Bortles' Abgang? Alternativlos und eine Lektion

Von Adrian Franke
22. August 201708:31
Die Zeit von Blake Bortles bei den Jacksonville Jaguars geht ihrem Ende entgegengetty
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SPOX startet ein neues Format: In der neuen Saison wird NFL-Redakteur Adrian Franke wöchentlich die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche in der NFL beleuchten - und das aus persönlicher Sichtweise. Nachdem es in der Vorwoche mit richtigem Protest und falschen Hot Takes los ging, stehen dieses Mal Blake Bortles, Baltimores Ryan-Mallett-Dilemma und Chicagos Quarterback-Frage im Mittelpunkt.

1. Die Bortles-Demontage ist alternativlos. Und eine Lektion.

Die Ansage von Jags-Coach Doug Marrone nach dem Spiel gegen Tampa Bay hat mich im ersten Moment stutzig gemacht: "Ich habe mich mit beiden Quarterbacks nach dem Spiel getroffen und ihnen gesagt, wonach ich suche. Ich suche jemanden, der diese Offense anführen kann. Ich bin nicht zufrieden mit den Leistungen heute, da werde ich nicht drum herum reden. Ich meine, jeder hat es ja gesehen. Nennt es, wie ihr wollt. Ich versuche noch herauszufinden, wer die beste Wahl für diese Position ist. Das habe ich beiden gesagt."

Marrones deutliche Aussage schreit geradezu den Frust in Jacksonville heraus. Alle haben sie gehofft, dass Blake Bortles seine Horror-Saison 2016 hinter sich lassen könnte. Allein, es muss die Frage erlaubt sein: Was genau gab Anlass zu dieser Hoffnung? Denn die Leistungen in der vergangenen Saison waren keine Aneinanderreihung unglücklicher Umstände oder ein unerklärliches Loch, in das Bortles gefallen ist.

Selbst in seinen statistisch besseren Spielzeiten nämlich waren die technischen Probleme offensichtlich. Eine riesige Ausholbewegung beim Wurf, enorme Probleme mit Pressure, furchtbare Fußarbeit und beim Wurf selbst auch in der Wurf-Mechanik offensichtliche Defizite. Das war im College so, das war in Bortles' ersten Spielzeiten in der NFL so.

Ein dementsprechender Schocker war es auch, als die Jags Bortles mit dem dritten Pick im Draft wählten - vor Teddy Bridgewater, Derek Carr, Jimmy Garoppolo. Seine Statur und sein starker Arm sorgten für Hirngespinste bei Quarterback-Coaches und Offensive Coordinators in der NFL und stachen Dinge wie Spielverständnis, Technik und dergleichen aus. Und hier ist die Lektion: Quarterbacks im Draft zu bewerten sollte mit mehr nüchterner Beobachtung und Tape-Fokussierung erfolgen. Nicht durch einen Medien-Hype zwischen Februar und April.

Bortles (8/13, 65 YDS) leistete sich gegen Tampa zwar keinen schwerwiegenden Fehler, trotzdem aber legte er in nur kurzer Spielzeit mehrere desolate Würfe an den Tag, bei denen er Receiver deutlichst verfehlte. Der Frust in Jacksonville ist deutlich, das zeigte auch ein Trainings-Clip aus der vergangenen Woche, welcher via Social Media die Runde machte. Marrone hatte schon in den Einheiten vor dem zweiten Preseason-Spiel Chad Henne Snaps mit den Startern gegeben.

Jacksonvilles Team ist zumindest defensiv zu talentiert, um eine Saison im Quarterback-Nirvana zu verbringen. Spieler wie Calais Campbell wurden geholt, um sofort Erfolg zu haben und mit A.J. Bouye und Jalen Ramsey könnten die Jags das beste Cornerback-Duo der Liga auf den Platz bringen. Bortles hat gezeigt, dass die Vorsaison kein Ausrutscher war, sondern dass er der Quarterback ist, den man auf dem Feld sieht und für eine plötzliche 180-Grad-Drehung gibt es keinerlei Andeutungen.

