gibt es vereinfacht gesagt zwei Rating-Kategorien: Die Kern-Ratings, die jeder kennt, und dann die Ratings für Madden Ultimate Team, die sich natürlich konstant verändern können. Grundsätzlich basieren die Kern-Ratings auf verschiedenen Statistiken, welche unser Team analysiert, um die einzelnen Bewertungen - also beispielsweise wie schnell ein Receiver ist oder wie viel Power er hat - herausfiltern zu können.

SPOX: Bei welchen Datenbanken bedienen Sie sich da?

Graddy: Wir arbeiten unter anderem mit Pro Football Focus, wo ja grundsätzlich alles bewertet wird, was ein Spieler macht. Wenn ein Rookie neu in die Liga kommt, schauen wir beispielsweise auch auf seine Combine, und natürlich passen wir die Ratings dann an, wenn er in der NFL einige Spiele hinter sich hat.

SPOX: Diese wöchentlichen Anpassungen müssen ja immer relativ schnell nach den Spielen fertig sein - was spielt da eine Rolle? Wird da nur auf außergewöhnliche Dinge geachtet? Oder was passiert, wenn ein Spieler schlicht eine durchschnittliche Partie abgeliefert hat?

Graddy: Genau, also tatsächlich ist es so, dass nicht jeder Spieler in jeder Woche eine Rating-Veränderung bekommt - es ist eher eine vergleichsweise kleine Anzahl, bei der tatsächlich etwas geändert wird. Ein typisches Beispiel ist ein Wide Receiver, der ein tolles Spiel mit über 150 Receiving-Yards oder vergleichbare Werte hat, dann wird etwa am Catch-in-Traffic-Rating oder am Catch-Rating generell geschraubt. Oder wenn ein Running Back einen Verteidiger komplett über den Haufen rennt, dann schauen wir auf sein Truck-Rating. Und dann gibt es natürlich die besonderen Highlights, wie etwa der einhändige Mega-Catch von Odell Beckham Jr. gegen die Dallas Cowboys vor einigen Jahren. Anschließend wurde sein Catch-Rating auf 99 hochgezogen. Wir schauen aber auch schlicht auf die Stats nach einem Spiel, und reagieren so auf besondere Leistungen. Manchmal haben natürlich auch Stars schlechte Spiele, dann geht das Rating dementsprechend nach unten.

SPOX: Häufiger hört oder liest man in diesem Zusammenhang die Beschwerden mancher Spieler via Social Media, wenn sie mit ihren Madden-Ratings nicht zufrieden sind. Wie häufig erreichen Sie solche Einwände tatsächlich?

Graddy: Das passiert häufiger, als man denken würde! (lacht) All die jungen Spieler, die über die letzten Jahre in die Liga gekommen sind, kennen eine Welt ohne Madden gar nicht und viele spielen auch selbst - insofern sind ihnen die eigenen Ratings natürlich auch wichtig. Grundsätzlich beschweren sich viele Spieler über ihre Bewertungen, womit aber fast alle unzufrieden sind ist ihr Speed-Rating. Jeder denkt, dass er ein 99er-Speed-Rating verdient - selbst 320 Pfund schwere Offensive Linemen sagen, dass sie doch zumindest eine 95 haben könnten. (lacht) Also ja: Es kam schon einige Male vor, dass sich Profis direkt bei uns beschwert haben.

SPOX: Und wie gehen Sie dann damit um? Ignorieren Sie das einfach, oder schaut man sich die Bewertungen deshalb tatsächlich nochmal an?

Graddy: (lacht) Ich kann ganz ehrlich sagen: Wir haben noch nie ein Rating verändert, weil ein Spieler bei uns angefragt hat. Wir verlassen uns da auf unsere Daten und stehen dann auch dazu.

SPOX: Wer hat denn das finale Wort? Gibt es da ein Komitee oder etwas Vergleichbares, oder wie wird über die Ratings und die Updates final entschieden?

Graddy: Es gibt in der Tat eine Einzelperson innerhalb unseres Teams, die dafür verantwortlich ist, insbesondere für die wöchentlichen Updates. Aber mehrere unserer Mitarbeiter schauen sich die Ratings an, wir haben natürlich auch Leute, die für einzelne Teams Experten sind. Ich selbst beispielsweise bin ein riesiger Bucs-Fan und verfolge das Team sehr genau, wenn mir da also im Spiel etwas auffällt, dann kann ich eine Empfehlung abgeben. Aber ultimativ betreut eine Einzelperson die wöchentlichen Veränderungen. Er ist derjenige, der sich Woche für Woche richtig tief in die Materie rein gräbt und die Daten studiert.

SPOX: Gibt es einzelne Aspekte bei den Spielerbewertungen, auf die Madden-Neulinge besonderes Augenmerk richten sollten?

