Eine Hoyer-Interception beim ersten Play, 80 (!) Punkte, ein erfolgreicher Onside Kick und ein dramatisches Ende - wer zwischen den Rams und den 49ers ein weiteres langweiliges Thursday Night Game erwartet hatte, sah sich komplett getäuscht.
Vielmehr entwickelte sich von Anfang an ein Schlagabtausch: Die Rams setzten konstant auf Todd Gurley (28 ATT, 113 YDS, 2 TD; 5 REC, 36 YDS, TD) und bauten sich so in der ersten Hälfte ein kleines Polster auf, während San Francisco zunächst noch einige Offense-Probleme an den Tag legte.
Das änderte sich allerdings in der zweiten Hälfte: Brian Hoyer (23/37, 332 YDS, 2 TD, INT) konnte jetzt auf den guten Auftritt von Jared Goff (22/28, 292 YDS, 3 TD) antworten und fand seine Receiver zunehmend auch mit langen Pässen. Dadurch kamen die 49ers kurz vor Schluss in Schlagdistanz - und holten sich zunächst mit einem erzwungenen Kickoff-Fumble sowie kurz darauf mit einem Onside Kick Minuten vor dem Ende den Ball zurück!
So hatten die Niners die Chance, das Spiel spät zu drehen, nach dem erfolgreichen Onside Kick aber bekam die Offense kein First Down zustande. Das allerdings durchaus kontrovers: Ein First-Down-Pass von Hoyer auf Taylor in die Hälfte der Rams wurde wegen vermeintlicher Offensive Pass Interference zurückgepfiffen, stattdessen beendete die Defense der Gäste das Spiel.
Verletzungssorgen gab es auf beiden Seiten. Während die Rams spät im Spiel Sammy Watkins und Tavon Austin mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung verloren, verletzten sich bei San Francisco unter anderem Jaquiski Tartt (Gehirnerschütterung), Kyle Juszczyk (Nacken) und Brock Coyle (Gehirnerschütterung).
Die wichtigsten Statistiken
San Francisco 49ers (0-3) - Los Angeles Rams (2-1) 39:41 (7:14, 6:10, 7:10, 19:7) BOXSCORE
- Keine Spur von defensiver Dominanz: Die kombinierten 80 Punkte bedeuten vielmehr einen neuen Rekord für Thursday Night Football! Die bisherige Bestmarke waren 73 Punkte zwischen den Chargers und den 49ers (38:35).
- Die Rams haben damit jetzt über die ersten drei Wochen schon zwei 40-Punkte-Spiele aufgelegt. Zuletzt gelangen den Rams 2006 innerhalb einer Saison zwei 40-Punkte-Spiele. Gleichzeitig hat Sean McVay als Rams-Coach jetzt schon so viele 40-Punkte-Spiele auf dem Konto wie Jeff Fisher von 2012 bis 2016. Dabei agierte L.A. extrem effizient: Die 41 Punkte kamen über sieben der acht Possessions zustande. Die 106 Punkte über drei Spiele bedeuten den zweiten Platz in der Rams-Historie hinter der Greatest Show on Turf 2000.
- Sechs Catches für Woods (108 YDS), sechs Catches für Watkins (106 YDS, 2 TD) - Goff wusste, seine beiden Top-Targets einzusetzen. Bei den Niners hatte Pierre Garcon (7 REC, 142) mit einigen spektakulären Catches einen Monster-Abend.
- Ein großes Problem für San Francisco waren die Strafen. Insgesamt zehn die Niners am Donnerstagabend.
Die Stimmen zum Spiel
Todd Gurley (Running Back Rams): "Mann, das ist unglaublich. Nachdem wir über die ersten beiden Jahre so einfach nicht punkten konnten und ich wusste, dass ich in der vergangenen Saison nicht effizient gelaufen bin, musste ich einige Dinge anders machen."
Kyle Shanahan (Head Coach 49ers): "Wir haben bis zum Ende gekämpft, ich bin stolz auf die Jungs, auch wenn es natürlich nicht das Ergebnis ist, das wir wollten. Wir wussten, dass es schwierig werden würde und nach der Interception beim ersten Play war das klar. Ich habe anschließend mit Brian gesprochen und gemerkt, dass alles okay ist. Er ist gut damit umgegangen."
Das entscheidende Duell: Sean McVay gegen die 49ers
Neben der starken Pass-Protection der Rams (siehe unten) sollte man auch das übergeordnete Thema im Blick behalten - nämlich wie zentral eine gut aufgebaute Offense mit gutem Play-Calling für einen jungen Quarterback ist. Goff legt noch immer technische Probleme an den Tag und ist längst noch kein ausgereifter Quarterback. Die bessere Protection, Play-Action-Calls und Route-Konzepte, die ihm schnelle Reads ermöglichen und leichter machen, sollten Goffs Entwicklung aber immens vorantreiben. Drei Spiele sind eine kleine Sample Size, bislang aber scheint McVay eine Slam-Dunk-Verpflichtung für L.A. und die jungen Offense-Stars zu sein.