Henne wirkt jedenfalls sicherer, Alternativen gibt es in der Free Agency oder via Trade. Klar ist: Die Demontage von Bortles ist für Jacksonville inzwischen alternativlos und dass Marrone hier so kurz vor dem Saisonstart den offenen Wettkampf ausgerufen hat, ist für mich ein klares Zeichen dafür, dass Bortles dieses interne Duell verlieren wird. Wenn er es nicht schon verloren hat.

Achso: Ist Bortles zum Saisonstart tatsächlich nicht mehr der Starter, rechne ich fest mit der RG3-Behandlung: Bortles wird für Spiele gar nicht erst aktiviert, denn die vom Team bereits gezogene Vertragsoption für 2018 garantiert Bortles 19,053 Millionen Dollar - jedoch nur im Verletzungsfall.

2. Baltimores Dilemma mit Colin Kaepernick und Ryan Mallett

Ich hatte eine Weile lang überlegt, ob ich den Punkt so rein bringen soll, die Zitate von John Harbaugh nach Baltimores Sieg über Miami am Donnerstag aber sind dann irgendwie doch hängen geblieben. Nachdem Harbaugh auf kritische Fragen nach Mallett seinem Backup-Quarterback vor einer Woche noch "Winning Football" attestiert hatte, ging er jetzt dazu über, zu sagen: "Ich denke, er hat guten, soliden Football gespielt." Und überhaupt, Mallett habe unter den Ausfällen einiger Offensive Linemen gelitten.

Verzeiht mir die Deutlichkeit, aber: So ein Quatsch.

Wer sich Mallett anschaut, dem fallen nämlich vielmehr folgende Attribute auf: Extrem ungenaue Pässe aus der Pocket und überhastete Entscheidungen gegen Pressure, erzwungene Würfe in Coverage, viel zu viele Pässe mit Turnover-Potential. Ryan Mallett ist kein Quarterback, den man in einer Game-Manager-Rolle will. Umso weniger in einer Offense wie Baltimores, die nicht gerade mit einem Playmaker-Überfluss daher kommt.

Was also tun? Auf dem Quarterback-Markt gibt es nach wie vor einige Optionen, darunter auch kostengünstige. Und unweigerlich muss hier auch der Name Colin Kaepernick wieder fallen. Die Ravens sind vor einigen Wochen komplett offen mit Kaepernick umgegangen: Coach John Harbaugh bestätigte, dass er den Sommer über Kontakt zu Kaepernick hatte und Ravens-Besitzer Steve Bisciotti adressierte als erster Team-Besitzer den Hymnen-Protest ganz offen.

"Ich weiß, dass wir damit einige Leute verärgern. Und ich weiß, dass wir andere Leute glücklich machen, wenn wir uns dafür einsetzen", betonte Bisciotti. "Er hat von seinem Recht Gebrauch gemacht, gewaltloser Protest ist etwas, das wir alle begrüßen. Persönlich mochte ich die Art und Weise, wie er es gemacht hat, nicht. Aber es hat mir gefallen, als er vom Sitzen (auf der Bank) zum Knien übergegangen ist." Außerdem gab er unverblümt zu, dass sich das Team extern umgehört und mögliche Folgen einer Verpflichtung ausgelotet habe.

Seither ist es auffällig ruhig geworden, und das Lob für Mallett, das so gar nicht zu seinen Leistungen passt, hat mich genau deshalb stutzig gemacht. Die Verpflichtung von Thad Lewis am vergangenen Montag - die, sollte Kaep nicht tatsächlich eine ganze Menge an Gehalt verlangen, unerklärlich ist - dürfte das Kapitel Baltimore/Kaepernick endgültig schließen. Auch wenn Harbaugh offensichtlich von Kaepernick angetan war und mit Greg Roman Kaepernicks alter Offensive Coordinator aus den erfolgreichen 49ers-Tagen inzwischen bei den Ravens arbeitet. Das unangebrachte Lob für Mallett wirkt auf mich wie der Versuch, alle Quarterback-Debatten endgültig zu ersticken.