Graddy: Vielleicht nicht ein Rating ganz speziell, ich glaube, es ist wichtiger, dass sich Neueinsteiger bewusst machen, welche Ratings auf welcher Position wichtig sind, auch wenn das schon etwas fortgeschrittener ist. Also zum Beispiel: Ein Spieler will seine Offense um ein starkes Run Game aufbauen. Es gibt grundsätzlich zwei verschiedene Running-Back-Typen: Der agile Back, oder aber der große, 225-Pfund-Bulldozer. Wenn man jetzt eher auf den ersten Typ bauen will, sollte man auf Beweglichkeit, Explosivität, Spin Move und dergleichen achten. Beim zweiten Typ schaut man eher auf den Stiff-Arm, die Power und das Truck-Rating. Beim Quarterback wiederum achte ich auf Wurfkraft, aber dann gibt es eben auch Unterschiede bei der Passgenauigkeit - also ob ein Quarterback vergleichsweise eher bei kurzen Pässen oder eher bei langen Pässen glänzt. So gibt es eben verschiedene Aspekte bei jedem Spieler. Eine Zahl, auf die man eigentlich generell immer achten sollte, ist aber tatsächlich das Speed-Rating.

SPOX: Das Passspiel wird derweil bei Madden 18 potentiell komplexer: Es gibt das sogenannte "Target Passing System". Was hat es damit genau auf sich?

Graddy: Bislang war es ja so, dass man einen Receiver anvisieren konnte und dem dann entweder hoch oder tief zugepasst hat. Das neue System erlaubt es dem Spieler, den Ball stattdessen an einen bestimmten Spot auf dem Feld zu werfen. Das funktioniert so: Wenn der Snap erfolgt ist, kann man das Targeting-System, welches standardmäßig dem Nummer-1-Receiver bei diesem Play folgt, mit dem linken Stick bewegen. Man kann auch auf den Stick drücken, damit das Targeting-System einem anderen Receiver folgt. So kann man dann auswählen, wo der Ball hinfliegt und ist komplett frei - man kann eben auf jeden Fleck auf dem Platz werfen.

SPOX: Klingt erst einmal komplex.

Graddy: Dazu muss ich sagen, dass es definitiv etwas ist, mit dem man herumprobieren muss, um es kennen zu lernen. Niemand wird das neue Target Passing System einfach anwerfen und direkt damit perfekt umgehen können. Man muss lernen, für welche Routes und Receiver sowie wo auf dem Feld es funktioniert - immerhin bewegt man den Quarterback auch nicht, während man das Target System steuert. Aber ich denke, dass wenn Spieler sich daran gewöhnen, es einen deutlichen Vorteil bedeutet.

SPOX: Also kann man grundsätzlich auswählen, ob man damit spielt oder nicht?

Graddy: Ganz genau. Man kann es auch komplett ignorieren und es gar nicht benutzen.

SPOX: Eine andere Neuerung ist der Story-Modus, den hier sicher viele in ähnlicher Form schon von FIFA kennen. Mein erster Gedanke dazu war: Wie viele Spiele spielt man im Rahmen der Geschichte selbst? Können Sie da eine grobe Zahl nennen?

Graddy: Ich will es mal so sagen: Wir haben einen etwas anderen Ansatz genommen, als bei der FIFA-Variante oder bei anderen Sport-Spielen. Es gibt im Rahmen der Story mehrere Partien, man spielt die Reise des Charakters in die NFL, also bis zum NFL Draft. Sprich es gibt Spiele in der High School, wo man der Superstar ist, ehe es dann im College weitergeht. Besonders ist aber, dass man verschiedene Spiel-Stile erlebt: Wir haben einige Pass-Mechanic-Games, Spiele, in denen man das Play-Calling lernt, und so weiter. Dazu natürlich auch Dialoge, man navigiert sich durch die ganze Story. Und es gibt mehrere bekannte Charaktere: Dan Marino beispielsweise ist dabei, er fungiert innerhalb der Geschichte als der Quarterback-Mentor des Charakters. Chad Ochocinco hat auch einen Auftritt und mehrere weitere NFL-Spieler kommen ebenfalls vor.

SPOX: Zum Abschluss: Welches ist Ihr Madden-Lieblingsteam und Madden-Lieblingsquarterback?

Graddy: Naja, ich bin hier in Orlando, etwa 45 Minuten nördlich von Tampa Bay und wie gesagt ein riesiger Bucs-Fan. (lacht) Ich mag Jameis Winston sehr, ich war selbst hier auch an der Florida State University, wo er ebenfalls gespielt hat. Er kam also von meinem College und spielt jetzt für mein Lieblingsteam - insofern war die Sache da klar. Ich hoffe, dass es dieses Jahr für die Playoffs reicht.

SPOX: Die Offense sollte ja jedenfalls deutlich verbessert sein...

Graddy: ...oh ja, die Bucs werden auch ein gutes Madden-Team sein!