Der Knackpunkt: PAT und 2-Point-Conversion
Was für eine Achterbahnfahrt auch für das Special Team der 49ers! Einen fallen gelassenen Punt erobert, einen Fumble beim Kick-Off geholt und einen Onside Kick erfolgreich durchgeführt. Der verpasste Extra Punkt nach dem Touchdown von Celek zu Beginn des Schlussviertels aber wurde am Ende teuer. Gemeinsam mit der verpassten 2-Point-Conversion zum Schluss, bei welcher San Francisco zudem eine Timeout unentschuldbar verschwendete, verhinderten einen irren Comeback-Sieg. Den Deckel drauf machte dann Aaron Donald mit einem Sack bei 4th&20, nachdem die Niners eine harte Pass-Interference-Strafe hatten schlucken müssen.
Der Star des Spiels: Todd Gurley
Todd Gurley ist zurück! 113 Yards und zwei Touchdowns erlief er bei 28 Runs, es war sein erstes 100-Rushing-Yard-Spiel seit Week 14 in der 2015er Saison. Umso beeindruckender war Gurleys Leistung wenn man bedenkt, dass das Run-Blocking gegen die Niners-Front erneut durchwachsen war. Gurley hatte im Schnitt -0,1 Yards pro Run ehe ein Verteidiger innerhalb eines Yards bei ihm war. Das erklärt auch, warum die Hälfte seiner Runs nur zwei Yards oder weniger einbrachten, 54 seiner Yards erlief er nach Kontakt und erzwang zudem zwei Missed Tackles. Insgesamt hat Gurley jetzt schon sechs Touchdowns auf dem Konto, so viele wie in der gesamten Vorsaison.
Der Flop des Spiels: San Franciscos Pass-Defense
Eine große Frage war, wie Goff gegen Pressure auskommen würde - nach wie vor ein großes Problem für ihn, wie gerade am Sonntag gegen Washington wieder zu sehen war. San Franciscos Front kam somit eine wichtige Rolle zu, allein: Der Pressure war quasi nicht vorhanden. Die Niners produzierten überhaupt keinen Pass-Rush und offenbarten in der zugegebenermaßen von Verletzungen dezimierten Secondary immer wieder große Lücken, so dass Goff kaum einmal unter Druck stand. San Francisco gelang nicht ein Sack und so zeigte Goff stattdessen mehrfach, wie er ohne Pressure auch Bälle in enge Fenster bekommt. Gegen Pressure stand er immerhin bei 4/8 für 89 Yards.
Die Taktik-Tafel
- Die Run-Defense der Rams bleibt bei aller Euphorie rund um das Team ein Problem. Nachdem L.A. gegen Washington in Week 2 179 Rushing-Yards alleine vor erstem Kontakt zugelassen hatte, hatten auch die Niners Erfolg im Run Game: 113 Rushing-Yards standen am Ende bei 33 Runs zu Buche.
- Stichwort Niners-Run-Game: Wer die Falcons in der vergangenen Saison gesehen hat, der weiß, wie wichtig die Running Backs für das Passing Game in der Offense von Kyle Shanahan sind. San Franciscos Carlos Hyde hat schon jetzt 16 Targets und damit 5,3 pro Spiel - ein klarer Anstieg zu den 1,8 Targets pro Spiel in seiner NFL-Karriere vor 2017.
- Dabei war Quarterback Brian Hoyer nach ultra-konservativem Spiel vor allem gegen Seattle aggressiver: Elf Pässe von mindestens zehn Yards versuchte er, davon kamen acht für 239 Yards an. Hoyer steigerte sich im Laufe des Spiels deutlich
- Aufbauend auf dem Run Game konnte L.A. ein gutes Play-Action-Passspiel präsentieren, was Goff die Arbeit deutlich erleichterte. Bei Play-Action-Pässen lautete seine Stat-Line: 5/6, 119 YDS. Immer wieder ermöglichte McVay ihm so Zeit und einfache Completions.
- Die Rams bewegten Receiver Sammy Watkins auffällig herum: Zwar agierte er meist auf der linken Seite, stand dort aber Outside genau wie im Slot, lief In- und Out-Breaking-Routes. Beeindruckend: Watkins verzeichnete pro Target im Schnitt 2,6 Yards Abstand zum Gegner sowie 4,6 Yards pro gelaufener Route. Von den 65 Plays der Rams-Offense stand Watkins 42 auf dem Platz, nur Robert Woods (60) hatte unter den Rams-Receivern mehr Snaps. Cooper Kupp (37) und Tavon Austin (15) kamen dahinter.