So bleibt Kaepernick weiterhin ohne Job. Umso wichtiger ist es, und da schließe ich an meine Aussagen aus der vergangenen Woche an, dass der von Kaepernick angestoßene Protest ein Thema bleibt. Und das kann langfristig nur funktionieren, wenn es kein exklusiv Afro-Amerikanisches Thema bleibt. Genau diese Entwicklung haben wir in der vergangenen Woche erlebt.

Da war etwa Justin Britt, der seinem protestierenden Seahawks-Mitspieler Michael Bennett symbolisch während der Hymne die Hand auf die Schulter legte. Raiders-Quarterback Derek Carr legte seine Hand auf die Schulter von Khalil Mack und Eagles-D-Liner Chris Long wählte einen ähnlichen Weg, um Mitspieler Malcolm Jenkins zu unterstützen. Seine Erklärung: "Ich habe Malcolm einfach gesagt, dass ich für ihn da bin. Ich denke, es ist ein guter Zeitpunkt, dass Leute, die wie ich aussehen, für diejenigen da sind, die für Gleichheit kämpfen." New Yorker Polizisten unterschiedlichster Herkunft stellten sich öffentlich hinter Kaepernicks Protest. Nur so wird der Protest langfristig die Leute erreichen, die er erreichen muss.

3. Die Quarterback-Frage in Chicago könnte schnell kippen

Hätte man mich vor drei Wochen gefragt, so wäre meine Antwort eindeutig gewesen: Die Bears gehen mit Mike Glennon in die Saison, Mitch Trubisky sehen wir frühestens in der Endphase der kommenden Spielzeit und dann zum Start der 2018er Saison. Inzwischen allerdings bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Das hat mehrere Gründe. Die Unterschiede auf dem Platz sind mehr als offensichtlich, Trubisky wirkt deutlich sicherer in der Offense, tritt selbstbewusster auf und zeigt sowohl seine Athletik als auch gutes Verhalten in der Pocket. Das kommt aber nicht von Ungefähr, vielmehr ist die Offense, wie sie Chicago bislang in der Preseason zeigt, klar auf Trubiskys Stärken ausgerichtet: Rollouts, Bewegen der Pocket, Quarterback tritt geplant aus der Pocket.

All das liegt Trubisky - und Glennon eben nicht. Für mich ein klarer Fingerzeig darauf, dass die Schlüssel für die Offense auch eher früher als später in Trubiskys Hände gelegt werden sollen.

Last but not least: Für die Langlebigkeit eines Coaches ist es immer von Vorteil, wenn er zeigen kann, dass der junge Franchise-Quarterback unter ihm Fortschritte macht. Und John Fox' Stuhl ist jetzt nicht gerade der stabilste in der NFL, jetzt ist es an der Zeit, dem Rookie ein paar Preseason-Snaps gegen Starter zu sehen.

Prognose: Wir sehen Trubisky spätestens ab Mitte Oktober auch in der Regular Season auf dem Platz. Spätestens.

4. Weitere Notizen zur NFL-Woche

  • Nachdem in seine Äußerung über Tyrod Taylor nach dem Preseason-Spiel gegen Philly eine Quarterback-Debatte rein interpretiert wurde (wenig überraschend), sorgte Bills-Coach Sean McDermott inzwischen ja für Klarheit - er plane keinen Quarterback-Tausch und habe "vollstes Vertrauen" in Taylor. Mein Problem damit: In welche Richtung soll die Bills-Offense gehen, damit Taylor mit ihr realistisch Erfolg haben kann? Mit Woods, Goodwin und dann natürlich auch Watkins hat Buffalo seinen Kader in puncto Deep-Threats deutlich dezimiert - der lange Pass ist jedoch Taylors beste Qualität im Passing Game. Matthews lässt auf mehr Slants, Underneath-Pässe und ein stark Timing-basiertes Passspiel schließen, in die gleiche Kategorie fiel auch Anquan Boldin - der ist inzwischen ja aber zurückgetreten. In einer solchen Offense würde es das Team dem eigenen Quarterback schon sehr schwer machen, Erfolg zu haben - es sei denn, wir erleben eine heftige Dosis Read Option. Und wenn man ganz ehrlich ist, wäre diese Art der Offense tatsächlich eher für Rookie Nathan Peterman geeignet. Ich hoffe, dass ich hier falsch liege, aber für mich wächst der Eindruck immer stärker: Die Bills sägen Taylor langsam aber sicher ab.
  • Die Verletzung von Tackle George Fant, für den die Saison gelaufen ist, wird Seattle sehr heftig treffen. Die Seahawks durften zumindest auf eine durchschnittliche Offensive Line hoffen, ohne den Left Tackle muss jetzt entweder Luke Joeckel ran - der womöglich einen soliden Guard abgegeben hätte, aber als Tackle bislang seine NFL-Tauglichkeit noch schuldig ist - oder aber Rees Odhiambo. Der sah gegen die Vikes gleich mal ziemlich schlecht aus. Eventuell tut sich auch der jüngst via Trade aus Philly verpflichtete Matt Tobin positiver hervor. Eddie Lacy mag Seattle dabei helfen, trotz alledem wieder ein produktiveres Run Game an den Tag zu legen: Mit seiner Fähigkeit, Yards nach Gegnerkontakt zu erzeugen, ist er durchaus eine Marshawn-Lynch-Light-Version (no pun intended!). Aber wenn Russell Wilson wieder das Spiel aus der Pocket machen soll, während die Pocket dauernd zusammenbricht, wird Seattle die gleichen Probleme wie auch in der vergangenen Saison bekommen. Die gute Nachricht: Wilson zeigte gegen Minnesota einmal mehr, wie gut er gegen Pressure ist.
  • Stichwort Verletzungen in der Offensive Line: Dass die Indianapolis Colts jetzt doch länger auf Ryan Kelly (Fuß-OP, sechs bis acht Wochen Pause) verzichten müssen, tut richtig weh. Die Line war im ersten Preseason-Spiel ohne Kelly schon ein echtes Problem, Kelly ließ in seiner Rookie-Saison in 626 Passing-Snaps nicht einen (!) Sack zu. Bekanntermaßen fehlt auch Andrew Luck nach wie vor und der Ausfall von Kelly dürfte Luck an die 128 zugelassenen QB-Hits der vergangenen Saison zurückdenken lassen. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, Indy droht ein düsterer Saisonstart.
  • Ezekiel Elliott ist gegen seine Sechs-Spiele-Sperre in Berufung gegangen, Harold Henderson wird der Anhörung am 29. August vorsitzen. Der könnte nicht nur manchen Cowboys-Fans noch ein Begriff sein, weil er bereits 2015 die Sperre von Greg Hardy von zehn auf vier Spiele reduziert hatte. Eine vergleichbare Reduktion ist dieses Mal mit dem neu installierten Strafenkatalog, der sechs Spiele für einen solchen Fall klar vorsieht, deutlich schwieriger. Elliotts Seite muss vereinfacht gesagt beweisen, dass das Ursprüngliche Urteil so daneben ist, dass es einer Grundlage entbehrt. Dass das gelingt darf nach der einjährigen, offensichtlich tiefgreifenden Untersuchung angezweifelt werden. Mein Tipp: Sollten wir tatsächlich eine Reduzierung sehen, reden wir maximal von einem Spiel. Erwarten würde ich sie nicht.
  • Zum Abschluss: Die Tatsache, dass die Atlanta Falcons in ihrem neuen Stadion ein Chick-fil-A haben werden, ist so dermaßen doof. Gemäß der Richtlinie von Samuel Cathy, Begründer der beliebten Fast-Food-Kette, haben seine Geschäfte an Sonntagen geschlossen. Ausnahmen werden auch nicht für die NFL gemacht, und so werden Falcons-Fans bei sieben der acht Regular-Season-Heimspiele an einem geschlossenen Chick-fil-A vorbei laufen. Einzige Ausnahme: Das Thursday Night Game gegen die Saints am 7. Dezember. Wohl bekomm's!